antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com
Search haGalil

Newsletter abonnieren
 
 
 

Leo Trepp, Gunda Wöbken-Ekert:
"Dein Gott ist mein Gott"
Wege zum Judentum und zur jüdischen Gemeinschaft

Kohlhammer Verlag 2005
Euro 24,90

Bestellen?

"Dein Gott ist mein Gott":
Wege zum Judentum und zur jüdischen Gemeinschaft

Von Jörg Fischer-Aharon

Die Autoren Rabbiner Leo Trepp und Gunda Wöbken-Ekert stellen auf fast 240 Seiten in fundierter, umfassender und verständlicher Weise das Thema Übertritt zum Judentum dar. Um es vorweg zu nehmen: Die hohe Kompetenz und die profunde Aufbereitung macht dieses Buch zweifelsohne zu einem der Standartwerke der Gegenwartsliteratur zur behandelten Thematik. Das macht es gleichzeitig interessant und lesenswert für jeden, der sich mit der jüdischen Religion beschäftigen will, auch wenn er oder sie sich nicht mit dem Gedanken tragen, zum Judentum zu konvertieren.

Denn das Buch räumt gleichzeitig mit einer Reihe von Missverständnissen und Vorurteilen auf und stellt jüdische Religion und Tradition dar, zudem bleibt es nicht abstrakt, sondern gibt auch praktische Hinweise und Hilfestellungen sowie Berichte von Erfahrungen, Erlebnissen und Motivationen und inneren Prozessen von Menschen, die den Weg des Übertritt zum Judentum gegangen sind.

Das Judentum ist eben keine, wie Antisemiten gerne behaupten, kleine Gruppe, die sich als elitär dünkt und Nicht-Juden mit Abschätzung und Ablehnung betrachten. Jude ist, so lehrt es das Religionsgesetz, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum übertritt. Und der Talmud betont, das es unrecht ist, zum Judentum Übergetretene an ihren Übertritt, also daran, das sie einmal Nicht-Juden waren, zu erinnern.

Die Frage von Konversion war in allen Jahrtausenden jüdischer Geschichte ein ganz reales Thema. So behandelt das erste Buchkapitel auch die Entwicklung in Geschichte und Religionsgesetz – angefangen bei Abraham, Urvater und Vorbild, seiner Bedeutung für Konvertiten und seiner Rolle als Begründer des jüdischen Volkes.

In der Antike, zu den Entstehungszeiten von Bibel und Talmud, war das Judentum von einer fast schon offensiven Offenheit gegenüber Konvertiten geprägt, die die Autoren unter der Abschnittsüberschrift "Worte des Willkommens an die Juden aus freier Wahl" dokumentieren. So zitieren sie den Propheten Jesaja: "Nimmer spreche der Sohn der Fremde, der IHM Anhängende, solche Sprache: ER sondert, sondert mich ab von seinem Volk!" "Die Söhne der Fremde, die IHM Anhängenden, ihm Knechte zu werden: Allwer den Sabbat vor Preisgabe behütet, die an meinem Bund Festhaltenden, sie lasse ich kommen zum Berg meines Heiligtums, sie heiße ich sich freuen in meinem Haus des Gebets, ihre Darhöhungen und ihre Schlachtmahle seien zur Begnadung auf meiner Schlachtstatt: denn mein Haus, das Haus des Gebets wird es gerufen werden bei allen Völkern. SEIN, meines Herrn Erlauten ist's, der Israels Verstoßene zuhaufholt: Noch [andere] will ich ihm heranhäufen über seine Zuhaufgeholten." (Jesaja 56:3, 6-8).

Die Buchautoren merken zu diesem Zitat an: "Gemäß diesen Wortden des Propheten Jesaja findet das jüdische Volk eine große Bereicherung durch alle Menschen,, die sich dem Judentum anschließen. Gott hat sie gerufen." Beeinflusst durch dieses Prophetenwort, besonders aber durch den Willkommensgruß des Jesajas, waren die Juden danach bis ins 5. Jahrhundert u.Z. auf der Suche nach Konvertiten aktiv und erfolgreich. Die Autoren zitieren weiter: "Liebe den Frieden und jage ihm nach, liebe alle Geschöpfe und bringe sie zur Tora." (Hillel, mAw 1:12).

Rabbi Joachana und Rabbi Eleasar vertraten sogar die Ansischt, das jüdische Volk sei gerade auch deshalb in die Welt zerstreut worden, um den Suchenden den Weg zum Judentum und zum jüdischen Volk zu öffnen (bPes 67b). Die Autoren widmen den Berichten von Übertritten in der Bibel einen weiteren Abschnitt, den Übertritten von einzelnen Personen und den Übertritten ganzer Gruppen.

Doch die Situation sollte sich nachhaltig ändern – vor allem durch das Auftreten der christlichen Religion, zunächst in Form der römischen Kirche. Diese sah im Judentum eine gefährliche "Konkurrenz" und ihren absolutistischen Alleinvertretungsanspruch gefährdet. Auch dies, hier am Rande bemerkt, ist einer der fundamentalen Unterschiede zwischen Christentum, Islam und Judentum: Letzteres erhebt keinen Alleinvertretungsanspruch, erhebt nicht den Anspruch, nur durch das Judentum oder als Angehöriger des Judentums könne man Anteil an der künftigen Welt erhalten. Dieser aggressive Alleinvertretungsanspruch führte – logischer Weise – zu dem Willen, das Judentum auszuschalten, oder zumindest zu isolieren und auszugrenzen. Dies führte zu einer massiven, streckenweise blutrünstigen und pogromartigen Verfolgung der Juden durch die römische Kirche und der von ihr dominierten Staaten.

Zu dieser Verfolgung zählte auch die brutale Unterdrückung jeder Art von Neuaufnahmen von Konvertiten durch jüdische Gemeinden. Die eine oder andere negative Erfahrung mit Konvertiten verstärkten dann die aus dieser Unterdrückung resultierenden Konsequenzen. Wenn heute Teile des Judentums Konvertiten gegenüber zurückhaltend, mitunter fast schon ablehnend gegenüberstehen, so resultiert dies also weniger aus dem Judentum selber heraus, sondern wurde diesem im jahrhundertelanger Verfolgung regelrecht von außen aufgezwungen.

Können Feinde Freunde werden?

Ein Abschnitt des Buches kann – besonders in Deutschland – Aufmerksamkeit erregen: "Feinde der Juden oder deren Nachkommen treten über und werden hochgeachtet". An sich ist es sicherlich schon beachtenswert, wenn auch etwas nachvollziehbares und verständliches, wenn ein Mensch im wahrsten Sinne des Wortes den falschen Weg verlässt, sein Denken und Fühlen von Grund auf verändert und einen neuen, besseres Lebensweg beschreitet. Aber dieser Abschnitt räumt mit seinen dokumentierten und unterlegten Ausführungen zugleich mit einem weitverbreiteten, von Antisemiten propagiertes Vorurteil auf, nämlich jenem, Juden seien "unversöhnlich, nachtragend, rachsüchtig".

Dieses Zerrbild findet sich mehr oder minder direkt auch in weiten Teilen der christlichen Theologie wieder, die den "Gott des Alten Testamentes" als "rachsüchtig, unversöhnlich und rechthaberisch" darstellen, während der "Gott des Neues Testaments" urplötzlich, obwohl er ja identisch sein soll, "liebevoll, väterlich, fürsorglich und verzeihend" sei.

Die Buchautoren verweisen in diesem Zusammenhang auf hochinteressante Berichte aus Talmud und Midrasch. Die Autoren berichten von Beispielen, die zeigen, dass Feinde Israels im Laufe ihres Lebens Juden wurden und Hochachtung und Liebe fanden. Viele Berichte in Talmud und Midrasch gehören wahrscheinlich in den Bereich der Legenden, wichtiger aber als die historische Genauigkeit sind die Gedanken und Überzeugungen, die hinter diesen Berichten zum Ausdruck gebracht werden – die Botschaft, die vermittelt wird. Denn Talmud und Midrasch sind keine Geschichtsbücher, es sind Lehrbücher, die das jüdische Leben gestalten wollen und mehr aussagen, als punktgenaue historische Berichterstattungen.

So berichtet etwa der Talmud, der römische Kaiser Nero sei Jude geworden: Ein Orakel habe ihm angekündigt, Gott habe festgelegt, das Rom Israel zerstören würde und habe ihn mit der Aufgabe belegt. Dann aber werde Gott Rache an Rom nehmen und Israel damit beauftragen. "Nero sagte: 'Der Heilige, gesegnet sei er, will sein Haus zerstören und seine Hände an mir abwischen [mich verantwortlich halten].' Da entfloh er und wurde Proselyt. Von ihm stammte Rabbi Meir [Me-ir] ab." (bGit 56 b). Es geht nicht um die historische Richtigkeit dieses Berichtes, der sicherlich eine Legende sein dürfte, sondern um die bedeutsame Botschaft: Selbst ein solcher Hasser gegen die Juden, wie Nero einer war, wird Jude, erhält Hochachtung und sein Enkel ist der bedeutende Rabbi Meir.

Aufgrund dieser und ähnlicher Berichte räumen Talmud und Midrasch auch mit dem Stereotyp auf, manche wollten nur deshalb zum Judentum konvertieren, um, quasi nachträglich, auf die "geschichtlich richtige Seite" zu wechseln. Sicherlich ist diese falsche Motivation bei Einzelnen, auch in Deutschland, anzutreffen. Es ist aber falsch und widerspricht dem Geist des Judentums, dies pauschal und als Stereotyp zu unterstellen.

Das vorliegende Buch beschreibt aber auch die heutige Situation umfangreich, welche konkreten Schritte und Vorbereitungen der Kandidat, die Kandidatin zu unternehmen haben, auf welche Schwierigkeiten sie stoßen und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Auch wird der unterschiedliche Umgang mit dem Thema Konversion in den verschiedenen Strömungen des Judentums behandelt und erläutert. Eine wichtige Ergänzung sind zweifelsfrei die Erfahrungsberichte von Juden aus freier Wahl – über ihre innere Entwicklung, ihre Motivation, die Auswirkungen auf ihr alltägliches Leben, die Reaktion und die Rolle von Familie und Freundeskreis, die Aufnahme in der jüdischen Gemeinschaft. Und natürlich geht es auch darum, das neue Leben zu gestalten, die neuen Traditionen mit Leben zu erfüllen.

Hier und in anderen Fragen gibt das vorliegende Buch viele wertvolle Hinweise und Hilfestellungen. Es ist so ein praktisches Nachschlagewerk und Leitfaden – nicht aber ein Ersatz für eigenes Studium, Unterricht und aktive Teilnahme am Leben der zukünftigen Gemeinde.

© haGalil.com / www.fischer24.eu

hagalil.com 09-10-07











 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2014 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved

ehem. IDPS (Israeli Data Presenting Services) Kirjath haJowel, Jerusalem