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Thilo Wydra:
Rosenstraße. Ein Film von Margarethe von Trotta
Ars Nicolai Verlag 2003
Euro 19,90

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Unbedingt lesenswert:
Rosenstraße – ein Buch zum Film

Von Gudrun Wilhelmy

Erfolg eines Film-Produktes, auch in der Kunst, ist nicht (allein) inhaltlicher und formaler Gesamtentwurf, sondern Marketing. Ein Beispiel ist der Film "Rosenstraße" von Margarethe von Trotta. Mit einer sehr gut geplanten Öffentlichkeits- und Pressearbeit und der Preisverleihung an Katja Riemann auf der Biennale in Venedig, war der Film bereits bekannt bevor er auf den Markt kam. Nach dem Film, als kluge Werbestrategie erkennbar, ein gleichnamiges Buch aus dem Nicolai-Verlag von Thilo Wydra.

Gleich vorneweg: Das Buch ist in Layout, Druck und Aufmachung ein richtig schönes Buch, dass gut in der Hand liegt, Lesespaß für das Auge bietet durch ein gutes Format, ausgezeichnete Bindung, handschmeichlerisches Papier und mit einem ausgezeichneten Satz und Fotodruck.

Thilo Wydra, der Autor führt zum Thema "Rosenstraße" gleich auf dem Cover seine Schwerpunkte auf: "Die Geschichte", "Die Hintergründe" und "Die Regisseurin" und spricht damit alle an, die mehr erfahren möchten, als der Film erzählt.

Eine Reihe von Zitaten von Zeitzeugen aus dem Dokumentationsfilm von 1992, den Daniela Schmidts drehte "Rosenstrasse – wo Frauen widerstanden" zeigt die Ereignisse aus dem Blick von Beteiligten: Frauen, den Kindern und Verwandten sowie den inhaftierten Männern. Den bislang in "privilegierter Ehe" lebenden Paaren im Berlin 1943, jüdische Männer und nicht-jüdische Ehefrauen.

Das anschließende Interview mit von Trotta lässt aus den nachfolgenden Zitaten erkennen, dass ihr "politisches" Engagement für diesen Film – und genau erschien es mir in der Pressevorführung – nicht sehr hoch einzuschätzen ist. Auf Seite 13 sagt sie "In meiner Geschichte kommt Auschwitz nicht vor" und das, obwohl viele während der sogenannten "Fabrikaktion" Inhaftierte, nach Auschwitz gebracht wurden und zwar die ersten am 1. März 1943, die Aktion fand am 27. Februar statt, also zwei Tage später. Der Protest der Frauen dauerte bis zur Freilassung der Frauen und Männer bis zum 6. März. 1943.

1994 befasste sich von Trotta erstmalig mit diesem Thema, dass Schlöndorff ihr vorgeschlagen hatte.. 1999, fünf Jahre später, wurde der Stoff wieder hervorgeholt, weil "die Zeit für die Rosenstraße jetzt vielleicht günstiger wäre als zuvor in der "Komödien-Zeit'" und einem seit 1998 "erkennbarer Wandel im Umgang mit der NS-Vergangenheit" (Regierungswechsel). Nun schreibt von Trotta die dritte Fassung des Drehbuches zu diesem Film und fügt die "Gegenwartsgeschichte in New York" mit hinzu.

Ich weiß nicht auf welchen erkennbaren Wandel im Umgang mit der NS-Vergangenheit von Trotta anspielt, doch sie will beispielsweise aus der Literatur wissen "das man dort (in den USA) als Überlebender zunächst gar nicht darüber reden durfte" und meint dies sei "ein fast ähnliches Bemühen wie bei uns" (S. 15). Von Trotta wird nicht müde ihren Film als ein "Denkmal" für diese "Liebenden" sehen zu wollen und sagt klar, "dass der Protest auf der Straße keine politische Demonstration im üblichen Sinne war". Das macht sprachlos, da bis heute "unangemeldete Ansammlungen" verboten sind und zur NS-Zeit, insbesondere zur Zeit des Krieges, "alle Ansammlungen verboten waren". Nur von Trotta wird wissen, warum dann der Verstoß gegen dieses Verbot nicht politisch gewesen sein soll. Aber sie hat eben ihre Sicht auf die Dinge, auch wenn die historischen Fakten eine andere Sicht zwingend machen: Lauthals protestierende Frauen, sagt ein Zeitzeuge, die Lahmlegung der Strecke der Straßenbahn-Linie-1 über mehrere Tage auf der Friedrichstraße belegen nach meinem Dafürhalten eine eindeutige politische Demonstration. Aus der Sicht der 68er ist die Trennung von politisch und privat äußerst kritisch zu sehen, und wird insbesondere von Frauen bis heute vehement angegriffen. Auch aus diesem Blickwinkel ist von Trottas Sichtweise eine fragwürdige.

Auf Seite 17 lässt sich von Trotta darüber aus, wie die Information die Frauen wohl erreicht hatten, dass sie doch so zahlreich protestierten. Sie mag an den "Mundfunk" nicht glauben, sondern sagt "Mir scheint es, als seien sie alle telepatisch mit ihren Männern verbunden gewesen und von ihnen angezogen worden, wie von einem Kraftfeld". Mystifizierungen sind immer gefährlich und diese "Erklärung" hätte zur Zeit der Inquisition gereicht, um einer Anklage der Hexerei Nahrung zu geben. Es ist ein Abbild des Nazi-Weltbildes, dass jüdische Männer eine deutsche/arische Frau nur durch unerklärliche Vorgänge an sich binden konnten.

Ein Anreiz für den Film sei das Thema "Erinnerung", das sie besonders fasziniere. Nur wo wird dieses deutlich als Subthema des Films? Alte Menschen erzählen gern von ihrer Vergangenheit und der Tod eines nahen Menschen ruft bei den Hinterbliebenen zurückliegende Erlebnisse wach. Ein Blick, wie Erinnerung funktioniert ist im Film nicht erkennbar, denn diejenigen, die sich erinnern könnten, spielen eher "Nebenrollen": Lena und Ruth.

Wie von Trotta auf Seite 20 auf die Möglichkeit kommt, von einer "vererbten Selbstsicherheit und Disziplin" zu sprechen, die sie bei Adligen (Lena) und sich selbst sieht, verdeutlicht vielleicht eher ihren kalten Film-Blick auf die Ereignisse und die Beteiligten. Was genau "Erhöhung" bedeuten soll, wenn die Frauen in der Rosenstraße zum Protest gehen, bleibt unklar und weist wieder den Hang zur Mystifizierung nach und nicht auf Erkenntnisse der Vererbungslehre oder politischer Bewusstseinsentwicklung.

Am Ende des Interviews betont von Trotta ausdrücklich, daß "Rosenstraße" weniger ein Historien- als ein Liebesfilm sei. Im Handeln Liebende, so scheint es mir, sind im Film zwei Personen: Lena und ihr Bruder und zwar bezogen aufeinander, die "arischen" Personen des Films. Nur, warum dieses Thema? Um einen Liebesfilm zu drehen? Es bleibt mir nicht nachvollziehbar.

Der historische Teil von Felix Moeller (ab Seite 25) ist faktisch richtig und beleuchtet die Ereignisse korrekt und reflektiert historisch nicht eindeutig belegbare Momente aus unterschiedlicher Sicht. Nur einige wenige Zitate aus seinem "Der Protest in der Rosenstraße. Eine Woche in Berlin des Jahres 1943" auf Seite 25: "Die ersten Toten der mit besonderer Brutalität durchgeführten Aktion", "über 1.500 Menschen" waren im Sammellager Rosenstrasse als "arisch versippte", "Mischlinge" und "Juden aus sogenannten jüdisch-deutschblütigen Mischehen" zusammengepfercht. Der 27. Februar war ein Samstag und bereits am 1. März (Montag) verließ "der erste Transport mit 1.700 jüdischen Gefangenen den Moabiter Bahnhof Putzlitzstraße in Richtung Auschwitz". Wenn Frau von Trotta diese Tatsache in ihrem Film ausklammert, dann kommt das einem "wir haben von nichts gewusst" gefährlich nahe.

Moeller macht im Text sehr deutlich, dass die arischen Ehepartner vielfach den gleichen "Rassengesetzen" unterworfen waren wie ihre jüdischen Partner oder Partnerinnen auch. Sie riskierten Entlassung aus dem Staatsdienst. Die Ehen bleiben häufig aufgrund der Bedrohung kinderlos, denn die Kinderlosigkeit war ein Kriterium für eine privilegierte Ehe. Wie komplex die rassistischen Vorstellungen der Nazis sich in Gesetzten niederschlugen, handelt Moeller kenntnisreich ab, gab es 1939 doch immer noch 20.454 Mischehen. Auf Seite 39 macht Moeller das Ausmaß der Bedrohung deutlich: "Den christlich-jüdischen Ehepaaren ... waren am Vorabend der "Fabrikaktion" also kaum mehr geblieben als das nackte Leben". Das nannte man privilegiert und das vor dem Hintergrund das "1942 ... die Deportationen .. in die Ghettos und Vernichtungslager auf Hochtouren liefen" (S. 38).

Der Kontext zu Goebbels Rede am 18. Februar "zum totalen Krieg" zum totalen Krieg" gegen Juden stellt Moeller implizit her. Gerüchte über die bevorstehende Aktion kursierten bereits. Unklar blieb die mögliche Folge für die sogenannten "Mischehen" Alle waren also bereits alarmiert und von Trotta spricht von "Telepathie".

Moeller an anderer Stelle (S. 35) "die Zusammentreibungen (während der "Fabrikaktion") wurden oft derart brutal ausgeführt, dass sie sogar in SS-Kreisen kritisiert wurden". Nichts davon im Film. Von Trotta weicht in ihrem Film der Wirklichkeit aus und verharrt auf einer Verharmlosung der Vorgänge. Auch die präzise Schilderung der Vorgänge in der Rostenstrasse finden im Film wenig Widerhallt. Bereits am 28. Februar stehen die ersten Verwandten in der Rosenstrasse" obwohl jede öffentliche Versammlung im Krieg verboten war" führt Moeller auf Seite 37 aus.

Frau von Trotta hat sich lieber in die "Liebesgeschichte" geflüchtet, statt diese Fakten ihrem Film zugrunde zu legen.

Zurück zum Buch. Dieses ist unbedingt lesenswert. Dies betrifft die Ausführungen von Moeller ebenso wie die Aussagen der Zeitzeugen. Die Filmbilder sind schmückendes Beiwerk und machen das Buch auch für historisch weniger Interessierte sicherlich attraktiv. Hier können wichtige Geschichtskenntnisse rund um dies Geschehen, ein Stück Alltagspolitik und alltagspolitischer Reaktion aus dem Zeitgeschehen nachgelesen werden. Es passt in eine Schulbücherei ebenso wie in das private Buchregal. Dem Buch ist viel Erfolg zu wünschen.

Zum Weiterlesen:

hagalil.com 23-10-03











 

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