Martin Liepach / Gabriele Melischek / Josef Seethaler
(Ed.):
Jewish Images in the Media
relation n.s., Vol.2,
Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2007,
Euro 23,20
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Jewish Images in the Media:
Vom "ewigen Juden" zu X-Men
Jüdische Bilder oder
Bilder von Juden ist Thema eines Sammelbandes der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften, der sich einerseits sowohl mit der Darstellung von
Bildern und Stereotypen in den Medien, andererseits mit deren Umgang mit
Vorurteilen gegen Juden und Antisemitismus beschäftigt.
Die Beiträge widmen sich
unterschiedlichen Ländern und Zeiten, was einerseits eine interessante
Mischung von Themenkomplexen erzeugt, andererseits jedoch auch
ein wenig unstrukturiert wird. Dennoch enthält der Band wichtige Beiträge,
die zahlreiche wichtige Impulse für die Antisemitismusforschung geben
werden.
So etwa der erste Beitrag
von Nelly Elias und Julia Bernstein, der das Bild russischer Juden in
russischen, deutschen und israelischen Medien vergleicht. In allen drei
Ländern werden sie unter dem Stigma einer "doppelten Loyalität" definiert
und es scheint, wie die Autoren in ihrer Zusammenfassung erklären, dass die
Medien die vielschichtige Identität jener ethnischen Minorität nicht
akzeptieren können.
Philipp Webb untersucht
den Diskurs über Heimatlosigkeit im New York der vorletzten Jahrhundertwende
anhand von Zeitungen, Zeitschriften und Feuilletons, der antisemitische
Stereotype des "wandernden Juden", von Exil und Radikalität der christlichen
Konzeption von "Heimat" und Familie in der urbanen Realität gegenüberstellt.
Satirischen Darstellungen
von jüdischen Stereotypen widmen sich zwei Beiträge. Michaela Haibl kann in
ihrer Untersuchung "'Jüdischer' Visiotype in humoristischen Zeitschriften
des späten 19. Jahrhunderts" zeigen, dass die verwendeten Typendarstellungen
nicht nur überregional und in liberalen wie antisemitischen Publikationen
vergleichbar sind, sondern "im Kern unverändert und beliebig
weiterverwendbar" sind, wie man etwa an den Karikaturen der NS-Zeit und den
heutigen antiisraelischen Karikaturen sehen kann. Juden in türkischen
Karikaturen zwischen 1933 und 1945 analysiert Hatice Bayraktar. Die
satirischen Darstellungen der drei untersuchten Zeitschriften zeigen dabei
nicht nur die Ablehnung von Juden durch die türkische Öffentlichkeit,
sondern auch die negative Bewertung von "Nicht-Muslimen" im Allgemeinen.
Brigitte Sion präsentiert
ihre Auswertung von antisemitischen Leserbriefen an die Schweizer Medien in
Zusammenhang mit der Aufdeckung der schlafenden Konten in den Jahren 1995
bis 2002.
Linards Udris und Mark Eisenegger schlagen ein
neue Methode zur Erfassung von Antisemitismus in den Medien vor, erarbeitet
anhand der Analyse von Repräsentationen von Juden und Muslimen in 14
schweizerdeutschen Zeitungen und Radiosendungen. Einem Fallbeispiel widmen
sich Roland Schatz und Christian Kolmer in ihrer Medienanalyse der
Nachrichten von ARD und ZDF über den Zweiten Libanonkrieg. Die Autoren
zeigen, dass beide Kanäle Israel vornehmlich als Angreifer zeigen, während
die Hisbollah-Kämpfer ebenso marginalisiert werden wie die Opfer auf
israelischer Seite.
Die Beiträge des zweiten
Teil des Bandes untersuchen den Umgang von Stereotypen und Antisemitismus
durch die Medien. Eine historische Perspektive dazu liefert Kerstin von der
Krone mit ihrem Beitrag zur Berichterstattung über die Damaskus-Affäre von
1840 in der deutsch-jüdischen
Presse. Die Affäre war über ein Jahr Thema der jüdischen Presse und kann als
ein erster Höhepunkt der deutsch-jüdischen Pressegeschichte bezeichnet
werden. Dabei war die Berichterstattung innerhalb der jüdischen Presse für
die deutschen Juden "nicht nur eine wichtige Informationsquelle, sondern
auch ein Ort zur Diskussion über einzelne Elemente der Affäre".
Ruth E. Iskin vergleicht
die Reaktionen zu zwei stereotypen Darstellungen des jüdischen Bankers, in
dem sie die Medienberichterstattung zu Alphonse de Rothschilds Reaktion auf
die Darstellung seiner Person in Toulouse-Lautrecs Poster "Reine de joie"
dem Diskurs eines Wahlposters der israelischen Mapam Partei von 1955
gegenüberstellt. Auch zweites bediente sich dem Stereotyp des jüdischen
Bankers, wobei jedoch auch der "alte Juden" in der Diaspora karikiert wird.
Mit der Analyse jüdischer
Bilder in der britischen Propaganda-Kampagne gegen die Deutschen in den
Jahre 1938-39 nimmt sich die Autorin Stephanie Seul der Frage an, wieso es
in den Medien keinerlei Berichte über die "Kristallnacht" und die
Verschärfung der antijüdischen Politik der Nazis gab.
Ganz anderes Terrain
betritt Hanno Loewy mit seinem Beitrag über "X-men, Comic Culture and
Auschwitz Fantasies", wobei er den Einfluss der Schoah auf die Popularkultur
untersucht. Carsten Henning analysiert Repräsentationen der Schoah in
ausgesuchten Arbeiten von Steven Spielberg.
Den Abschluss des Bandes
bildet Elisabeth Küblers Beitrag über europäische Bemühungen der
Antisemitismus-Bekämpfung und die Rolle der Medien. Sie porträtiert dabei
haGalil onLine als praktisches Beispiel für den gelungen Versuch,
Antisemitismus durch Information und Bildung zu bekämpfen.
al / hagalil.com
15-05-08 |