Klaus-Michael
Mallmann, Martin Cüppers:
Halbmond und Hakenkreuz
Das "Dritte Reich", die Araber und Palästina
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2006
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Halbmond und
Hakenkreuz:
Das "Dritte Reich", die Araber und Palästina
Von Karl Pfeifer
Klaus-Michael
Mallmann und Martin Cüppers dokumentieren in ihrem Buch Halbmond und
Hakenkreuz eine Geschichte, die gerne unter den Teppich gekehrt wird,
die man häufig verharmlost oder gar anzweifelt.
So machte es sich
noch 1983 Alexander Schölch leicht, die Taten des Mufti von Jerusalem, Hadj
Amin el-Husseini zu bagatellisieren, weil es in seine linken "Narrative"
passte; dabei stützte er sich auf eine Aussage des ehemaligen Nazidiplomaten
Fritz Grobba:* "Der Mufti hat sich den Nazis durch antijüdische Reden
angedient, aber zur Realisierung ihres antisemitischen Wahns bedurften sie
keiner 'Semiten'.
Im Gegensatz dazu
arbeiten Mallmann und Cüppers peinlich genau heraus, was der Mufti und die
palästinensischen Nationalbewegung in der Zeit von 1933 bis 1945 und zum
Teil auch danach taten. Und das ist nicht wenig – es waren beileibe nicht
nur Reden, obwohl auch diese wirkten, sondern handfeste Taten. Man darf sich
keiner Illusion hingeben: Bis heute wird munter der weit verbreitete
Antisemitismus in der islamischen und insbesondere in der arabischen Welt
geleugnet, relativiert oder sogar "verstanden".
Als nach der
Balfour-Erklärung 1917 einige tausend Juden ins Heilige Land einwanderten,
kam es in den 1920er Jahren auf der arabischen Seite zu Pogromen. Die Briten
nahmen diese zum Anlass, die jüdische Einwanderung zu beschränken. Sie
hatten den wenig qualifizierten Amin el-Husseini trotz seiner Aufrufe zur
Gewaltanwendung gegen Juden bereits 1921 zum Mufti ernannt, und dieser hatte
sich bedankt, indem er im Sommer 1929 wieder gegen Juden hetzte und ein
schreckliches Pogrom, hauptsächlich gegen den alten, nichtzionistischen
Jischuv auslöste.
Die Machtübergabe an
die Nationalsozialisten 1933 und deren antisemitische Politik beeinflusste
den Mufti, der bereits am 31. März 1933 dem deutschen Generalkonsul Heinrich
Wolf in Jerusalem versicherte, dass Moslems ein "neues Regime
Deutschlands begrüßen und Ausbreitung faschistischer antidemokratischer
Staatsführung auf andere Länder erhoffen". Ein deutscher Boykott, "um
Juden in ihrem Wohlstand zu treffen", werde "in der ganzen
mohammedanischen Welt mit Begeisterung" Unterstützung finden.
Bis heute ist Izz
al-Din al-Qassam der Namenspatron jener Kommandos der Hamas, die
Selbstmordattentate in Israel verüben. Als Imam in Haifa war al-Qassam an
der Verhetzung der Jugend beteiligt und begann im November 1935 den
Djihad mit der Ermordung eines jüdischen Polizisten. Er wurde von einer
britischen Patrouille gestellt und erschossen. "Dass ein Terrorist dieses
Schlages", schreiben Mallmann und Cüppers, "in der wissenschaftlichen
westlichen Literatur noch als ‚Märtyrer’ bezeichnet wird", der "für
seinen Glauben und die palästinensischen Sache" Zeugnis ablegte, wie
Gudrun Krämer in ihrer Geschichte Palästinas schreibt, "kann nur
mit einer Mischung aus Blindheit und unkritischer Verliebtheit" in ihren
Gegenstand erklärt werden.
Der arabische
Aufstand ab 1936 vertiefte die arabische Begeisterung für den
Nationalsozialismus, zeigten doch die Rebellen das Hakenkreuz als
Kampfansage an Juden und Briten. "Nicht trotz, sondern wegen ihres
virulenten Antisemitismus wuchsen Hitler und den Deutschen Sympathien bei
den Muslimen des Nahen und Mittleren Ostens zu", betonen Mallmann und
Cüppers. Es waren Palästinenser die beharrlich das Bündnis mit
NS-Deutschland suchten, obwohl man dort noch lange das Ausspielen der
arabischen Karte vermied.
Gegenüber der von
den Briten bestellten Unersuchungskommission unter dem Vorsitz von Lord Peel
nahm der Mufti kein Blatt vor den Mund: "Geben Sie uns die
Selbstständigkeit, und wir werden schon selbst mit den Juden fertig werden!"
Auni Abd el-Hadi, der Führer der Istiqlal-Partei, zögerte nicht, vor der
Peel-Kommission das "Dritte Reich" als Beispiel heranzuziehen: Wenn 60
Millionen Deutsche die Anwesenheit von 600.000 Juden nicht ertragen können,
wie könne man da von den Arabern erwarten, dass sie sich mit der Anwesenheit
von 400.000 Juden in einem viel kleineren Land abfinden sollten?
Die Peel-Kommission
schlug die Teilung des Landes vor; der jüdische Staat sollte dabei winzig
klein sein. Die Juden akzeptierten den Vorschlag, die Araber jedoch lehnten
ihn getreu ihrer Maxime "alles oder nichts" ab. Unmittelbar danach flammte
der Aufstand wieder auf. Nach der Ermordung eines hohen britischen Beamten
1937 gingen die Briten gegen die Aufständischen mit Härte vor; dem
abgesetzten Mufti gelang die Flucht, die ihn über den Irak – wo er eine
Rolle beim antibritischen Aufstand von el-Gailani spielte – und den Iran
nach Deutschland führte. Ab 1938 lieferte die deutsche Abwehr Waffen an die
aufständischen Palästinenser.
Wie es im Zuge der
Ausweitung des Krieges auf Griechenland und Nordafrika schon Anfang 1941 zum
"Teufelspakt" Deutschlands mit den antibritischen und antijüdischen Kräften
in der arabischen Welt kam, denen das von Blitzkriegen verwöhnte "Dritte
Reich" die Unabhängigkeit versprach, wird von Mallmann und Cüppers ebenso
anschaulich dargestellt wie die deutschen Planungen, die Judenverfolgung auf
den östlichen Mittelmeerraum auszudehnen.
Als el-Husseini im
November 1941 von Hitler empfangen wurde, beschränkte sich dieser auf vage
Sympathiebekundungen für die Araber und ihr Verlangen nach Unabhängigkeit.
Das Scheitern des Aufstands im Irak, der mit Unterstützung der deutschen
Luftwaffe durchgeführt worden war, haftete noch zu frisch im Gedächtnis.
Hitler ließ durchblicken, er strebe "die Vernichtung des im arabischen
Raum unter der Protektion der britischen Macht lebenden Judentums" an.
Dass es sich dabei
nicht nur um Absichtserklärungen handelte, zeigte sich, als der Vormarsch
Rommels nach Ägypten 1942 nicht nur von aufwändigen antibritischen und
antijüdischen Propagandamaßnahmen, sondern auch von SS-Einsatzgruppen
begleitet wurde. Sie sollten die in Osteuropa bereits angelaufene
systematische Tötung von Juden auch in Palästina und in anderen Teilen des
Vorderen Orients durchführen. Die personelle Spitze des Einsatzkommandos
wird ebenso akribisch betrachtet wie die Karrieren einzelner SS-Leute nach
Kriegsende in der Bundesrepublik und in Südamerika.
Nach der Niederlage
vor El Alamein nur 100 Kilometer westlich von Alexandria mussten sich die
Reste von Rommels Truppen im Herbst 1942 nach Westen zurückziehen. Die SS
konzentrierte sich auf Tunesien, das als Brückenkopf der
deutsch-italienischen Kriegführung noch bis Mai 1943 gehalten wurde.
Gleichzeitig organisierte der Jischuv seine Selbstverteidigung, und der
Mufti dirigierte von Deutschland aus den arabischen Nationalismus und gab
den inzwischen formierten muslimischen SS-Einheiten Zuspruch. Seinen
Judenhass gab el-Husseini auch nach 1945 nicht auf. Er meinte, die Araber
"sollten gemeinsam über die Juden herfallen und sie vernichten".
Schon 1952 bestärkte
er seinen entfernten Verwandten Yassir Arafat darin, sich zum Vorsitzenden
des Palästinensischen Studentenverbandes wählen zu lassen. Beide trafen und
besprachen sich noch Ende der 1960er Jahre regelmäßig; dabei scheint der
Mufti den Eindruck gewonnen zu haben, dass Arafat der geeignete Führer für
eine zukünftige palästinensische Nation sei. Als er 1974 in Beirut starb,
machten die Massen sein Begräbnis zu einer antijüdischen Kundgebung.
Die jordanische
Jerusalem Times veröffentlichte am 24. April 1961, kurz vor der
Eröffnung des Prozesses gegen Adolf Eichmann in Jerusalem, einen offenen
Brief an den Angeklagten. Der Mitorganisator der Vernichtung der
europäischen Juden habe "der Menschheit einen wirklichen Segen"
erwiesen, hieß es darin. "Dieser Prozess", so wurde weiter
angekündigt, "wird eines Tages mit der Liquidierung der verbliebenen
sechs Millionen [...] seinen Abschluss finden."
Es lassen sich noch
bis heute unzählige derartige Belege für den im Nahen Osten grassierenden
Antisemitismus und die fortlebende Affinität zum Nationalsozialismus und
seinem Projekt der Judenvernichtung finden. Nachdem sich Israel erfolgreich
gegen den Vernichtungswillen seiner Nachbarn gewehrt hatte, "setzte von
arabischer Seite zunehmende die Tendenz ein, den jüdischen Staat direkt mit
dem Nationalsozialismus zu vergleichen", schreiben die Autoren von
Halbmond und Hakenkreuz. Doch auch die Holocaustleugnung geht im Nahen
Osten ungebrochen weiter, beispielsweise im Iran, wo soeben eine Konferenz
von Leugnern und "Revisionisten" einberufen wurde.
Mallmann und Cüppers
zeigen aber auch auf, was alles zur Verharmlosung dieses Sachverhaltes
geschrieben wird, etwa wenn der "Antisemitismusexperte" Klaus Holz
behauptet, der muslimische Antisemitismus sei "in allen wesentlichen
Aspekten ein Import aus Europa". Und Ursache und Wirkung werden in
geradezu klassischer Weise auf den Kopf gestellt, wenn Wissenschaftler wie
Michael Kiefer argumentieren, der in der palästinensischen Nationalbewegung
aufkeimende Antisemitismus sei "zweifelsohne ein Reflex auf die
systematische Verdrängungspolitik" der Zionisten gewesen.
Die vorliegende
Studie analysiert darüber hinaus, dass Deutsche – und Österreicher – während
des Nationalsozialismus weit konkreter als bisher angenommen versucht haben,
die Juden Palästinas physisch zu vernichten und eine Staatsgründung des
Jischuv für alle Zeiten unmöglich zu machen. Ausführlich dokumentierten die
Autoren, dass diesem Unterfangen von arabischer Seite weitreichende und
aktive Unterstützung zuteil geworden wäre.
"Wiederholt hat die
Studie einen weiteren Zusammenhang hervorgehoben, der sich in den
Jahrzehnten seit Ende des Zweiten Weltkriegs auch im Nahen Osten immer
wieder bewiesen hat: Jegliche Aussicht auf Verständigung bricht dann ab,
wenn Prinzipien des zivilisatorischen Miteinanders aufgegeben und statt
dessen irrationale Denkweisen zur Grundlage des Handelns erhoben werden,
deren Kern darauf abzielt, menschliche Individuen oder gesellschaftliche
Gruppen mit der Zuschreibung angeblich ihnen anhaftender Eigenschaften zu
stigmatisieren. [...] Wenn Wissenschaft nicht mehr zwischen dem durchaus
berechtigten Interesse nach staatlicher Unabhängigkeit und dem Rückgriff auf
ressentimentgeladene Ideologeme wie dem Antiimperialismus, dem Antizionismus
oder dem Antisemitismus zu unterscheiden weiß, besteht die Gefahr, die
Differenzierung zwischen aufgeklärtem Denken und der Option auf einen Weg in
die Barbarei zu verlieren."
Klaus-Michael
Mallmann und Martin Cüppers ist es gelungen, ein sowohl wissenschaftliches
als auch leicht lesbares, spannendes Buch zu publizieren, das dokumentiert,
was so viele uns vergessen machen wollen: dass nämlich Amin el-Husseini, als
ein offizieller Vertreter der islamischen Religion und Führer der
palästinensischen Nationalbewegung, diese mit der rassistischen Ideologie
des deutschen Nationalsozialismus nicht nur als vereinbar, sondern geradezu
als übereinstimmend erklärte. Das 288 Seiten umfassende Buch verdient die
größtmöglichste Verbreitung.
* Aus: Die Verlängerung von
Geschichte. Deutsche, Juden und der Palästinakonflikt, Verlag Neue Kritik
hagalil.com
12-12-06 |