Frauen sich in der rechtsextremen und Neonazi-Szene:
"Braune Schwestern ?"
Von Bernhard Schmid
Die Erkenntnisse feministischer Gesellschaftstheorie
mit wissenschaftlichen Beobachtungen über die Hintergründe rechtsextremen
Engagements zusammenzuführen: Diese anspruchsvolle Aufgabe haben sich sieben
Autorinnen gesetzt, deren Sammelband "Braune Schwestern?" vor wenigen Wochen
erschienen ist. Die sieben bringen eine Menge wissenschaftlichen
Sachverstand und Erfahrung zu dem Thema zusammen - dennoch ist kein
dickleibiges Spezialistinnenwerk entstanden, sondern ein gut zu lesendes und
die Heranführung an die doppelte Thematik erleichterndes Buch.
Den darin enthaltenen Beiträgen ist gemeinsam, dass Frauen
grundsätzlich nicht als von Natur aus "bessere Menschen", auch nicht passive
Opfer gesellschaftlicher Strukturen betrachtet werden: Die Autorinnen
betonen immer wieder, dass sie ebenso rassistisch oder nationalistisch oder
antisemitisch wie Männer sein können. Aufgrund vorhandener
gesellschaftlicher Strukturen drücken sie das freilich mitunter in anderen
Handlungsstrategien aus als Männer.
An welche frauenpolitischen Themen kann die extreme
Rechte anknüpfen?
Zur Einführung vielleicht am besten geeignet ist der
Beitrag von Renate Bitzan. Die Verfasserin möchte ergründen, welche
Versatzstücke oder welche Unterströmungen des Feminismus am ehesten von
Frauen mit rechtsextremem Hintergrund kompatibel gemacht und für deren
eigene Zwecke genutzt werden können. Also sucht sie nach potenziellen
Schnittstellen.
Dabei nimmt sie weder den am Topos der "Gleichheit"
zwischen Männern und Frauen orientierten, sich positiv auf "Vernunft und
Aufklärung" charakterisierenden Feminismus grundsätzlich von dieser
Möglichkeit aus noch die andere große Strömung, der sich an Differenz
orientiert und Kritik am "einseitigen Rationalismus" als Produkt einer
männerdominierten Gesellschaft übt. Der entscheidende Knackpunkt liegt der
Autorin zufolge vielmehr beim grundsätzlich herrschaftskritischen Charakter
einer feministischen Kritik, oder dem Mangel daran. So könne eine an
"Gleichheit" orientierte Handlungsstrategie von Frauen - wenn es an ihr an
herrschaftskritischer Absicht fehle - etwa zum Ausdruck der begrenzten
Interessen weißer Mittelschichtsfrauen werden, die besser am privilegierten
Status von MetropolenbürgerInnen teilhaben wollen.
Ebenso kann die differenzorientierte Perspektive dazu
führen, sich in einer dualen, auf Bipolarität beruhenden Verteilung der
Geschlechterrollen einzurichten. Dagegen zeichne sie sich, falls sie mit
allgemeiner Herrschaftskritik verbunden sei, durch die generelle Ablehnung
von sozialer "Homogeneität" aus und durch die Affirmation "multipler
Identitäten" auch im Individuum selbst. Parallel dazu müsse eine mit
genereller Kritik an Hierarchien und Dominanz einher gehende, prinzipielle
Gleichheitsperspektive notwendig auch Kritik an Rassismus oder
Klassenherrschaft beinhalten.
Im Bereich der rechtsextremen Weltbilder konstatiert die
Autorin zunächst, dass die Frage der gesellschaftlichen Stellung von Frauen
insgesamt eine untergeordnete Rolle spiele. Oben auf der ideologischen
Agenda steht vielmehr die Zugehörigkeit zu Nation, "Rasse" oder
"Volksgemeinschaft". Doch innerhalb des insgesamt nur relativ geringe
Bedeutung aufweisenden Bereichs der rechtsextremen Frauenbilder gibt es
erhebliche Differenzierungen: Die Einen streben vor allem nach einer Rolle
als Mutter und Gefährtin des "kämpfenden" Mannes, die sich in der
Vorstellung einer Dualität der Geschlechter einfügen, während die anderen
dagegen die heroische Rolle der "kämpferischen" Frau und Aktivistin
herausstreichen.
Im letzteren Falle kann die rechtsorientierte Frau ihre
Autonomie und Bedeutung sowohl im Rahmen moderner Rollenbilder durch
Teilnahme am Erwerbsleben etwa als auch durch archaische ideologische
Bilder von der "germanischen Volksgenossin" herausstreichen. Insofern wiesen
die unterschiedliche Handlungs- und Orientierungsangebote jeweils
verschiedene Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten der Vereinnahmung auf.
Dagegen schütze nur die Verbindung des Feminismus mit genereller Ablehnung
von Hierarchie und Herrschaft.
Von der Bänkelsängerin bis zur brutalen Rock-Walküre
Kirsten Döhring und Renate Feldmann stellen in ihrem Text
eine Reihe rechtsextremer Aktivistinnen vor: von der NPD-Bänkelsängerin mit
mystischem Einschlag bis zu Neonazi-Rockerinnen wie "Die Walküren", die
Texte singen wie "Kampf für Deutschland": "Unser Marsch bewegt die Massen,
und Millionen reihen sich!" Das Spektrum konzentriert sich allerdings auf
die militant-neonazistische Spektrum und weniger auf rechtsextreme
Wahlparteien mit vergleichsweise bürgerlichem Habitus wie Die Republikaner
(REPs). Auch sie konstatieren, dass klassische frauenpolitische Topoi wie
die Thematisierung von sexistischer Gewalt auch von aktiv rechtsextremen
Frauen vorgebracht werden können. Kritisiert wird von ihnen allerdings nicht
oder äußerst selten der gewalttätige Sexismus, den es in ihrer eigenen Szene
vor allem im Bereich der Skin-Subkultur ganz ungeschminkt gibt. Vielmehr
werden wahrgenommene Bedrohungen von Frauen systematisch projiziert auf
Personen und Kreise, die außerhalb der nationalen oder "rassischen"
Gemeinschaft stehen. Dazu gehören besonders ideologische Chiffren wie die
oft beschworene Angst vor dem "fremdländischen, dunkelhäutigen
Vergewaltiger". Solche Sätze lassen sich tatsächlich bei einer Vielzahl zu
Wort kommender rechter Frauen finden.
Antisemitismus und Sexismus
Cordelia Heß beleuchtet in ihrem teilweise historisch
ausgerichteten Beitrag das "Verhältnis von Sexismus und Antisemitismus im
völkischen Weltbild". Vor allem im späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts
war die Vorstellung vom Nationalstaat als einem lebenden, organischen Wesen
und homogenen "Körper" äußerst präsent. Diskussionswürdig wären dabei die
Feststellung: "Die völkische Ideologie formuliert dabei gewissermaßen die
Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft aus", indem sie letztere
radikalisiere, und ferner die Subsumtion völkischer Theorien unter den
Oberbegriff des "westlichen Denkens". Tatsächlich ist das Verhältnis des
deutsch-völkischen Nationalismus zum republikanischen Nationalstaat, wie er
1789 in Frankreich entstand, und seiner Ideologie sowohl durch Kontinuitäten
gekennzeichnet als auch durch Brüche und durch die Mobilisierung
reaktionärer Affekte gegen die bürgerliche Moderne und "den Westen" in
Gestalt des "vernegerten Frankreich" oder der "Mischlingsrepublik USA".
Insofern wäre die Bezeichnung des völkischen Denkens als "antiwestlich"
genauso passend oder ebenso ungenau wie der Oberbegriff "westlich".
Ausgehend von der richtigen Darstellung und Kritik des
Ideologems vom "homogenen Staats- und Volkskörper" weist die Autorin den
Zusammenhang mit einer systematischen Darstellung der Frauen als schwache,
triebgesteuerte und sexualisierte Wesen nach. Denn im völkischen Weltbild
geht die Bedrohung von der Vorstellung aus, "Fremdrassige" etwa die Juden
drängen in den Volkskörper ein und zersetzten ihn von innen her: Der Weg
dazu führt über die Frau, die nicht auf die "Bewahrung ihres Blutes" acht
gibt und sich verführen lässt; Juden ihrerseits werden extrem sexualisiert
und mit auffälligen Körpermerkmalen dargestellt. Bezogen auf die jetzige
Phase konstatiert die Autorin das Fortleben solcher Topoi, aber in dieser
Konstellation nur im engeren Kreis offen pro-nationalsozialistischer
Gruppen. In bürgerlichen und konservativen Kreisen dagegen sei eine offene
Verbindung mit einem solchen primären Antisemitismus eher zur Ausnahme
geworden, dort sei er eher dem sekundären Antisemitismus als politischer
Schuldabwehr gewichen.
Frauen und Geschlechterpolitik beim Front National
Die einzige Monographie einer rechtsextremen Organisation
ist die Darstellung des französischen Front National (FN) von Gabi Elverich.
Die Autorin konstatiert eine Modernisierung des geschlechterpolitischen
Diskurs der rechtsextremen Partei in den 90er Jahren. Statt allein mit
Familienmoral und Abtreibungsverbot zu drohen, sollen Frauen auch attraktiv
erscheinende Angebote gemacht werden. Beispielhaft ist der ins
FN-Wahlprogramm aufgenommene Programmpunkt, der den Frauen versprochene
"Mutterlohn". Dieser wird in den Phasen, in denen der FN-Diskurs sich
besonders modern gibt, auch zeitweise - scheinbar geschlechtsneutral - als
"Elternlohn" bezeichnet, obwohl er sich angesichts der vorhandenen
Strukturen im Berufsleben zweifellos eher an Frauen richtet, die sich
zeitweise aus dem Erwerbsleben zurückziehen. Damit soll das Frauen- und
Familienprogramm der rechtsextremen Partei weniger offenkundigen Mief
ausströmen.
Sehr richtig bringt die Verfasserin diese tatsächliche
Diskurs-Modernisierung mit dem damals wachsenden Einfluss der
intellektuellen "Neuen Rechten" in Zusammenhang. Diese machte sich im Umfeld
des damaligen FN-Chefideologen Bruno Mégret breit, der aber zum
Jahreswechsel 1998/99 aus der Partei flog, weil er den Allmachtsanspruch von
Jean-Marie Le Pen in Frage gestellt hatte. Diskussionsbedürftig hingegen
erscheint die These, die frauenpolitische Modernisierung sei entwickelt
worden, um gegenüber "Rechtskonservativen" bündnisfähig zu werden: Zumindest
während größerer Teile der 90er Jahre versuchte der FN eher, als "nationale
Systemalternative" und, vor allem, als "jenseits von Links und Rechts" zu
erscheinen. Damals versuchte die Partei sowohl Wählerschichten aus der
Arbeiterschaft und frühere Linkswähler anzuziehen als auch konservative
Kleinbürger nach rechts zu radikalisieren. Das war zwar Demagogie, aber der
Versuch, auch auf Frauen anziehungskräftig zu wirken, ist wohl eher in
diesen Zusammenhang zu stellen.
Gabi Elverich hat zahlreiche Publikationen von FN-nahen
Frauenorganisationen wie des "Nationalen Zirkels europäischer Frauen" (CNFE,
Cercle national des femmes d'Europe) ausgewertet und konstatiert für dieses
Jahrzehnt eine erneute Traditionalisierung, eine Rückentwicklung des
frauenpolitischen Diskurses der Partei. Damit liegt sie ohne jeden Zweifel
richtig. Ursächlich dafür dürfte allerdings vor allem der Verlust der
meisten Intellektuellen und Kader sein, der seit der Parteispaltung von 1999
erfolgte.
An dieser Stelle, oder für zukünftige Forschungsarbeiten,
wäre vielleicht eine ebenso detaillierte monographischer Studie anderer
rechtsextremer Großparteien wie etwa der soeben gespaltenen FPÖ - von
Interesse.
hagalil.com
20-04-05 |