Türken und Deutsche:
Nachdenken über eine Freundschaft
Dilek Zaptcioglu eröffnet neue, nachdenklich
stimmende Sichtweisen auf Deutsche und Türken, die bis heute in einer
Art Hassliebe miteinander verbunden sind. Es gelingt ihr überzeugend,
den Seelenzustand der Türken in Deutschland differenziert darzustellen.
Dabei zeigt sie verblüffende Parallelen zwischen den Empfindungen
assimilierter Juden von gestern und aufgestiegenen, integrierten Türken
von heute in Deutschland auf.
Von türkischen Kumpeln im Ruhrpott und ihren Kollegen im
türkischen Revier am Schwarzen Meer, bis zu dem großen "Türkenstreik"
bei Ford in den wilden siebziger Jahren und der kurzen Geschichte der
türkischen Linken in Europa – es gibt vieles zu entdecken in der
türkisch-deutschen Geschichte, was in Vergessenheit geraten ist. Vor dem
Hintergrund der aktuellen Diskussion über islamischen Fundamentalismus
weckt ihr Buch Verständnis für die komplizierte Rolle der Türkei als
Brücke zwischen Ost und West.
Das Kapitel zur türkischen Lesart der Geschichte der
deutschen Juden bleibt leider oft bei oberflächlichen und stark
verallgemeinernden Erklärungen zu jüdischen Leben und Geschichte. Die
Autorin scheint sich ausführlich mit Jakob Wassermann beschäftigt zu
haben, ein breiterer Blick wäre für das Kapitel nicht unvorteilhaft
gewesen.
Dennoch bietet Dilek Zaptcioglu eine interessante
Perspektive, die es verdient, näher betrachtet zu werden.
Dilek
Zaptcioglu,
geboren 1959, Tochter eines Kapitäns auf Großer Fahrt, aufgewachsen in
Istanbul und Hamburg. Nach dem Abitur studierte sie Neuzeitliche und
Osmanische Geschichte und Politik. Lebt als freie Journalistin und
Schriftstellerin in Istanbul. Ihr Roman Der Mond ißt die Sterne auf
wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem
Gustav-Heinemann-Friedenspreis 1999. Die Geschichte des Islam erschien
2002 und wurde von der Katholischen Bischofskonferenz empfohlen.
hagalil.com
23-12-05 |