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Klaus Hödl (Hrsg.):
Der 'virtuelle Jude'
Konstruktion des Jüdischen

Studien Verlag 2005
Euro 19,90

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Der 'virtuelle Jude':
Konstruktion des Jüdischen

Rezension von Karl Pfeifer

Dieser Sammelband umfasst eine Reihe von Beiträgen, die anlässlich einer Konferenz Ende 2003 in Graz vorgestellt wurden. "Die Idee zur Veranstaltung der Tagung beruhte auf zwei unterschiedlichen Beobachtungen: Zum Ersten scheinen im Bereich der jüdischen Studien in Zentraleuropa Konzepte aus den Postcolonial Studies wie auch den Kulturwissenschaften nur sehr verhalten rezipiert zu werden, wodurch Begriffe wie jene der Imagination, der Konstruktion etc. weitgehend ausgeblendet bleiben. Und zum Zweiten gibt es in Europa, wie an Graz beispielhaft dargestellt worden ist, eine Vielzahl von Aktivitäten, die den Eindruck von jüdischem Leben vermitteln, allerdings werden sie großteils von Nichtjuden gesetzt."

Die Vorgaben der Referenten wurden sehr allgemein gehalten, sie alle tragen "aber dazu bei, essentialistische Sichtweisen zu dekonstruieren". Ich habe aus dem Vorwort des Herausgebers Klaus Hödl zitiert und weise gleich auf das Problem hin, dass leider auch in diesem Buch eine Sprache für Initiierte benützt wird, die Nichtspezialisten abschrecken kann.

Dirk Rupnow meint in "nationalsozialistische Konservierung des Jüdischen und unsere Erinnerungskultur": "Eindeutige Lehren können aus der Untersuchung nationalsozialistischer Gedächtnispolitik genauso wenig gezogen werden, wie aus dem Holocaust insgesamt."

Ingo Loose folgert in seinem Beitrag "Das Bild 'des Juden' in der Historiographie zur NS-Wirtschaft im deutsch-polnischen Vergleich": Juden nicht als Objekte der Geschichte, sondern als handelnde Subjekte wahrzunehmen. "Eine solche Perspektive einzunehmen, ist angesichts der Shoah zweifellos schwierig und sicherlich auch nicht unproblematisch. Dennoch scheint der Versuch lohnenswert zu sein, und er wäre auch ein weiterer Schritt zur Beantwortung der alles entscheidenden Frage, warum die Emanzipation der Juden im deutschen Sprachraum scheiterte."

Allgemein verständlich geschrieben ist der Beitrag von Agnieszka Pufelska: "Das Feindbild 'Judäo-Kommune' als Kraftquell für den polnischen Kampf gegen den Kommunismus / Zur Konstruktion des Jüdischen im Nachkriegspolen". Schlussendlich wurde der Antisemitismus "Basis der Verständigung zwischen der kommunistischen Partei und der Bevölkerung". Interessant wäre auch ein diesbezüglicher Vergleich zwischen Polen und Ungarn gewesen. In beiden Ländern kam es noch nach 1945 zu judenfeindlichen Pogromen.

Klaus Hödl stellt die Frage: "Der 'virtuelle Jude' – ein essentialistisches Konzept?" Im wesentlichen haben wir mit dem Problem zu tun, dass die österreichische Gesellschaft zur Zeit als sie noch zur deutsch-österreichischen Volksgemeinschaft gehörte, Juden als nicht dazugehörig betrachtete, dass der "jüdische Beitrag zur österreichischen Kultur" damals von den meisten als unerwünscht und unsympathisch betrachtet wurde. Erst nach dem das Buch über das fin de siècle in Wien von Carl Schorske erschienen war, sah man die Möglichkeit aus dieser Kultur (auch politisches) Kapital zu schlagen.

Einem Land, aus dessen Politik und Medien der Antisemitismus auch nach 1945 nicht entschwand, in dessen Bevölkerung noch immer einen antisemitischen Konsensus gab, stand es gut an, sich mit der Einrichtung von jüdischen Museen, und des Vorzeigen von 'virtuellen Juden' den Anschein der Normalität zu geben. Tatsächlich ist es herzerfrischend wahrzunehmen, wie man plötzlich eine Wiener jüdische Kultur herbeiphantasiert mit Klezmermusik als ob die Mehrheit der Wiener Juden Chassiden gewesen wären. In der Bibel wird die Frage gestellt, Harazachta gam jaraschta, Du hast gemordet und auch geerbt. Das wurde hier in der Zeit zwischen 1938 und 1945 gründlich bewerkstelligt.

Doch dank des 'virtuellen Juden' herrscht jetzt in Österreich Normalität. Man liebt die toten Juden. Mit den wenigen Lebenden, soweit sie sich nicht in diese künstliche Harmonie einfügen, hat man Probleme.

Robin Ostow behandelt in seinem englischsprachigen Aufsatz eben dieses Problem. Christian Schölzel setzt sich mit der "Konstruktion 'des Juden' in der Rezeption Walter Rathenaus" auseinander. "'Juden reden über Gefühle, und die anderen über Kunst' – Konstruktionen jüdischer Identität in der Fassbinder-Debatte 1984/85" heißt der Beitrag von Susanne Schönborn, mit dem sie Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit jüdischer Identität aufzeigt. Michael Nagel beschäftigt sich in seinem ausgezeichneten Beitrag mit "Geschichtsbilder in der deutsch-jüdischen Presse und Belletristik nach 1830". Hildegard Frübis setzt sich mit dem Maler Max Liebermann und seiner Rezeption auseinander. Stefan Krankenhagen analysiert die Kunst von Anna Adam und geht auf "Humor als Rolle" ein.

"Die Dekonstruktion des 'virtuellen Juden' in Vergangenheit und Gegenwart steht im Mittelpunkt der versammelten Beiträge" und laut Klaus Hödl gibt es kein authentisches Judentum. Meine Schlussfolgerung: Nichtjuden schaffen sich 'virtuelle Juden' und damit Normalität.

hagalil.com 03-04-06











 

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