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Ein Lexikon als Monument: Die jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum

Wenn in Deutschland von einem beeindruckenden Denkmal für die Opfer der Schoah oder von einem Mahnmal für das deutsche Judentum die Rede ist, ist normalerweise höchste Vorsicht geboten. Beim hier vorliegenden Werk, sind Respekt und Anerkennung angebracht. Zum einen für Ausdauer und Beharrlichkeit, zum anderen für die hohe Qualität.

In zwölf Jahren entstand aus langen Recherchen ein Werk das wirklich notwendig ist, das nützlich ist und dabei zu einer Reise einlädt, die auf beeindruckende Weise die ganze Geschichte, Verbreitung und Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in den ehemals deutschsprachigen Gebieten Osteuropas sichtbar macht. Und was das Werk besonders auszeichnet: Es bleibt nicht in der Vergangehheit stehen, sondern schlägt dort, wo es möglich ist, weil es neben Friedhöfen auch lebende Gemeinden gibt, den Bogen zur Gegenwart. Gerade durch diese Vergleichsmöglichkeit wird das Ausmass der Vernichtung deutlich.

Doch lassen wir den Verfasser über Entstehungsgeschichte und Motivation
selbst sprechen und zitieren aus dem Vorwort von Klaus-Dieter Alicke

… Über viele Jahrhunderte hinweg haben Menschen israelitischen Glaubens ihre Spuren in der deutschen Geschichte hinterlassen. Mit ihren herausragenden wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten haben die Juden in Deutschland unsere mitteleuropäische Kulturlandschaft prägend mitbestimmt und zeitweilig deutsche Städte zu Zentren europäischer Kultur gemacht.
Vieles davon ist heute in Vergessenheit geraten; Städte und Dörfer, in denen in der Vergangenheit blühende jüdische Gemeinschaften anzutreffen waren, weisen heute – wenn überhaupt – nur noch Spuren jüdischer Geschichte auf, die die planmässige nationalsozialistische Verfolgungs- und Vernichtungspolitik noch übrig gelassen hat. Doch die völlige Auslöschung der gesamten jüdischen Kultur gelang dem Nationalsozialismus nicht. Das Lexikon soll helfen noch verbliebene Spuren zu entdecken und Vergessenes wieder zum Vorschein zu bringen um daraus zu Kenntnissen und Erkenntnissen zu gelangen.

… Motivation für meine Arbeit an diesem Lexikon habe ich durch meine Tätigkeit im Besucherdienst der Gedenkstätte Bergen-Belsen erhalten. Insbesondere die Arbeit mit Schülergruppen brachte mich dazu, mich intensiver mit der Geschichte des deutschen Judentums zu befassen: Denn um einen besseren Zugang zu den zumeist aus dem norddeutschen Raum kommenden Schülergruppen zu bekommen, erwies es sich als äusserst hilfreich, den Einstieg in die Thematik von der jeweiligen Lokalgeschichte her zu erreichen. Das bedeutete, dass zu jeder Gruppe eine speziell auf diese abgestimmte Einführung erarbeitet wurde, die die Verfolgung während der NS-Zeit zum Inhalt hatte. Da in vielen Heimatorten der Schüler/innen ehemals jüdische Gemeinden beheimatet waren, konnte hier oft eine Verbindung zum Gedenkstättenbesuch geknüpft werden. Auf diese Weise entstanden zunächst "Kurzportraits" jüdischer Gemeinden aus dem Besucher-Einzugsgebiet der Gedenkstätte Bergen-Belsen. In den folgenden Jahren habe ich dann die Arbeit auf den gesamten deutsch-sprachigen Raum ausgedehnt…

… Das Lexikon soll also vor allem Menschen der jüngeren Generation ansprechen, die im allgemeinen keine oder nur sehr wenige Kenntnisse über jüdische Lokalgeschichte besitzen und es kaum für möglich halten, dass in ihrer Heimatstadt auch einmal eine israelitische Gemeinde zu Hause war. Sich auf die Spuren der jüdischen Geschichte seiner Stadt, seiner Region zu begeben und sich zu erinnern, heisst, sich des eigenen historischen Ortes zu vergewissern.

Ich wünsche mir, dass dieses Lexikon künftig einen Platz in jeder Bibliothek weiterführender Schulen und entsprechender Bildungseinrichtungen findet und dass die Kultusministerien der Länder auch Mittel für die Beschaffung bereitstellen. In aller erster Linie soll die Publikation den vielen Zehntausenden jüdischen Familien aus Deutschland ein bleibendes Denkmal setzen, die oder deren Angehörige Opfer der Schoah wurden oder die in die Emigration getrieben wurden.

Im November 2008 jährt sich zum 70.Male der Tag, an dem in Deutschland Synagogen brannten und jüdische Friedhöfe geschändet wurden, unzählige jüdische Bürger und Bürgerinnen misshandelt, Geschäfte geplündert und ausgeraubt und Zehntausende für Tage und Wochen in Konzentrationslager verschleppt wurden und dort auch fast 100 Menschen zum Opfer fielen. Organisiert vom nationalsozialistischen Regime markierten diese Tage den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung der deutschen Juden seit 1933 hin zur systematischen Verfolgung, die wenige Jahre später in den Holocaust an den europäischen Juden im Machtbereich des NS-Regimes mündete.

Die nun schon sieben Jahrzehnte zurückliegenden Pogrome — im Volksmund verharmlosend "Reichskristallnacht" bezeichnet – habe ich als geeigneten Zeitpunkt empfunden, um mit der Publizierung eines Lexikons zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum an die Öffentlichkeit zu treten und dem Vergessen entgegen zu treten.

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Klaus-Dieter Alicke:
Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum
Bd.1: Aachen – Gross-Bieberau,
Bd.2: Grossbock – Ochtendung,
Bd. 3 Ochtrup – Zwittau