Peter Waldbauer:
Lexikon der antisemitischen Klischees
Antijüdische Vorurteile und ihre historische Entstehung
Mankau Verlag 2007
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Lexikon der antisemitischen Klischees:
Antijüdische Vorurteile und ihre historische Entstehung
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 7. April 2007
Peter Waldbauer, 41, ist eigentlich Börsenspekulant. Bekanntschaften
mit Juden und antisemitische Vorbehalte in seiner Familie machten ihn
neugierig, über jüdischen Wucher, jüdische Raffgier und die jüdische
Weltverschwörung zu forschen. Bekanntlich beherrschen Juden bis heute die
Welt. Juden waren immer schon Kriegsgewinnler, Drückeberger vor
Militärdienst, vaterlandslose Gesellen und keine ehrbaren Händler. So
jedenfalls spukt in den Köpfen vieler Menschen herum.
Waldbauer hat mit seinem "Lexikon der antisemitischen Klischees" ein locker
geschriebenes Sammelsurium absurder und verbreiteter Vorurteile
zusammengefasst.
Viele Behauptungen entlarvt er als böswillige Lüge. Dazu gehört das böse
Gerücht, wonach Juden in ihre ungesäuerten Brote zum Passahfest das Blut
ermordeter Christenkinder einarbeiten.
Die meisten von Waldbauer gesammelten Klischees entstammen der
Wirtschaftswelt. Der Autor erklärt ihr Zustandekommen oder widerlegt sie.
Beiläufig lernt man da, wie die Juden in den Geldverleih gezwungen wurden,
aber immer wieder auch ausgeraubt, vertrieben oder ermordet wurden, wenn die
Schuldner, darunter Adelige und Kirchen, geliehene Gelder mitsamt Zinsen
nicht zurückzahlen wollten. Nicht von der Hand zu weisen ist ein
überproportional hoher Anteil jüdischer Bankiers, Nobelpreisträger,
Professoren und Intellektueller. Waldbauer erklärt die Gründe dafür und
beschreibt die Reaktionen der Antisemiten.
Waldbauer räumt mit dem verbreiteten Klischee des angeblichen biblischen
Rachegesetzes "Auge um Auge" auf. In Wirklichkeit schreibt es Mäßigung bei
der Bestrafung und Kompensation vor, also die Grundlage des deutschen
Strafgesetzbuches. Den Begriff "Halbjude" entlarvt Waldbauer als
Rassenideologie der Nazis. Leider ging er nicht einen winzigen Schritt
weiter: Wer von "Halbjuden" redet, müsste eigentlich auch von
"Halb-Christen" oder "Halb-Deutschen" reden.
Der Wiener Börsenkrach von 1873 wird mit vielen Details beschrieben, wie
auch die "jüdische Erfindung" der modernen Warenhäuser.
Das Lexikon enthält auch Schwächen. Juden haben das Recht, nach Israel
einwandern und sofort einen Pass erhalten zu können. Da fehlt ein Hinweis,
dass andere Länder ähnliche Regeln haben. Vor vierhundert Jahren
ausgewanderte und nach Deutschland "zurückgekehrte" Wolgadeutsche erhielten
sofort und ohne Einbürgerungsverfahren deutsche Papiere. Typisch für das
Phänomen des Antisemitismus ist, dass völlig normales Verhalten aller
Menschen zum "Verbrechen" wird, wenn es Juden tun, etwa Geld verdienen,
Schulden eintreiben, Zeitungsartikel zu schreiben oder sich politisch zu
engagieren.
In einem Punkt liegt Waldbauer völlig falsch und bedient gar ein Klischee.
"Wird der Staat Israel aus dem Ausland finanziert?" lautet eine der letzten
Fragen in dem Buch. "Ja, Israel ist der einzige Staat, der seine größten
Einnahmen aus dem Ausland bezieht", antwortet Waldbauer und liegt damit
völlig schief. Israel verfügt über eine potente Wirtschaft mit Hightech,
Rüstungsindustrie und hochmoderner Landwirtschaft. Den Haushalt mit über 50
Milliarden Euro finanziert Israel gewiss nicht durch Spenden amerikanischer
Juden.
Waldbauer hat ein sieben Seiten langes Literaturverzeichnis beigefügt. Viele
von ihm nur gestreifte Klischees verlocken zu weiterem Lesen.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com
14-06-07 |