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Samuel Salzborn (Hrsg.):
Minderheiten-konflikte in Europa.
Fallbeispiele und Lösungs-ansätze
StudienVerlag 2006
Euro 29,90

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Leseprobe:
Neue völkische Bewegung und Antisemitismus im heutigen Ungarn

Von Südtirol über das Baskenland bis Korsika:
Minderheitenkonflikte in Europa

Rezension von Karl Pfeifer

Wer hätte Mitte der achtziger Jahre ahnen können, dass nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs es noch mitten in Europa zu einem Krieg kommen könnte, wie das im ehemaligen Jugoslawien – in einem Land dessen Leitsatz über Jahrzehnte "Brüderlichkeit und Einheit" war – geschehen ist?  Kein Zweifel, dass dabei die Frage der jeweiligen ethnischen Minderheit eine bedeutende Rolle gespielt hat.

Bis heute glauben viele, dass der Hauptgrund für die Machtübergabe an die Nationalsozialisten und die darauf folgende Katastrophe der Friedensvertrag von Versailles gewesen wäre. Tatsächlich blieben viele Deutsche außerhalb der Grenzen der Weimarer Republik und dies war ein mächtiger Antrieb für völkische Ideologen.

In Ungarn demonstrieren bis heute Rechtsextremisten gegen Trianon, d.h. gegen den 1920 von den Vertretern des von Horthy angeführten Ungarns unterzeichneten Friedensvertrag. Wie im von Samuel Salzborn herausgegebenen Buch nachgewiesen, wird die völkische "Volksgruppen" Theorie in Deutschland und Österreich immer noch von vielen vertreten.

Samuel Salzborn erklärt in seiner Einleitung die historische Entwicklung, die aktuellen Kontroversen und Lösungsstrategien.

Salzborn resümiert: "Wird die europäische Integration aber auch als gesellschaftlicher Integrationsversuch mit dem Ziel der Minimierung von Diskriminierungen aus völkischen, antisemitischen und rassistischen Gründen verstanden, dann liegt die Perspektive des Minderheitenschutzes vor allem in einer kritischen Reflexion der vielfach anzutreffenden Problematik der Ethnisierung von gesellschaftlichen Konflikten. Denn, da ist Rolf Dahrendorf voll zuzustimmen, das "Syndrom der ethnischen Homogenität" stellt nach wie vor die "größte Bedrohung der offenen Gesellschaft" dar – auch und gerade in europäischer Dimension."

Dieses "Syndrom" ist eine Wunschvorstellung rechtsextremistischer Politiker, hat jedoch wenig mit der Realität der meisten europäischer Staaten zu tun.

Reinholf Gärtner beleuchtet die Grundfrage "Ethnos oder Demos? Individuum oder Kollektiv? Zur Frage des Subjekts in der Minderheitenpolitik.

Franz Valandro befasst sich in seinem ersten Beitrag mit dem Konflikt in Baskenland. Tatsächlich ist erstaunlich, dass gerade im Baskenland, "mit seinem spezifischen politischen Institutionen, eigenen Steuergesetzen, einem speziellen Schulsystem und eigener Polizei" also in einem Teil Spaniens, das weitreichende Autonomie erhalten hat, sich eine Bande von Terroristen so lange halten kann.

In Valandros zweitem Beitrag werden Gegenwart und Perspektiven des Nordirlandkonfliktes thematisiert.

Dirk Gerdes berichtet über das Beispiel Korsika, wo eine Minderheit gemacht wird und zeigt auch eine demokratische Konfliktregelungsmöglichkeit auf.

Günther Pallaver berichtet über die Südtiroler Autonomie zwischen "Gemeinschaft" und "Gesellschaft". Die Tatsache, dass Südtirol heute eine der blühendsten und prosperierendsten Landschaften Italiens ist, lässt sich nicht leugnen. Pallaver stellt die berechtigte Frage, ob denn das für die Befriedung des Konflikts entwickelte politische System es ermöglicht, nicht nur einen negativen, sondern einen positiven Frieden herbeizuführen. "Unter einem negativen Frieden wird die Abwesenheit von personaler Gewalt verstanden, unter einem positiven Frieden die Abwesenheit von struktureller Gewalt."

Pallaver erklärt, wie die "ethnische Gemeinschaft", also die Zugehörigkeit zum Ethnos, zur Gemeinschaft das Leben der deutschsprachigen Südtiroler bestimmt, die eine konstruierte Einheitlichkeit der Abstammung, der Tradition, der Seelenverfassung als Basis der Zusammengehörigkeit versteht und zeigt die Gefahren auf, die vom Mangel einer gemeinsamen politischen Kommunikation bestimmt sind.

Gudrun Hentges befasst sich mit der Minderheiten- und Volksgruppenpolitik in Österreich. Ein Aufsatz, der jedem Kärntner in die Hand gedrückt gehört, der dazu gebracht werden könnte, seine Vorurteile zu überprüfen. Dieser Aufsatz gewinnt Aktualität durch die Aktionen des Kärntner Landeshauptmanns, dem Verfassungsbruch vorgeworfen wird, weil er die Entscheidungen des Verfassungsgerichts bezüglich der zweisprachigen Ortstafeln nicht respektiert. Mehr als 50 Jahre nach dem Staatsvertrag, wird die Republik Österreich – von einer Gruppe deutschnationaler Chauvinisten – noch immer gehindert, dessen Bestimmungen in Kärnten Respekt zu verschaffen.

Samuel Salzborn schildert die Minderheitenpolitik in Deutschland zwischen Homogenitätsdruck, (Selbst-)Ethnisierung und Segregation. "Dieser Prozess der Homogenisierung und Vergemeinschaftung mit dem Ziel der gesellschaftlichen Segregation ist in Deutschland nicht nur bei autochtonen, sondern auch bei allochthonen Minderheiten festzustellen, wie in den letzten Jahren in verstärktem Maße unter anderem bei islamisch geprägten Minderheitengruppen, die dem homogenisierenden und Differenz negierenden Konzept einer islamischen Umma anhängen, das in gewisser Hinsicht das Konzept völkischer Homogenität spiegelbildlich religiös reformuliert und mit diesem nicht nur seine antifeministische, sondern auch seine antisemitische Grundierung und Affektstruktur teilt.

Eva Hahn und Hans Henning Hahn zeigen wie aus der deutschsprachigen Minderheit in der ersten Tschechoslowakischen Republik die sudetendeutsche Volksgruppe entstand, beide dürfen nicht miteinander verwechselt werden. Die beiden Autoren zeigen, welche politische Bedeutung die Vertretung dieser "Volksgruppe" in Deutschland und insbesondere in Bayern hat.

Andrzej Sakson thematisiert die polnische Nationalitätenpolitik vom multinationalen zum ethnisch (fast) homogenen Polen.

Magdalena Marsovszky setzt sich mit der völkischen Bewegung und Antisemitismus in Ungarn auseinander. Sie zeigt die Kontinuität des völkischen Denkens, von der Zeit der Monarchie, über die Horthyperiode und bis zum Realsozialismus. Sie bezeichnet mit Recht die Wende nach dem Ende des Realsozialismus als "ethnonationalistisch". Die Ausgrenzung richtet sich gegen Juden und "Juden" aber auch gegen Roma und Homosexuelle. Traurig, aber wahr und belegbar, die großen christlichen Kirchen unterstützen diese völkischen Strömungen. "So kommentierte beispielsweise im Februar 2005 der Präsident der Christlich Demokratischen Volkspartei (KDNP) und Vizepräsident des Komitees für Menschenrechte im Parlament, Zsolt Semlyén, [dessen Nähe zur katholischen Amtskirche offensichtlich ist K.P.] die Wertorientierung der Liberalen folgendermaßen: "Wer möchte, dass sein pubertierender Sohn seine ersten sexuellen Erfahrungen von einem bärtigen Mann erhält" der möge ruhig die Liberalen wählen, was dem antisemitischen Stereotyp der "pathologischen Sexualität der jüdischen Männer" entspricht."

Laut Marsovszky wird der traditionelle Ethnonationalismus zur Ethnoreligion, in dem der Kampf geradezu gegen den "Antichrist" und gegen "gigantische, bolschewisierende, satanische Kräfte" geführt wird.

Markus Bickel zeigt auf, dass die internationale Intervention im Kosovo nicht die Vertreibung von Serben verhindern konnte. Ein im November 1999 von der UNHCR (Flüchtlingskommissariat der UNO) erstellter Bericht macht das deutlich: "Es herrscht ein Klima der Gewalt und Gesetzlosigkeit ebenso wie der weit verbreiteten Diskriminierung, Schikanierung und Einschüchterung der nichtalbanischen Bevölkerung. Die Kombination von fehlender Sicherheit, eingeschränkter Bewegungsfreiheit und mangelndem Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (insbesondere im Erziehungswesen, dem Gesundheitswesen und der Auszahlung von Renten) ist gegenwärtig der bestimmende Faktor vor allem für Serben, aber auch für andere nichtalbanische Gruppen, das Kosovo zu verlassen." Die Kfor-Truppen und die Beamten der UN-Übergangsadministration sind mitverantwortlich für diesen Zustand. Fünf Jahre nach Etablierung der internationalen Administration sorgten kosovo-albanische Extremisten für einen Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten. 2004 kam es zu einem antiserbischen Pogrom bei dem 19 Menschen ums Leben kamen und 800 Personen verletzt wurden. Der Aufbau einer multiethnischen Gesellschaft, wie noch nach Kriegsende 1999 anvisiert ist kläglich gescheitert.

Sabine Riedels Artikel zeigt die "Instrumentarien des Minderheitenschutzes in Europa". Die Einsetzung eines Kommissars für Menschenrechte durch den Europarat und die Ahndung von Verstößen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheint ein wirksames Instrument zu sein, wirksamer als die Einführung neuer Kollektivrechte.

Das vorliegende Buch regt zum Denken an und zeigt für die EU die Möglichkeit demokratischer Lösungsansätze. Es zeigt auch, wie verschieden die Minderheitenprobleme sind und dass es kein einfaches Allheilmittel gibt, mit der Minderheitenkonflikte vermieden werden könnten.

hagalil.com 18-02-07











 

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