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"Tripolis Praga". Die Prager "Moderne" um 1900. Katalogbuch
Hrsg. von Walter Schmitz und Ludger Udolph
W.E.B. Universitäts-verlag 2001
Euro 24,80

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Die Prager Moderne um 1900:
Tripolis Praga

Als "eine farbenfrohe, mutige, tolerante und neuschaffende Zeit" bezeichnete Vaclav Havel in seinem Vorwort die Prager Moderne. "Gleichzeitig eine Zeit voll geheimnisvoller Winkel, voll Trauer, Unverständnis und Entfremdung, laut die Erfahrung einer scheinbar legitimen Absurdität der Welt äußernd." Es ist das Verdienst des MitteleuropaZentrums an der TU Dresden, durch die Ausstellung "Tripolis Praga" und das dazugehörige Katalogbuch die vielfältigen Aspekte der Prager Kultur um 1900 zur Ansicht gebracht zu haben.

Tschechen, Deutsche und Juden verliehen der Stadt eine besondere Atmosphäre der Multikulturalität und Kreativität. Während sich die tschechischen Künstler als "Avantgarde einer Nationalkultur" sahen, "versuchte die deutsche Oberschicht ihre abbröckelnde frühere Hegemonie durch eine breite 'Kulturarbeit' zu beglaubigen." Juden schlossen sich zunächst den beiden Bevölkerungsgruppen an, begaben sich jedoch mehr und mehr auf Identitätssuche und Besinnung auf eine "nationale" jüdische Kultur.


Der 'Graben', die Fortsetzung der Ferdinandstraße, Photographie, um 1890

Das Katalogbuch, erschienen im Thelem Verlag, stellt die Dreivölkerstadt um 1900 in elf Kapiteln dar, die mit zahlreichen Textbeispielen und Bildern die Vielfältigkeit der untergegangenen Kultur beleuchten: Das "deutsche Prag", das vor allem seit der Jahrhundertwende als Literaturstadt an Bedeutung gewann, das "tschechische Prag", das in Architektur, Politik und Künsten durch das erwachende Nationalgefühl bestimmt war, und die wechselseitigen kulturellen Wahrnehmungen, die im Kapitel "Begegnungen und Vermittlungen" veranschaulicht werden. Das "Magische Prag" zeigt das Bild auf und das Selbstverständnis der Prager über ihre Stadt als "alte Zauberstadt", wie es etwa Johannes Urzidil formulierte: "Hier kam vieles zusammen, Ost und West, Jud und Christ, Tschech und Deutscher, Nord und Süd, und wo viele Essenzen zusammenfließen, da entstehen auch viele zauberhafte, unbegreifliche und sonst nie gesehene Dinge".


Gruppenfoto mit Leo Herrmann (Mitte), Hans Kohn (o.R., r.), Robert Weltsch (o.R., 2.v.r.) und seiner Schwester Lise Weltsch-Kaznelson (u.R., 2.v.l.)

"Der Prager Kreis" widmet sich jener Gruppe von deutschsprachigen jüdischen Avantgarde-Literaten, zu deren innerem Kreis zunächst Max Brod, Franz Kafka, Oskar Baum und Felix Weltsch gehörten. Die Prager Juden zwischen den Nationen, das "Erwachen" des jüdischen Volkes und die kulturell-geistigen Errungenschaften dieser Bewegung sind Thema des Kapitels "Jüdische Renaissance".


Josef und Karl Capek, Photographie, um 1920

Das Kapitel "Zlatá slovanská Praha" geht den verschiedenen Mythen um die Stadt nach, den Mythen der Nation, wie der Seherin Libussa, dem Mythos der "goldenen Stadt" und verschiedenen anderen Mythen der Moderne, die mit Prag verwoben sind. Auch der "Tschechischen Avantgarde" ist ein Kapitel gewidmet, das deren wichtigste Vertreter vorstellt. Darunter beispielsweise die Brüder Josef und Karl Capek und den Anarchisten Jaroslav Hašek, der 1911 die ersten Geschichte seiner Švejk-Figur veröffentlichte.

"Aufbrüche und Ausbrüche" stellt Prag als eine Stadt vor, die man auch verlassen musste, boten doch Wien und Berlin entsprechende Alternativen, zumindest für die deutschsprachigen Schriftsteller. Die deutsch-jüdisch-tschechische Kultursymbiose wurde schließlich durch den Ersten "Weltkrieg" radikal verändert: "Die vormals privilegierten Bevölkerungskreise und ihre kulturellen Präferenzen wurden in der tschechoslowakischen Republik nach 1918 randständig."


Die tschechische Legion, Photographie, um 1918

Das letzte Kapitel ist dem "Gedächtnis" gewidmet, den Vergangenheitsdeutungen der Literaten der "Prager Moderne". Ihre Erinnerung an die glanzvolle Ära der Dreivölkerstadt, die endgültig durch die deutsche Okkupation beendet wurde, stand der offiziellen Gedächtnispolitik des kommunistischen Staates entgegen. In der Tschechoslowakei nach 1945/46 setzte "eine rigide Nationalisierung der Tradition ein, die zunächst den 'Nationalitätenstreit' um 1900 endgültig zu entscheiden suchte, die aber überdies die kritisch-analytische Literatur der 'Moderne' als dekadent und formalistisch beargwöhnte und denunzierte."

Das Katalogbuch sei allen denen, die die Ausstellung "Tripolis Praga" nicht gesehen haben, wärmstens empfohlen. Diejenigen, die sie besucht haben, werden in der Vielzahl an detaillreicher Darstellung noch viel Neues entdecken.

al / hagalil.com 18-04-04











 

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