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Strategien der extremen Rechten

Zwei Jahre ist es nun her, dass der Baden-Würrtembergische SPD-Mann Stephan Braun gemeinsam mit Ute Vogt ein umfassendes Werk zur Wochenzeitung „Junge Freiheit“ herausgegeben hat. Darin dokumentierten zahlreiche Autoren die Verstrickungen der Zeitung ins rechtsextreme Lager aus unterschiedlichen Blickwinkeln…

Rezension von Ramona Ambs

Darüber ärgern sich natürlich die Rechtsextremen, und so tauchen sie mittlerweile immer öfter bei Veranstaltungen Brauns auf und stören diese auf vielfältige Weise. Eine neue Strategie der Neonazis, angesichts häufiger Demoverbote und knapper Kassen.

Zukünftig dürften sie sich jedoch noch mehr ärgern. Denn es sind genau diese Strategien, die in einem neuen, 680 Seiten starken Buch von Stephan Braun, Alexander Geisler und Martin Gerster analysiert und demontierbar gemacht werden. 42 AutorInnen haben ihr fachliches Wissen dazu beigesteuert. „Strategien der extremen Rechten – Hintergründe-Analysen-Antworten“ bietet tatsächlich neben umfangreichen Analysen auch Antworten und Handlungsmöglichkeiten im Kampf gegen rechts.

Zunächst werden im ersten Teil die strukturellen Grundlagen der extremen Rechten untersucht. Dabei werden vor allem die Entwicklungen rechtsextremer Ideologien und Gruppierungen innerhalb der Bundesrepublik beschrieben und deren Entwicklungspotentiale und reale Erfolge und Mißerfolge dokumentiert.

Im zweiten Teiles findet man eine umfassende Analyse der rechten Szene. Neben Strategien und Strategieänderungen rechter Parteien, wie zum Beispiel NPD, REP oder DVU, werden auch Versuche der Neonazis, in andern Bereichen, wie Kultur, Sport, Musik und den neuen Medien, Einfluss zu bekommen anhand zahlreicher Fallbespiele belegt. So berichten beispielsweise Martin Langebach und Jan Raabe über die Einflussnahme von rechtsextremen Parteien auf den Rechtsrock und dessen unterschiedliche Strömungen. Alexander Geisler und Martin Gerster beleuchten dergleichen im Bereich Fußball. Andreas Speit beschreibt anschaulich die ganz konkreten Versuche der Rechtsextremen, in Mecklenburg-Vorpommern sogenannte „National befreite Zonen“ zu schaffen und Andrea Röpke schildert die Versuche der Rechtsextremen, Immobilien zu kaufen.

Antiamerikanismus und Antisemitismus sind tragendes Element der neuen Verbindungen von Rechtsextremen zu Islamisten und Globalisierungsgegnern. Mehrere Autoren beleuchten diese Annäherung und deren Grenzen. Dabei spielt das Internet eine immer wichtigere Rolle. Dieses nutzen die neuen Nazis nicht nur zur Vernetzung innerhalb der Bundesrepublik, sondern auch um mit ihren Gesinnungsgenossen weltweit zu kommunizieren. Während jedoch die Vernetzung der bundesdeutschen Rechten zu Rechtsextremen der westlichen Staaten, vor allem Dänemark, Belgien und Frankreich relativ bekannt ist, zeichnet Anton Maegerle die Intensivierung der Beziehung auch zu osteuropäischen Nazis zum Beispiel in Russland, Tschechien oder Rumänien nach.

Ein weiterer Aspekt des Buches ist die Frage von Recht und Verfassung. Rudolf Kleinschmidt beschreibt, mit welchen Mitteln und welchen Rechtshilfeeinrichtungen sich die extreme Rechte im Kampf gegen das bestehende Rechtssystem unterstützt. Ergänzend dazu stellen Stephan Braun und Anton Maegerle die Juristen vor, die sich in der rechten Szene in vielfältiger Weise engagieren.

Dieses Buch verharrt jedoch nicht nur bei Bestandsaufnahme und Analyse. Im dritten Teil referieren zahlreiche Fachleute mögliche Antworten und Gegenstrategien. Die Chancen und Grenzen allgemeiner pädagogischer Intervention stellt Micha Brumlik dar, während Gunter A. Pilz sich der Situation auf dem Fußballfeld und den Spielstadien zuwendet. Auch medienpädagogische Gegenstrategien werden von den Autoren Patrick Gensing und Stefan Glaser vorgestellt. Konkrete Handlungsstrategien für Politiker in Kommunalparlamenten, in denen Vertreter rechtsextremer Parteien sitzen, werden ebenso vorgestellt wie Ausstiegsprojekte für Neonazis. Carl Chung und Ann-Sofie Susen präsentieren in diesem dritten Buchteil ein Modell für ein Gesprächs- und Verhaltenstraining gegen rechtsextreme Erscheinungsformen, dass ausgesprochen klug, kontextbezogen und differenziert gestaltet ist.

Chancen und Grenzen des Rechtsstaats und des Verwaltungsrecht werden aufgezeigt. Rainer Litten zeigt anschaulich welche Möglichkeiten das bestehende Recht bietet, um rechtsextreme Handlungsräume einzuschränken und Thomas Günther stellt die medienrechtlichen Möglichkeiten dar, gegen rechtsextreme Inhalte aus dem Internet vorzugehen, selbst wenn deren Anbieter nicht in der Bundesrepublik sind. Somit ist dieses Buch tatsächlich nicht nur Analyse und Dokumentation, sondern vielmehr auch praktische Hilfe, sich in der Auseinandersetzung mit rechts gestärkt zu finden.

Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster (Hrsg,): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe-Analysen-Antworten
VS-Verlag Wiesbaden 2009, 681 S., EUR 39,90, Bestellen?