Andrei S. Markovits:
Uncouth Nation.
Why Europe Dislikes America
Princeton University Press 2007
Euro 25,34
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Andrei S. Markovits:
Amerika, dich hasst sich's besser.
Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa
konkret Verlag 2004
Euro 15,50
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Antiamerikanismus und Antisemitismus:
Angst vor der Freiheit
Andrei S. Markovits hat ein
neues Standardwerk zum Antiamerikanismus in Europa vorgelegt
Von Martin Jander
Wahrscheinlich gibt es in Europa kaum ein
umstritteneres Thema als den Antiamerikanismus. Das bislang unstreitig
wichtigste Buch zu seiner Geschichte in Deutschland, hat Dan Diner
(Verkehrte Welten – Antiamerikanismus in Deutschland) bereits vor
einigen Jahren vorgelegt. Andrei Markovits weitet mit seinem Buch
"Uncouth Nation" den Blick auf die europäischen Verhältnisse. Eine
ordinäre Nation ist Amerika in den Augen sehr vieler Europäer.
Welche Bedeutung hat der Antiamerikanismus in Europa? Andy Markovits
antwortet darauf in seinem Buch einleuchtend und vor allem belegt er
diese Antwort mit einer Fülle von Beispielen. In einem Überblick zur
Geschichte des Antiamerikanismus in Europa zeigt Markovits zunächst,
dass sich der Hass auf Amerika von einem Elitenphänomen des 18. und 19.
Jahrhundert zu einem Massenphänomen unserer Tage entwickelt hat.
Waren es vor dem 1. Weltkrieg noch vor allem die europäischen Adeligen,
die um ihre Macht fürchteten, die das demokratische Verlangen ihrer
Untertanen hassten und deshalb Amerika als die Ausgeburt der Hölle
schilderten, so wandelte sich der Antiamerikanismus in der
Zwischenkriegszeit und ganz besonders nach dem 2. Weltkrieg zu einem
Massenphänomen in Europa. Das Wort Amerika oder die Erwähnung der USA -
ganz besonders der Terminus "amerikanische Verhältnisse" - gelten für
die Mehrzahl der Europäer, ganz gleich ob arm oder reich, als Synonym
negativer Entwicklungen.
Es gibt dabei nahezu keinen Aspekt des europäischen Alltags, der von den
Europäern nicht als angeblich amerikanisch bedroht angesehen wird. In
dem zentralen Kapitel des Buches führt Markovits anhand einer intensiven
Analyse europäischer Zeitungen vor, wie Amerika in Europa geradezu als
Chiffre für Verschlechterungen und anti-emanzipative Tendenzen gesehen
wird. Das beginnt bei der Sprache, deren "Amerikanisierung" angeblich
Europäern ihre Ausdrucksfähigkeit und damit auch ihre Identität raubt.
Das setzt sich fort im Sport, in der Arbeitswelt bis hin zur
Kriminalität und in die Medien. "Amerikanisierung", so kann Markovits
zeigen, "droht" immer, sie bringt, in den Augen der meisten Europäer,
keine Verbesserungen sondern immer nur (angeblich) das Gegenteil.
Was aber ist eigentlich der Grund für diese Wandlung? Die Interessen und
Motive der Adeligen, die ihre Untertanen von Rebellion oder Auswanderung
abhalten wollten, kann man ja noch einigermaßen nachvollziehen. Was aber
veranlasst Herrn und Frau Jedermann in Europa heute eigentlich die USA
als Ursprung allen Übels anzusehen? Antiamerikanismus ist - ähnlich dem
Antisemitismus, mit dem er häufig einher geht - nicht viel mehr als eine
Projektion. Das, was ein Mensch in sich selbst fürchtet, hasst oder
ablehnt, manches Mal auch heimlich wünscht, projiziert er auf einen
anderen. Amerikaner sind in diesem Sinne alles das, was Europäer an sich
selbst fürchten hassen oder ablehnen. Amerika hat sich in der
Wahrnehmung der Europäer zu dem "Gegen-Europa" an sich entwickelt.
Wie Markovits zeigt, geht dieser Antiamerikanismus nicht selten einher mit
einem neuen Antisemitismus, der alle seine traditionellen Bilder einer
angeblich mächtigen Weltverschwörung, die angeblich den Untergang aller
anderen Nationen anstrebt, auf das Bündnis Israel und USA projiziert.
Dieser neue Antisemitismus hat eine klar benennbare Quelle. Es ist der
Antizionismus der europäischen Linken. Er ist - ganz abgesehen von den
Folgen des Antisemitismus in den europäischen Ländern - vor allem
deshalb so besorgniserregend, weil seine Popularität in Europa
anzudeuten scheint, dass Europa die Bedrohung Israels durch den
islamischen Fundamentalismus nicht ernst nimmt. Wird Europa in der
Auseinandersetzung mit dem Iran und dem weltweiten Terrorismus nicht an
der Seite Israels stehen?
Die Zukunft Europas kann, so die Überzeugung der Mehrheit der Europäer nur
als vollständiger Gegenentwurf zu den USA zustande kommen.
Antiamerikanismus ist in diesem Sinne kaum anders zu fassen als die
Ideologie, die mit dem Entstehen eines neuen Machtgebildes einhergeht.
Da offenbar alle positiven Gemeinsamkeiten bei der Konstitution eines
föderalen Bundesstaates Europa fehlen, kann Gemeinsamkeit offenbar nur
in der Negation erreicht werden.
Die Angst vor der Moderne, und nichts anderes schlägt uns im
Antiamerikanismus entgegen, geht nicht selten mit regressiven
Gemeinschaftsutopien einher. Manches europäische Land, träumt sich auch
in seine nationale imperiale Vergangenheit zurück. Wer die
multiethnische Gesellschaft fürchtet, träumt sich zurück in die
kulturell und oder religiös homogene Nation. Wer Geld, Warentausch und
industrielle Arbeitsteilung fürchtet, träumt sich zurück ins
Mittelalter. Wer Debatte, Streit und Meinungsvielfalt fürchtet, träumt
sich zurück in eine Diktatur. Europa, so könnte man die Analyse von
Andrei Markovits zusammenfassen, fürchtet sich vor seinem großen Schritt
in die Zukunft. Antiamerikanismus und Antisemitismus sind die
besorgniserregenden Signale regressiver Wünsche und damit natürlich auch
großer Gefahren.
hagalil.com
11-04-07 |