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Von Schlurfs, Potapkis und Zazous

Mit Swing und Jazz gegen das NS-Regime…

Getreu dem Zitat von Albert Einstein: „Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschiert, hat er sein Gehirn nur aus Irrtum bekommen“, entschieden sich tausende von Jugendlichen in Deutschland, Österreich und den besetzten Ländern der nationalsozialistischen Unkultur die Stirn zu bieten. Der Gleichschaltung und dem eingeforderten Herdenverhalten setzten die „Swingheinis“ ihre eigene Kultur entgegen: individueller Dresscode sowie kreative und ekstatische Musik. Dem obligatorischen „Sieg Heil“ widersprachen sie mit dem selbstbewussten und wunderbaren Gruß „Swing Heil“ und das hohle „Kraft durch Freude“ wurde mit sichtbarer Freude an kraftvollen Klängen von Louis Armstrong, Benny Goodman und Duke Ellington beantwortet.

In Österreich nannte man sie „Schlurfs“. Diese ersten Vertreter der Spaßguerilla trugen lange Haare, sogenannte Schwalbenschwänze, und ihre Freundinnen, die „Schlurfkatzen“, taten alles um sich vom Outfit der BDM-Mädels zu unterscheiden. „Geschneckerlte“ Hochfrisuren statt Gretel-Zöpfe, lange Hosen statt BDM-Röcke. Lässig die Zigarette im Mund und zur „wilden Negermusik“ ein verbotenes Tänzchen gewagt, das war für die Nazis der Inbegriff des asozialen Müßiggangs. Viele deutsche „Swing Kids“ trugen dagegen einen Regenschirm mit sich, der natürlich nie aufgespannt wurde. Dies galt als Erkennungszeichen, aber auch als Ausdruck der Solidarität mit Großbritannien, da Außenminister Anthony Eden und Premier Neville Chamberlain von den Nazis als „Regenschirmpolitiker“ verspottet wurden. Die tschechischen Potapkis (Haubentaucher) erhielten ihren Namen nach ihrem Tanzstil, bei dem sie immer „auf- und abtauchten“ und damit an die Bewegungen des Vogels erinnerten. Das französische Pedant dazu waren die Zazous, deren Name sich von einem Liedtext des populären US-Jazzers Cab Calloway herleitete. Calloway war der Chef einer der bekanntesten African-American Big Bands. Seine heißen Rhythmen wurden von den Nazis als gefährliche „Kannibalen-Musik“ gegeißelt. „Was mit Ellington anfängt, das hört mit dem Attentat auf den Führer auf“, warnte daher ein besorgter SS-Sturmbannführer.

Das Buch „Im Swing gegen den Gleichschritt“ erzählt von einer nahezu vergessenen Rebellion von mutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit ihrem fantasievollen Widerstand gegen totalitäres Handeln und Denken ihre Freiheit und manchmal auch ihr Leben aufs Spiel setzten. Ein kurzweiliges, leicht geschriebenes, interessantes, aber auch nachdenkliches Buch für Menschen, die nicht mitmarschieren mögen! – (jgt)

Wolfgang Beyer und Monica Ladurner: Im Swing gegen den Gleichschritt. Die Jugend, der Jazz und die Nazis, Residenz Verlag, St. Pölten/Salzburg 2011, 241 Seiten, 21,90 Euro, Bestellen?