Gisela Dachs (Hrsg.):
Jüdischer Almanach. Humor
Jüdischer Verlag 2004
Euro 14,80
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Jüdischer Almanach zu Humor:
"Lustig ist, was unser Dasein berührt"
Von Andrea Livnat
Was ist das Spezifische am jüdischen Humor, fragt der
neue Jüdische Almanach. Ist jüdischer Humor ein Rettungsanker als
Entgegnung auf Gewalt und Verfolgung? Wie hat sich jüdischer Humor
jenseits dieser Definitionen entwickelt? Die Herausgeberin Gisela Dachs
konnte auch für diesen Almanach wieder ein buntes Spektrum von Autoren
gewinnen, die das Thema aus unterschiedlichen Ländern, Perspektiven und
Generationen beleuchten.
Zu Beginn gibt Michael Brenner mit einem "Nachruf auf
den berlinisch-jüdischen Geist" einen historischen Überblick zu
jüdischem Humor und Kabarett im Berlin der 20er und 30er Jahre. Auch
wenn die deutschen Juden und mit ihnen ihre Satiriker und Kabarettisten
durch die Schoah fast komplett ausgerottet wurden, sind die Überreste
dieses Geistes "offensichtlich nicht totzukriegen". Heute ist jedoch
"der berlinisch-jüdische Geist ein berlinisch-russischer Geist".
Über die Nachkriegszeit in Wien schreibt Susanna Stern
am Beispiel der beiden Kabarettisten Karl Farkas und Gerhard Bronner,
die nach 1945 aus dem Exil zurückkehrten und einen Neuanfang wagten. Den
wohl bekanntesten zeitgenössischen jüdischen Kabarettisten, Georg
Kreisler, stellt Daniel Kehlmann vor. Kreisler flüchtete als 16-jähriger
mit seiner Familie in die USA, von wo er in den 50er Jahren nach Wien
zurückkehrte. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre erschienen die
wichtigsten Platten von Kreisler, mit den "Nichtarischen Arien" widmete
er sich schließlich der Ausrottung der europäischen Juden: "Auschwitz
ist in diesen Liedern so gegenwärtig wie in den Gesichten Paul Celans,
ihr Schmerz nicht weniger echt, auch sie sind eine Antwort auf die
Frage, wie sich danach und darüber noch schreiben läßt."
Der Beitrag von Hanni Mittelmann über Sammy Gronemann
leitet den Übergang zu jüdischem Humor in Israel ein. Groenemanns 1927
verfasstes Buch "Schalet. Beiträge zur Philosophie des 'wenn schon'" ist
"Humor im Dienste des Zionismus". Seine Anekdoten enttarnen die
Glorifizierung der Diaspora und erinnern an die Zeit der jüdischen
Selbständigkeit im biblischen Israel. Groenemann selbst flüchtete 1933
aus Deutschland und gelangte drei jahre später nach Palästina, wo er
seine Arbeit wieder aufnahm und "als Verfasser satirischer Theaterstücke
an der Diskussion um die ideologischen Zielsetzungen des werdenden
jungen Staates" teilnahm.
Noam Zadoff berichtet von der wenig bekannten Geschichte
eines Jerusalemer Freundeskreises, der sich zwischen 1935 und 1946
regelmäßig zu Diskussionen und Gesprächen traf, aus denen ein
satirischer Gedichtband hervorging. Die Mitglieder dieser Runde waren
Universitäts-Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete, unter ihnen
George Lichtheim, Gershom Scholem und Hans Jonas. Avner Avrahami gibt
einen kurzen geschichtlichen Überblick zu israelischem Humor, der von
einer kurzen autobiographischen Anekdote von Schraga Har-Gil und von
Norbert Jessens Ausflug in die zur Zeit sehr erfolgreiche Comedy-Show
"Eretz Nehederet" (Wunderbares Land) ergänzt wird. Pierre Heumann geht
dem schwarzen Humor und makaberen Witzen auf israelischer und
palästinensischer Seite nach, die nach jeder Bluttat die Runde machen,
die die innenpolitische Situation kommentieren und mit den jeweiligen
politischen Führern hart ins Gericht gehen.
Mit Annie Zadouches Beitrag über den
französisch-sefardischen Humoristen Patrice Abbou wendet sich der Band
von Israel den übrigen jüdischen Gemeinden zu. Stephen J. Whitfield
würdigt den amerikanisch-jüdischen Humor und kommt zu dem Schluß: "Der
Einfluß der amerikanischen Gesellschaft auf die amerikanischen Juden war
ebenso prägend wie der jüdische Beitrag zum Wandel der nationalen
Populärkultur." Ronny Loewy untersucht die Darstellung von Nazis in
Anti-Nazi-Filme aus Hollywood, wobei er sowohl Komödien, wie Chaplins
"The Great Dictator" oder Ernst Lubitschs "To Be Or Not To Be" als auch
Melodramen wie "Casablanca" einbezieht. Mit der ältesten Form von Humor
der Juden als Unterdrückte macht Ezra Bengershom bekannt und stellt
Formen der Ironie im Buch Esther und dem Purimfest vor.
Alle diejenigen, die selbst gerne jüdische Witze
erzählen, sollten nicht verpassen den Schlußbeitrag von Doron Rabinovici
zu lesen, der höflichst darum bittet, folgende Anleitung zu beachten,
sollte man einen Witz erzählen wollen:
"Vermeiden Sie es, im heiteren Ton jene Ressentiments
wiederzugeben, die im Ernst nicht mehr gesagt werden dürfen. Hüten Sie
sich insbesondere vor Witzen, die Hans Weigel in seinem Buch Ma derf
schon präsentierte; genießen Sie, was Friedrich Torberg in seiner
Tante Jolesch zum besten gab. Versuchen Sie zudem nie Jiddisch zu
sprechen, wenn Sie es nicht beherrschen. Jiddeln hat mit der jiddischen
Sprache nichts zu tun; sie ist deren Verballhornung. Antisemiten
jiddeln. Unterlassen Sie das stereotype Händereiben, wenn Sie einen
Juden nachzuahmen vermeinen; Ihr Gegenüber könnte sonst glauben, Sie
litten unter einer ansteckenden Hautkrankheit. Überschütten Sie Juden
nicht mit ihrer reichhaltigen Sammlung jüdischer Witze, um sich ihnen
anzubiedern."
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09-01-05 |