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Frischer Blattsalat

Journalisten haben in Österreich keinen guten Ruf. Wer glaubt dies nur damit begründen zu können, dass so viele die Neue Kronenzeitung als einzige Informationsquelle betrachten, irrt sich. Bereits vor dem ersten Weltkrieg urteilte Karl Kraus: "Wer irgendeine tiefere Bildung, wer auch nur das bescheidenste intellektuelle und ethische Reinlichkeitsgefühl besitzt, kann kein tauglicher Journalist werden. Bildung ist nämlich ein Hindernis für die journalistische Fixigkeit, sie untergräbt die dreiste Selbstgefälligkeit, die über alles so leicht und sicher urteilt"…

Eine Rezension von Karl Pfeifer

Günter Traxler tritt mit seiner Medienkritik den Beweis an, tiefere Bildung sowie intellektuelles und ethisches Reinlichkeitsgefühl tragen dazu bei, dass so viele Leser des Standards, als erstes nicht die Tagesnachrichten lesen, sondern zu seinem Blattsalat greifen. Entgegen der Behauptung, dass nichts so alt sei, wie die gestrige Zeitung, wirken die Texte Traxlers aus den Jahren 2003-2007, die der Wiener Verlag der Apfel publiziert hat, noch immer aktuell, denn die Steilvorlagen der Printmedien haben sich seither kaum geändert.

In seinem witzigen Vorwort gibt der Medienwissenschaftler Fritz Hausjell den Lesern den guten Rat das Buch "in kleinen Dosen zu lesen", denn wer es in einem Stück liest könnte sich von den österreichischen Medien ganz abwenden. Tatsächlich ist Traxlers Kolumne mit ein Grund dafür, dies nicht zu tun.

Seine Methode ist nicht neu. Er lässt diejenigen ausgiebig zu Wort kommen, die er — nicht mit dem Holzhammer — kritisiert.

Schon der oben erwähnte Karl Kraus hat festgestellt: "Wenn eine Albernheit stark genug ist, so braucht man sie bloss zu zitieren, um sie darzustellen." Und an Albernheiten mangelt es in unseren Medien nicht, schon aus dem Grund weil es auch Medien gibt, die intellektuelles und ethisches Reinlichkeitsgefühl prinzipiell ablehnen.

Günter Traxler — und das ist ihm hoch anzurechnen — nimmt auch die vom FPÖ Europaabgeordneten Andreas Mölzer schriftgeleitete Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" unter die Lupe. So zitiert er den ehemaligen Kurier-Astrologen Heinz Fidelsberger, der da u.a. schreiben durfte: "Man kann in der heutigen Zeit viele Verbrechen begehen und wird oft sogar milde Richter finden." Das passt natürlich Fidelsberger nicht und er beklagt: "Ein Delikt aber ist unverzeihlich. Kein Mensch darf hoffen auf Beförderung, auf eine Auszeichnung, auf gesellschaftliche Achtung, ja auf gesicherte Existenz überhaupt, wenn er auch nur in den leisesten Verdacht gerät, ein Antisemit zu sein."

"Das wäre schön" kommentiert Traxler lakonisch, der in seinem 327 Seiten umfassenden Buch zwar keine Erlösung bringt für unsere Welt, aber doch einen Beitrag dazu leistet, dieses Land ein wenig besser zu machen. Der Blattsalat verdient aber in erster Linie deswegen eine hohe Auflage, weil er die Leser amüsiert und mit seinen leisen Tönen ein Gegenteil der hier so beliebten Schenkelklopferei ist.

Günter Traxler: Blattsalat. Neue Texte, Verlag der Apfel, Wien 2008