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Shraga Har-Gil: Alte Liebe rostet nie

Shraga Har-Gil ist ein betagter Herr. Er lebt in Israel, arbeitete lange als Journalist für die israelische Tageszeitung Ma’ariv, hatte zuvor aber bereits verschiedene andere Berufe – in Israel nichts Aussergewöhnliches. Nun, im Alter, blickt er in literarischer Form auf sein ereignisreiches Leben zurück – in einer Sprache, die er sich sehr lange zu sprechen geweigert hatte: in deutsch.

Shraga Har-Gil ist ein Jecke (s. Greif/McPershin/Weinbaum 2000; Greif 2003). Geboren wurde er 1926 mit dem Namen Paul-Philipp Freudenberger in Würzburg. 1933 verstiessen die Deutschen den Sechsjährigen – ein traumatisches Erlebnis, welches Shraga Har-Gil niemals mehr zu vergessen vermochte: Als ein Fotograf von der Kindergartengruppe ein Erinnerungsfoto über die gemeinsame glückliche Kindergartenzeit machen wollte, musste sich das jüdische Kind Paul-Philipp auf Geheiss seiner Kindergärtnerin mit dem Rücken zur Wand stellen…

Von Roland Kaufhold

Er – dessen Grossonkel Felix Freudenberger zehn Jahre zuvor zweiter Bürgermeister von Würzburg und Vorsitzender der SPD Unterfrankens gewesen war – wurde ausgeschlossen, aus der Erinnerung ausgelöscht. Wenige Jahre später sollte ein Grossteil seiner Verwandten von den Deutschen ermordet werden. Shraga hingegen überlebte: Seine Eltern wanderten mit ihm rechtzeitig nach Palästina aus.

Der 1926 geborene israelische Journalist Shraga Har-Gil hat nun auf deutsch zwei kleine literarische Erstlingswerke veröffentlicht, in welchen er sich an seine Kindheit in Deutschland, aber auch an sein Leben in Israel erinnert. „Ich habe mich durchgerungen, es so zu sehen: Die Mörder gehörten der vergangenen Generation an. Mit ihren Kindern kann man Beziehungen haben“, fasst Shraga Har-Gil – er lebt heute in Tel Aviv – seine ambivalenten Gefühle gegenüber Deutschland zusammen.

Vor drei Jahren, 2005, legte Shraga Har-Gil mit „Alte Liebe rostet nie“ seinen ersten Erzählband vor. Den zehn kleinen Essays wird eine umfangreichere, lokal- und familiengeschichtlich orientierte Einführung von Hans Steidle vorangestellt, die informativ, aber vielleicht auch etwas sperrig ist. In seinen Essays erinnert sich Har-Gil an seine Kindheit in Würzburg, welche ihm auch in den Erzählungen seines Vaters – seine Mutter war schwer krank – vermittelt worden ist. Für diesen war es wohl bedeutsam, sich in seinen ersten Jahren des Neuanfangs im damaligen Palästina an seine Heimatstadt Würzburg zu erinnen, seinem Sohn davon zu erzählen. Sein Vater wollte sich und seiner Familie eine gewisse seelische Kontinuität erhalten.

In dem Beitrag „Alte Liebe rostet nie“ erzählt Har-Gil von der ungelebten, dennoch zeitlebens wirkmächtigen Beziehung seines Vaters zu einer Jugendfreundin. Sie hatten sich regelmässig im örtlichen Cafe in einem politisch und kulturell interessierten Würzburger Freundeskreis getroffen; einige dieser Freunde sollten seinen Vater wenige Jahre später zur lebensrettenden Emigration drängen. Gelegentlich hörten sie voneinander, trafen sich Jahrzehnte später noch einmal in Israel. Das Leben bot ihrer Liebe keine Chance mehr. Doch seelisch blieben sie verbunden. Har-Gil endet mit den Worten: „Fünfzehn Jahre später starb Paula. Sie träumte das letzte Mal von Heiner und entschlief mit einem zufriedenen Lächeln auf ihren Lippen.“ (S. 44)

In „Meine Versöhnung mit Würzburg“ erzählt der Autor gleich in den ersten Zeilen von der tiefen, schmerzhaften Ambivalenz, die ihn bei seinem ersten Besuch in seiner früheren Heimatstadt Würzburg zu überwältigen drohte: „Es war einige Jahre nach dem Krieg als ich zum ersten Mal seit dem Holocaust wieder nach Würzburg kam. Ich war sehr vorsichtig. Ich hatte ein Gefühl der Ungewissheit. Wie würde es sein? Konnte ich wirklich nach Würzburg zurück? Immerhin waren von hier aus mein Grossvater und andere Verwandte erst nach Theresienstadt und dann nach Auschwitz transponiert worden.“ (S. 51) Bei drei Besuchen, in sehr grossem zeitlichen Abstand, macht er widersprüchliche Erfahrungen. Er trifft im früheren Cafehaus seines Vaters einen weiterhin uneinsichtigen Offizier der Waffen-SS – und lässt den Kontakt zu Würzburg doch nicht endgültig abbrechen. Später trifft er engagierte Würzburger Lehrer, die sich um eine „Aufarbeitung“ der grausamen deutschen Verbrechen bemühen. Die heimische Küche, der ihm immer noch vertraute Würzburger Dialekt, diese frühen Erfahrungen halten seinen Wunsch nach einer Wiederbegegnung wach.

Der jüdische Exilant betont: „Ich kann nicht vergessen und habe nicht das Recht als Überlebender aus diesen schweren Zeiten im Namen der Toten zu verzeihen. Ich glaube aber das Recht zu haben, mich mit den Töchtern und Söhnen der Nazigeneration zu versöhnen; denn wir Menschen müssen eine Welt ohne Hass und Rache aufbauen um weiter existieren zu können.“ (S. 54)

In dem Beitrag „Im Montessori-Kindergarten“ erinnert Har-Gil sich an seine Kindergartenzeit. Des auf den Regeln dieser grossen italienischen Pädagogin beruhenden Lebens im Kindergarten erinnert er sich als förmlich und seiner kindlichen Lebenswelt uneinfühlsam gegenüber stehend. Der knapp Sechsjährige bleibt, da er Jude ist, Aussenstehend, erlebt immer wieder den Ausschluss von gemeinsamen Aktivitäten, den Abbruch von Freundschaften aus rassistischen Gründen. Als er dann, als Vorbereitung der Emigration, in eine jüdische Grundschule in Berlin eingeschult wird erlebt er, vermittelt durch ein hebräisches Lied, erstmals das Gefühl einer Zugehörigkeit. Dieses Lied „gehörte nur uns Juden und so wurde es wieder warm in meinem Herzen.“ (S. 64)

In „Würzburg ADE“ beschreibt der Autor seine Überreise nach Palästina, die er neunjährig erlebte. Es folgen weitere kleine literarische Stücke, in welchen er kindliche Erlebnisse, die sich ihm eingeprägt haben, in humorvoll-fantasiereicher Weise schildert. Es sind traurige Erlebnisse, aber auch Erinnerungen an kleine Heldentaten und an kindliche Freundschaften, immer wieder verbunden mit fantasiegeleiteten Erweiterungen. In weiteren kleinen Erzählungen werden die nationalsozialistischen Verbrechen unmittelbar beschrieben, so in „Der Willi und die Nazis.“ Dieser Willi, mit Tante Valerie befreundet, war ob seiner in die Erwachsenheit geretteten Kindlichkeit für Shraga ein wirkliches Idol, ein wahrer Kumpel. Auf ihn konnte man sich verlassen – so schien es. Plötzlich wurde dieser nette Mensch zum Nazi; anfangs noch mit Schuldgefühlen, mit Ambivalenzen. Die Beziehung zu Shragas erwachsenem Freund zerbricht langsam. Irgendwann sieht der Jude Shraga seinen ehemaligen erwachsenen Freund in SA-Uniform – ein Schock. Später möchte dieser sogar zur SS gehen. Darauf nimmt seine Freundin, Tante Valerie, Tabletten. Sie überlebt. Und möchte in Würzburg bleiben.

Shraga Har-Gil beendet diese Erzählung mit einem bitteren Resümee auf das Leben seiner Tante: „Am 17. Juni wurde sie mit dem Judentransport vom Rangierbahnhof in Würzburg nach Auschwitz verschleppt. Die Polizei stellte den Transport zusammen. Sturmbannführer Willi kam auch zum Bahnhof. Seine Aufgabe war es, die Judentransporte zusammen zu stellen. Er sah Valerie, sie sah ihn. Sie wechselten Blicke. Doch beide sagten nichts. Sofort nach ihrer Ankunft kamen die Frauen aus diesem Transport in die Gaskammern. Auch Valerie war unter ihnen. Sie hatte immer geglaubt, Deutsche zu sein. Jetzt war sie nur noch Jüdin.“ (S. 96)

Shraga Har-Gils 2006 erschienener Band „Der schöne Busen der Nachbarin“ enthält 15 kleine Erzählungen, in welchen sich leitmotivisch das Thema der Liebe wiederfindet – für den jüdischen Exilanten ein existentielles Thema, aus welchem er die seelische Stärke zum Weiterleben, zum Aufbau einer zweiten, jüdischen Identität schöpft.

Der „soziale Ort“ (Bernfeld) dieser neuen, biographisch gespeisten aber auch fiktiven Geschichten ist nun nicht mehr Deutschland, sondern seine neue Heimat: Israel. In „Adolf, der Esel“ schreibt Har-Gil nun nicht, wie vielleicht zu vermuten wäre, über Hitler, sondern über seine ersten Erfahrungen in Nahariya, dieser von Jeckes aufgebauten Siedlung in Nordisrael, wo sich seine Eltern in den ersten Monaten niedergelassen hatten. Die Ankunft in der ethnisch sehr gemischten nordisraelischen Hafenstadt Haifa, in der Literatur häufig beschrieben, prägte sich dem Jugendlichen ein. Hier begegnete er erstmals Arabern, denen gegenüber er keinerlei Vorbehalte hatte: „Die Passagiere, die das Schiff verlassen mussten, wurden mit Ruderbooten an Land gebracht. Vorher allerdings mussten sie über wackelige Schiffstreppen in die Ruderboote steigen. Die Ängstlichen unter ihnen wurden von den arabischen Bootsmännern heruntergetragen und in die schaukelnden Boote verfrachtet. (…) Die Bootsmänner kamen mit fliegenden arabischen Händlern an Bord, die ihrem Namen alle Ehre machten. Sie stiegen flink auf unser Schiff und boten Mützen, Kopftücher, arabischen Schmuck und Wasserpfeifen an. Ihr glitzernder, goldbemalter Schmuck und die farbigen Wasserpfeifen leuchteten in der Sonne.“ (S. 11)

In der Erzählung „Die Bar Mizwa“ erinnert Shraga sich an die familiäre Feier anlässlich seiner Aufnahme in die Gemeinschaft der erwachsenen Juden. Nun fühlt sich der 13-jährige wirklich erwachsen – und wird hierdurch zugleich von gleichaltrigen Mädchen begehrt. Eine prägende Erfahrung: „So fühlte ich langsam, dass für mich ein neues Leben begonnen hatte.“ (S. 22)

Seine Eltern liessen sich wenige Monate nach ihrer Einwanderung in der nördlich von Haifa gelegenen Siedlung Kiryat Bialik nieder. Dort suchten sie ihr Glück als Cafehausbetreiber – und benannten dieses Cafe ausgerechnet nach ihrem deutschen Familiennamen: „Cafe Freudenberger“; ein durchaus wagemutiger, nicht zwingend geschäftsfördernder Entschluss. Sein aus Deutschland vertriebener Vater, der sich am ersten israelischen Unabhängigkeitskampf 1948 beteiligt hatte, bleibt bei der Namensgebung seines Cafes, allen naheliegenden Einwänden zum Trotz, unerbittlich: „Nur diesen Namen akzeptiere ich. Keinen anderen. Die Nazis haben fast unsere ganze Familie vergast. Da soll wenigstens hier für sie ein Denkmal gesetzt werden.“ (S. 24) Das Cafehaus vermochte sich schrittweise zu etablieren, wurde zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt insbesondere für die ortsansässigen, literarisch interessierten Jeckes des Ortes. Shraga arbeitet bereits einige Jahre später als Lehrer – und abends bedient er als Kellner im Cafe Freudenberger auch seine Schüler. Seinem Direktor missfiel dies.

Shraga weiss sich argumentativ zu wehren: „Ich unterrichte an einer sozialistischen Schule. Da ist bekanntlich keine Arbeit zu gering, um getan zu werden“, entgegnete er seinem Vorgesetzten (S. 28). Der Druck gegen diese soziale Rollenmischung lässt nicht nach. So wendet sich Shraga irgendwann einem neuen Beruf zu und wird Journalist – ein Entschluss, für den er im Rückblick dankbar ist. Als seine Eltern ihr Cafe viele Jahre später aufgeben, ist dies für Shraga ein trauererfüllter Prozess, in welchem sich das heutige Schicksal der Pioniergeneration der Jeckes widerspiegelt: „Aus dem kleinen intimen ‚Cafe Freudenberger‘ ist inzwischen ein Schnellimbiss geworden. Noch nicht einmal eine Plakette erinnert an die guten alten Zeiten des ‚Cafe Freudenberger‘.“ (S. 31)

Shraga Har-Gil hatte sich am 1948-er Unabhängigkeitskrieg seines Landes als Soldat beteiligt und war dabei schwer verletzt worden. Sein Überleben schien lange ungewiss. Dieses existentielle Thema berührt er in mehreren Erzählungen, so in „Der Schrei“. In „Der ewige Kuss“ erzählt er vom Kuss, um den er, dem Tode näher als dem Leben, die betreuende junge Krankenschwester bittet. Ihre Zuneigung stärkt seinen Lebenswillen in entscheidender Weise. In „Das Leben muss weiter gehen“ berichtet er vom traurigen Schicksal des ortsansässigen Milchmanns seiner Siedlung Kiryat Bialik. Dieser ist bereits über 50 Jahre alt. Seine beiden Söhne sterben im Unabhängigkeitskrieg. Auf der unkonventionell gestalteten Beerdigungsfeier wird er von Schmerzen überwältigt. Das Gebet „Schma Israel“ wird angestimmt. 60 Jahre später erinnert sich Har-Gil mit Anteilnahme an seinen längst verstorbenen Freund: „Berko, mein Freund von damals, lebt auch heute noch in mir weiter. Ob er wirklich ins Paradies gekommen ist, wie es in dem Totengebet heisst, wer kann es wissen? Für mich ist er der junge Mann geblieben, der nicht altert, denn die Toten bleiben jung. Es war eine ungewöhnliche Beerdigung damals. Sie lief nicht genau nach den Gesetzen Israels ab, die Herr Horrowitz gut kannte. Den Hinterbliebenen gab er neuen Mut, denn das Leben musste weiter gehen.“ (S. 35)

In der titelgebenden Geschichte „Der schöne Busen der Nachbarin“ gibt der Autor eine Szene aus dem 1948-er Unabhängigkeitskrieg wieder. Die Nachbarn suchen Schutz in einem Luftschutzkeller. In dieser Situation, in welcher Intimität unmittelbar verknüpft war mit der eigenen existentiellen Gefährdung, sieht er erstmals den Busen einer hübschen Frau. Ein unauslöschlicher Eindruck. Zugleich wird er hierdurch zum beneideten Held seiner israelischen Jugendfreunde: „Die Bombardements gingen weiter und alle zitterten vor weiteren Angriffen. Ich wünschte mir nur eines: Ich wollte Uschis schönen runden Busen noch einmal sehen. Als ich meinen Klassenkameraden in der Schule davon erzählte, wurde ich zum Held des Tages. Ich musste ihnen in allen Einzelheiten berichten, wie ein Busen aussieht. Ich wurde grenzenlos beneidet, und die Bewunderung aller Jungen war mir sicher.“ (S. 49)

Auch in den Erzählungen „Die erste Liebe“ und in „Je t’aime Madeleine“ begegnen wir der unauslöschlichen Spur, die die erste Liebe in uns Menschen hinterlässt. Sollen wir unserer ersten idealisierten Jugendliebe Jahrzehnte später noch einmal begegnen? Vermögen wir die hierdurch ausgelöste Verstörung zu ertragen, sie in unser Leben zu integrieren? Eine tiefe Ambivalenz bleibt. Har-Gil denkt an seine erste Jugendliebe in Israel – und erinnert sich in diesem Nachsinnen einer frühen Kinderliebe in Deutschland. Diese frühen Gefühle bleiben miteinander verknüpft. Er fragt sich: „Hat sie den Holocaust überstanden? Und da kam es mir doch komisch vor, solche Beziehungen im mittleren Alter wieder aufleben zu lassen. Ich sagte mir plötzlich, man kann doch sein Leben nicht erneuern und es wieder von vorne anfangen. Was gewesen ist, ist gewesen.“ (S. 64)

Machen wir einen kleinen zeitlichen Sprung: Har-Gil hatte als 19-jähriger bei den Engländern in der legendären jüdischen Brigade gegen die „Wehrmacht“ gekämpft. Nach dem Krieg war er als Soldat in das besiegte Deutschland zurückgekehrt. Er brachte Überlebende der Shoah wieder mit ihren Familienangehörigen zusammen und half jüdischen Flüchtlingen bei ihrer illegalen Einwanderung in das damalige Palästina. In jener Nachkriegszeit hatte er sich geschworen, nie wieder Deutsch zu reden. In dem Beitrag „Traum vom neuen Deutschland“ erzählt Shraga von dem Schicksal einer kleinen Gruppe ehemaliger Würzburger Juden, die über angemessene Möglichkeiten nachsinnen, sich an dem Befreiungskampf gegen die „Wehrmacht“ zu beteiligen. Die Gründung einer jüdischen Brigade wird als konkrete Möglichkeit vorangetrieben. Der Krieg lässt dieses jüdische Forum rasch zerfallen, das Schicksal treibt sie auseinander, an verschiedene Orte. Nach dem Krieg nimmt der Protagonist wieder vorsichtig Kontakt mit seiner alten Heimat auf. Er erfährt von dem fürchterlichen Ausmass der Shoah. Und ihn erreichen Briefe von ehemaligen deutschen Freunden, aber auch Bettelbriefe, in dem Deutsche ihn um einen „Persilschein“ bitten. Dies widert ihn an. Er erfährt immer neue Namen von Verwandten, die ermordet wurden: „Auch Heiners Vater, Onkel und Tanten waren dabei. Irma sprach von den Toten in ihrer Familie nie. Sie waren in ihr begraben. Aber Heiner hörte in Kiryat Bialik nie auf zu träumen. Auch nicht von seinem Würzburg. Aber zurückkehren konnte er nie mehr, es würde ihm das Herz brechen.“ (S. 96)

Shraga Har-Gil, der in Deutschland verschiedentlich Vorträge über Israel und den Nahostkonflikt (s. Bernstein, R., 2006) gehalten und auch für deutsche Tageszeitungen – u.a. für die Welt – als Auslandskorrespondent gearbeitet hat, hat mit Alte Liebe rostet nie sowie Der schöne Busen der Nachbarin kleine, humorvolle Erzählungen aus Israel vorgelegt, denen interessierte Leser zu wünschen sind.

Nachgetragen werden sollte noch, dass der Sohn Shraga Har-Gils, der israelische Filmemacher Amir Har-Gil, 2004 einen Film über das Leben seines Vaters gedreht hat: Die Kunst des Überlebens. Dieser wurde u.a. auf 3SAT gezeigt.

Im Juli 2009 wurde in Anwesenheit von Shraga Har-Gil der Platz vor einem Würzburger Hotel nach seinem Großvater benannt – eine späte „Wiedergutmachung“ für diesen früheren SPD-Landtagsabgeordneten. Schraga Har-Gil verfolgte die Zeremonie gemeinsam mit seinem Sohn und seinem Enkel mit Genugtuung. Zeitgleich erschien sein drittes deutschsprachiges Buch, betitel mit „Täubele, geliebtes Täubele. Jüdische Geschichten“.

Im September 2009 verstarb Schraga Har-Gil während einer Lesereise zu seinem neuen Buch in seiner früheren Heimatstadt – in Würzburg. Dort sowie in Güstrow fanden Erinnerungsfeiern an ihn statt. Er wurde im Kibbuz Yakum, wo sein Sohn Amir lebt, bestattet; am 22.6.2010 wird es im Tel Aviver Goethe-Institut ein literarisches Erinnern an ihn geben. Sein literarisches Werk wird demnächst in einem Literaturlexikon gewürdigt.

Literatur
Shraga Har-Gil: Alte Liebe rostet nie. Würzburg 2004 (Könighausen & Neumann), 102 S., 9,80 ‚¬

Shraga Har-Gil: Der schöne Busen der Nachbarin. Geschichten aus Israel. Würzburg 2006 (Könighausen & Neumann), 115 S., 9,80 ‚¬

Shraga Har-Gil: Täubele, geliebtes Täubele. Jüdische Geschichten. Göttinger 2009 (Lamuv), 143 S., 9,90 ‚¬

Bernstein, R. (2006): Von Gaza nach Genf. Die Genfer Friedensinitiative von Israelis und Palästinensern. München (Wochenschau).

Greif, G./McPershin/Weinbaum (Hg., 2000): Die Jeckes: deutsche Juden aus Israel erzählen. Köln 2000 (Böhlau).

Greif, G. (2003): Stufen der Auseinandersetzung im Verständnis und Bewusstsein der Shoah in der israelischen Gesellschaft, 1945 — 2002, psychosozial, ev. Heft 2/2003.

Linktipp:
Die Israel-Korrespondentin Gisela Dachs, schreibt unter dem Titel „Die Überliebenden“ (DIE ZEIT 01.07.2004, Nr.28) über Shraga Har-Gil: „Ein Jude, der einst vor den Nazis floh, verliebt sich als alter Mann in eine Deutsche. Die erfährt zwei Jahre später, dass ihr Vater am Holocaust verdiente …“