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Schabbat ha Malka: Königin der Jontefftage

Kinder- und Jugendbücher über das Judentum gibt es unzählige, und doch wird Judentum zumeist ausschließlich in Sammelbänden und Anthologien über Religionen im allgemeinen abgehandelt. Nur wenige dieser Publikationen sind für jüdische Kinder geschrieben und in Deutschland verlegt worden. Romane und Erzählungen schließlich befassen sich fast ausnahmslos mit jüdischer Kindheit vor oder während der Schoah…

Von Sharon Adler, Rezension erschienen in der Zeitung Jüdische Allgemeine, Nr. 24/10
Lesung am Samstag, 30. Oktober 2010, 19:00 Uhr, im BuchReigen, Raumerstraße 1, Prenzlauer Berg

Es gibt auch Ausnahmen: Der Roman „Mona und der alte Mann“ von Noemi Staszewski, erschienen 1997, befasste sich aus der Sicht eines christlichen Mädchens mit Jüdischem Leben und Riten. 2003 erschien „Prinz William, Maximilian Minsky und Ich“ von Holly-Jane Rahlens, im Jahr 2007 nach einer Drehbuchadaption der Autorin unter dem Titel „Max Minsky und ich“ verfilmt. In diesem Buch steht ein jüdisches Mädchen im Mittelpunkt der Handlung.

Auch Schabbat ha Malka – Königin der Jontefftage / Git Schabbes, Dvorale! ist so eine Ausnahme. Im Mai 2010 im Berliner Lichtig-Verlag erschienen, schildert die Erzählung in zeitgemäßer Sprache aus der Sicht der siebenjährigen Deborah, was jüdisches Leben ausmacht.

Dabei ist es der Herausgeberin und Autorin Nea Weissberg-Bob gemeinsam mit ihren Co-Autorinnen Jalda Rebling und Denise Bendrien und weiteren Beteiligten gelungen, sich neben der Beschreibung von Riten, Brachot und Speisenfolgen nicht nur darauf zu beschränken, wie jüdisches Leben funktioniert.

Das Buch bietet viel mehr. Denn der Band verbindet, so die Herausgeberin in ihrem Vorwort, „die konkrete Darstellung mit persönlichen Erinnerungen, Sehnsüchten, Träumen und Wünschen.“

Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Schabbat als der höchste Feiertag der Woche und um ihn herum rankt sich die „Familie“, die mit drei Generationen an einem Tisch versammelt ist.

Ein lebendiges jüdisches Familienleben ist es, was hier gezeichnet wird, eingebettet in die Gefühle und Betrachtungen des Mädchens Deborah, von den Familienmitgliedern liebevoll Dvorale oder auch Schmuckstück genannt.

Deborah erlebt den Abend als etwas Selbstverständliches und Ungezwungenes, in dem doch die Feierlichkeit dieses besonderen Abends spürbar wird.

Im Kreise der Anwesenden erzählen die Großeltern Geschichten aus ihrer Kindheit in Polen, in denen stets auch die Trauer um den Verlust von Familienmitgliedern und um eine verlorene Welt mitschwingt. Thematisiert wird diese Trauer nicht, aber auch das Schweigen über das Erlebte wird in dieser Erzählung zum Gegenstand der Handlung und so auch für Kinder und Jugendliche nachvollziehbar.

Deborahs Großeltern sind traditionelle Juden, denen die säkular lebenden Eltern Deborahs zur Seite gestellt sind, ein friedvolles Miteinander zeichnet den gemeinsam verbrachten Oneg Schabbat aus. Im Laufe des Abends erinnert sich Deborahs Vater Samuel auch an die Geschichte seiner eigenen Familie, und schmerzhaft wird ihm erneut bewusst, dass er als Jugendlicher auf seine Fragen nur verwirrende Antworten erhielt. Somit ist der vorliegende Band auch als ein Aufruf zu verstehen, Transparenzen zu schaffen und das Schweigen um das Unaussprechliche und das Leid zu brechen.

Bezug auf die „versunkene’ Welt“ und die „alte große jüdische Melodie“ nimmt besonders Rachel Herweg in ihrem Nachwort. Sie verweist auf den 2. Band der Memoiren einer Großmutter, erschienen in den Jahren 1908/1910 in Berlin, verfasst von der 1833 im weißrussischen Bobruisk geborenen Pauline Wengeroff. Diese hatte mit ihrer Veröffentlichung an das jüdische Familienleben ihrer Kindheit erinnert, das es nicht mehr gab und detailliert den Ablauf jedes Fest-, Fast- und Trauertags des jüdischen Jahres und alle mit ihm verbundenen Bräuche, rituellen Handlungen und Gebote beschrieben.

An diese Tradition knüpft Schabbat ha Malka – Königin der Jontefftage / Git Schabbes, Dvorale! an. Die Autorin schlägt dabei einen ungewöhnlichen Weg ein: Nach dem 2-in1-Prinzip verbindet das Buch eine Version für Erwachsene und eine kürzere für Kinder. Zur Umsetzung des Buches holte sich Nea Weissberg-Bob, Herausgeberin von Das Glück hat mich umarmt und Nejusch. (ebenfalls im Lichtig-Verlag erschienen), Unterstützung.

Ihre Nichte Denise Bendrien trug die Version einer Schabbesgeschichte aus der Sicht eines jungen Mädchens bei, die Kantorin Jalda Rebling ergänzte Hinweise zu Ritualen und Liturgie . Außerdem steuerte die Künstlerin Anna Adam kunstvolle Vignetten bei, die Fotografien der Künstlerin Veronika Urban bilden rituelle Kultobjekte ab, die ehemalige Psychologin des jüdischen Kindergartens in der Delbrückstraße Lilian Nunberger begleitete das Projekt, und in ihrem Nachwort gibt Rachel Herweg zusätzliche Informationen.

Besonders berührend sind die Aquarelle der autistisch-behinderten Tochter von Nea Weissberg-Bob, Janina Deborah Bob.

Schabbat ha Malka – Königin der Jontefftage beziehungsweise Git Schabbes, Dvorale! wurde im Hinblick darauf konzipiert, nichtjüdischen Kindern und Jugendlichen, aber auch denjenigen, die mit den Jontefftagen nicht so vertraut sind, Aspekte religiösen jüdischen Lebens nahe zu bringen. Der Band ist als Gesamtkunstwerk zu verstehen, das sich besonders als persönliches Bat- oder Bar-Mitzwah-Geschenk eignet und so ein lebendiges jüdisches Leben begleiten kann.

Schabbat ha Malka – Königin der Jontefftage / Git Schabbes, Dvorale!
Zwei Erzählungen über den Schabbat
Herausgegeben von Nea Weissberg-Bob
lichtig-verlag.de

Lesung am Samstag, 30. Oktober 2010, 19:00 Uhr, im BuchReigen, Raumerstraße 1, Prenzlauer Berg