Der Rechte Rand:
Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft
Rezension von Karl Pfeifer
Heribert Schiedel, Mitarbeiter des
Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) hat ein Buch
veröffentlicht, das sich nicht mit der Schilderung des rechten Randes
begnügt, sondern aufzeigt, was alles in der Republik Österreich möglich ist,
welche Toleranz hier herrscht, wenn die "staatstragenden" Parteien, radikale
Rechtsextremisten berücksichtigen, mit denen die eine Partei zum Schaden der
Demokratie jahrelang koalierte und die andere Partei sich die Möglichkeit
offen halten will, mit diesen in Zukunft zu koalieren.
Die österreichische Realität überholte Schiedels
gegenwartsnahes Buch. Denn nur ein paar Tage nachdem es präsentiert wurde,
hat Andreas Mölzer, FPÖ-Europaabgeordneter und Herausgeber der Wiener
Wochenzeitung Zur Zeit empört auf die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit
Zur Zeit durch die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit reagiert: "Wer sich
derart heftig gegen eine Einigung der patriotischen Kräfte in Deutschland
einsetzt, vertritt letztlich die Interessen der politisch-ideologischen
Gegner. Während sich Zur Zeit seit mittlerweile zehn Jahren als heftig
angegriffene, aber von Gegnern respektierte Wochenzeitung durchsetzen
konnte, was sich in der staatlichen Presseförderung widerspiegelt, ist die
Junge Freiheit regelmäßig in den Berichten deutscher Verfassungsschützer
vertreten".
Und schon sind wir mitten in der österreichischen
Realität, die von Schiedel kenntnisreich analysiert und dokumentiert wird.
Während in Deutschland die frühere Partnerin von Zur Zeit vom deutschen
Verfassungsschutz beobachtet wird, belohnte die Republik Österreich Zur Zeit
– die immer wieder antisemitische, fremdenfeindliche und rassistische Texte
abdruckt und auch neonazistische Produkte bewirbt – in den Jahren 2004 bis
2006 mit 136.889.44 Euro Presseförderung und auch 2007 wird weiter
subventioniert.
Schiedel packt die Probleme an der Wurzel und zeigt das
auf was die meisten Medien verschweigen oder verharmlosen.
Zwar geben die Vertreter des offiziellen Österreichs
häufig Erklärungen ab über die "Achtung der Menschenrechte und Toleranz",
womit aber verdeckt wird, was alles die Republik toleriert. Zum Beispiel
schildert der Autor, wie die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft "etwa 2002
in Graz, wo seit jeher mutmaßliche Neonazis seltener vor Gericht stehen, in
Lisbeth Grolitschs Machwerk "Notwende" keine Verstöße gegen das [NS]
Verbotsgesetz sehen [wollte]. Die alte Dame des österreichischen Neonazismus
darf also straffrei unter anderem Adolf Hitler zu den "Großen unseres
Volkes" zählen und behaupten, dass des geliebten Führers "Kampf [...] der
Widerherstellung des Lebensrechtes des Deutschen Volkes unter anderen
Völkern" galt. "Diesem Ziel" so Grolitsch weiter: "hat er mit dem vollen
Einsatz seines Lebens gedient unter Bereitstellung aller genialen
Fähigkeiten seiner Persönlichkeit."
Schiedel zeigt auf, dass auch viel positives geschieht und
macht konstruktive Vorschläge, zum Beispiel: "Etablierung einer eigenen
Stelle im Justizministerium, welche die Anwendung des NS-Verbotsgesetzes
überwacht und regelmäßig Rechenschaft ablegt." Gleichzeitig warnt er: "Die
Sensibilität gegenüber Antisemitismus und Rassismus scheint in dem Ausmaß zu
sinken, in welchem deren strafrechtliche Relevanz abnimmt." Und "Nicht
inkriminierte rechtsextreme Handlungen und Ansichten werden nicht mehr
weiter hinterfragt, der legale Rechtsextremismus erfährt mit der rechtlichen
oft auch die politische Absolution. [...] Jene Formen des Antisemitismus und
Rassismus, welche sich nicht [offen] nationalsozialistisch artikulieren,
werden vom Gesetz nicht oder kaum erfasst. Tatsächlich hat sich der so
genannte Verhetzungsparagraph (§ 283 StGB) als nicht sehr wirkungsvoll
erwiesen. Denn nur in den seltensten Fällen ist ein Gericht bereit, in
antisemitischer oder rassistischer Hetze entweder eine Gefährdung der
öffentlichen Ordnung bzw. ein Aufreizen feindseliger Handlungen gegen
religiöse oder ethnisierte Minderheiten oder eine Verletzung der
Menschenrechte zu sehen."
Im ersten Teil des 199 Seiten umfassenden Buches klärt der
Autor "Begriffe und Erscheinungsformen" des Rechtsextremismus und versucht
Erklärungsansätze sowie "Die Rache der "kleinen Leute" and den "Bonzen" und
Parasiten" bis zum autoritären Populismus zu analysieren. Im zweiten Teil
schildert er die völkische (sub)Kultur nach 1945, die FPÖ zwischen
Rechtsextremismus und Neonazismus und endet mit einer "Strategie gegen den
Hass".
Freilich – so der Verfasser – kann man sich nicht mit
repressiven Maßnahmen begnügen, wenn es darum geht den Hass zurückzudrängen.
Das ist Aufgabe der österreichischen Gesellschaft.
Zwar veröffentlicht
www.doew.at immer wieder aktuelle Nachrichten zum Thema, aber dieses
Buch füllt eine schmerzliche Lücke, denn seit 1996 ist keine neue
aktualisierte Auflage des "Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus"
erschienen.
Es ist ein gutes Zeichen, dass der ehemalige
ÖVP-Abgeordneter Heribert Steinbauer dieses leserfreundliche, informative
und kantig geschriebene Buch von Heribert Schiedel herausgegeben hat und
dass bald die zweite Auflage folgt.
hagalil.com
11-10-07 |