Leo Trepp, Gunda Wöbken-Ekert:
"Dein Gott ist mein Gott"
Wege zum Judentum und zur jüdischen Gemeinschaft
Kohlhammer Verlag 2005
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"Dein Gott ist mein Gott":
Wege zum Judentum und zur jüdischen Gemeinschaft
Von Jörg Fischer-Aharon
Die Autoren Rabbiner Leo Trepp und Gunda Wöbken-Ekert stellen auf fast
240 Seiten in fundierter, umfassender und verständlicher Weise das Thema
Übertritt zum Judentum dar. Um es vorweg zu nehmen: Die hohe Kompetenz und
die profunde Aufbereitung macht dieses Buch zweifelsohne zu einem der
Standartwerke der Gegenwartsliteratur zur behandelten Thematik. Das macht es
gleichzeitig interessant und lesenswert für jeden, der sich mit der
jüdischen Religion beschäftigen will, auch wenn er oder sie sich nicht mit
dem Gedanken tragen, zum Judentum zu konvertieren.
Denn das Buch räumt gleichzeitig mit einer Reihe von Missverständnissen
und Vorurteilen auf und stellt jüdische Religion und Tradition dar, zudem
bleibt es nicht abstrakt, sondern gibt auch praktische Hinweise und
Hilfestellungen sowie Berichte von Erfahrungen, Erlebnissen und Motivationen
und inneren Prozessen von Menschen, die den Weg des Übertritt zum Judentum
gegangen sind.
Das Judentum ist eben keine, wie Antisemiten gerne behaupten, kleine
Gruppe, die sich als elitär dünkt und Nicht-Juden mit Abschätzung und
Ablehnung betrachten. Jude ist, so lehrt es das Religionsgesetz, wer von
einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum übertritt. Und der
Talmud betont, das es unrecht ist, zum Judentum Übergetretene an ihren
Übertritt, also daran, das sie einmal Nicht-Juden waren, zu erinnern.
Die Frage von Konversion war in allen Jahrtausenden jüdischer Geschichte
ein ganz reales Thema. So behandelt das erste Buchkapitel auch die
Entwicklung in Geschichte und Religionsgesetz – angefangen bei Abraham,
Urvater und Vorbild, seiner Bedeutung für Konvertiten und seiner Rolle als
Begründer des jüdischen Volkes.
In der Antike, zu den Entstehungszeiten von Bibel und Talmud, war das
Judentum von einer fast schon offensiven Offenheit gegenüber Konvertiten
geprägt, die die Autoren unter der Abschnittsüberschrift "Worte des
Willkommens an die Juden aus freier Wahl" dokumentieren. So zitieren sie den
Propheten Jesaja: "Nimmer spreche der Sohn der Fremde, der IHM Anhängende,
solche Sprache: ER sondert, sondert mich ab von seinem Volk!" "Die Söhne der
Fremde, die IHM Anhängenden, ihm Knechte zu werden: Allwer den Sabbat vor
Preisgabe behütet, die an meinem Bund Festhaltenden, sie lasse ich kommen
zum Berg meines Heiligtums, sie heiße ich sich freuen in meinem Haus des
Gebets, ihre Darhöhungen und ihre Schlachtmahle seien zur Begnadung auf
meiner Schlachtstatt: denn mein Haus, das Haus des Gebets wird es gerufen
werden bei allen Völkern. SEIN, meines Herrn Erlauten ist's, der Israels
Verstoßene zuhaufholt: Noch [andere] will ich ihm heranhäufen über seine
Zuhaufgeholten." (Jesaja 56:3, 6-8).
Die Buchautoren merken zu diesem Zitat an: "Gemäß diesen Wortden des
Propheten Jesaja findet das jüdische Volk eine große Bereicherung durch alle
Menschen,, die sich dem Judentum anschließen. Gott hat sie gerufen."
Beeinflusst durch dieses Prophetenwort, besonders aber durch den
Willkommensgruß des Jesajas, waren die Juden danach bis ins 5. Jahrhundert
u.Z. auf der Suche nach Konvertiten aktiv und erfolgreich. Die Autoren
zitieren weiter: "Liebe den Frieden und jage ihm nach, liebe alle Geschöpfe
und bringe sie zur Tora." (Hillel, mAw 1:12).
Rabbi Joachana und Rabbi Eleasar vertraten sogar die Ansischt, das
jüdische Volk sei gerade auch deshalb in die Welt zerstreut worden, um den
Suchenden den Weg zum Judentum und zum jüdischen Volk zu öffnen (bPes 67b).
Die Autoren widmen den Berichten von Übertritten in der Bibel einen weiteren
Abschnitt, den Übertritten von einzelnen Personen und den Übertritten ganzer
Gruppen.
Doch die Situation sollte sich nachhaltig ändern – vor allem durch das
Auftreten der christlichen Religion, zunächst in Form der römischen Kirche.
Diese sah im Judentum eine gefährliche "Konkurrenz" und ihren
absolutistischen Alleinvertretungsanspruch gefährdet. Auch dies, hier am
Rande bemerkt, ist einer der fundamentalen Unterschiede zwischen
Christentum, Islam und Judentum: Letzteres erhebt keinen
Alleinvertretungsanspruch, erhebt nicht den Anspruch, nur durch das Judentum
oder als Angehöriger des Judentums könne man Anteil an der künftigen Welt
erhalten. Dieser aggressive Alleinvertretungsanspruch führte – logischer
Weise – zu dem Willen, das Judentum auszuschalten, oder zumindest zu
isolieren und auszugrenzen. Dies führte zu einer massiven, streckenweise
blutrünstigen und pogromartigen Verfolgung der Juden durch die römische
Kirche und der von ihr dominierten Staaten.
Zu dieser Verfolgung zählte auch die brutale Unterdrückung jeder Art von
Neuaufnahmen von Konvertiten durch jüdische Gemeinden. Die eine oder andere
negative Erfahrung mit Konvertiten verstärkten dann die aus dieser
Unterdrückung resultierenden Konsequenzen. Wenn heute Teile des Judentums
Konvertiten gegenüber zurückhaltend, mitunter fast schon ablehnend
gegenüberstehen, so resultiert dies also weniger aus dem Judentum selber
heraus, sondern wurde diesem im jahrhundertelanger Verfolgung regelrecht von
außen aufgezwungen.
Können Feinde Freunde werden?
Ein Abschnitt des Buches kann – besonders in Deutschland – Aufmerksamkeit
erregen: "Feinde der Juden oder deren Nachkommen treten über und werden
hochgeachtet". An sich ist es sicherlich schon beachtenswert, wenn auch
etwas nachvollziehbares und verständliches, wenn ein Mensch im wahrsten
Sinne des Wortes den falschen Weg verlässt, sein Denken und Fühlen von Grund
auf verändert und einen neuen, besseres Lebensweg beschreitet. Aber dieser
Abschnitt räumt mit seinen dokumentierten und unterlegten Ausführungen
zugleich mit einem weitverbreiteten, von Antisemiten propagiertes Vorurteil
auf, nämlich jenem, Juden seien "unversöhnlich, nachtragend, rachsüchtig".
Dieses Zerrbild findet sich mehr oder minder direkt auch in weiten Teilen
der christlichen Theologie wieder, die den "Gott des Alten Testamentes" als
"rachsüchtig, unversöhnlich und rechthaberisch" darstellen, während der
"Gott des Neues Testaments" urplötzlich, obwohl er ja identisch sein soll,
"liebevoll, väterlich, fürsorglich und verzeihend" sei.
Die Buchautoren verweisen in diesem Zusammenhang auf hochinteressante
Berichte aus Talmud und Midrasch. Die Autoren berichten von Beispielen, die
zeigen, dass Feinde Israels im Laufe ihres Lebens Juden wurden und
Hochachtung und Liebe fanden. Viele Berichte in Talmud und Midrasch gehören
wahrscheinlich in den Bereich der Legenden, wichtiger aber als die
historische Genauigkeit sind die Gedanken und Überzeugungen, die hinter
diesen Berichten zum Ausdruck gebracht werden – die Botschaft, die
vermittelt wird. Denn Talmud und Midrasch sind keine Geschichtsbücher, es
sind Lehrbücher, die das jüdische Leben gestalten wollen und mehr aussagen,
als punktgenaue historische Berichterstattungen.
So berichtet etwa der Talmud, der römische Kaiser Nero sei Jude geworden:
Ein Orakel habe ihm angekündigt, Gott habe festgelegt, das Rom Israel
zerstören würde und habe ihn mit der Aufgabe belegt. Dann aber werde Gott
Rache an Rom nehmen und Israel damit beauftragen. "Nero sagte: 'Der Heilige,
gesegnet sei er, will sein Haus zerstören und seine Hände an mir abwischen
[mich verantwortlich halten].' Da entfloh er und wurde Proselyt. Von ihm
stammte Rabbi Meir [Me-ir] ab." (bGit 56 b). Es geht nicht um die
historische Richtigkeit dieses Berichtes, der sicherlich eine Legende sein
dürfte, sondern um die bedeutsame Botschaft: Selbst ein solcher Hasser gegen
die Juden, wie Nero einer war, wird Jude, erhält Hochachtung und sein Enkel
ist der bedeutende Rabbi Meir.
Aufgrund dieser und ähnlicher Berichte räumen Talmud und Midrasch auch
mit dem Stereotyp auf, manche wollten nur deshalb zum Judentum konvertieren,
um, quasi nachträglich, auf die "geschichtlich richtige Seite" zu wechseln.
Sicherlich ist diese falsche Motivation bei Einzelnen, auch in Deutschland,
anzutreffen. Es ist aber falsch und widerspricht dem Geist des Judentums,
dies pauschal und als Stereotyp zu unterstellen.
Das vorliegende Buch beschreibt aber auch die heutige Situation
umfangreich, welche konkreten Schritte und Vorbereitungen der Kandidat, die
Kandidatin zu unternehmen haben, auf welche Schwierigkeiten sie stoßen und
welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Auch wird der unterschiedliche
Umgang mit dem Thema Konversion in den verschiedenen Strömungen des
Judentums behandelt und erläutert. Eine wichtige Ergänzung sind zweifelsfrei
die Erfahrungsberichte von Juden aus freier Wahl – über ihre innere
Entwicklung, ihre Motivation, die Auswirkungen auf ihr alltägliches Leben,
die Reaktion und die Rolle von Familie und Freundeskreis, die Aufnahme in
der jüdischen Gemeinschaft. Und natürlich geht es auch darum, das neue Leben
zu gestalten, die neuen Traditionen mit Leben zu erfüllen.
Hier und in anderen Fragen gibt das vorliegende Buch viele wertvolle
Hinweise und Hilfestellungen. Es ist so ein praktisches Nachschlagewerk und
Leitfaden – nicht aber ein Ersatz für eigenes Studium, Unterricht und aktive
Teilnahme am Leben der zukünftigen Gemeinde.
© haGalil.com / www.fischer24.eu
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09-10-07
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