Eli
Lasch:
Das Wunder von Gaza
Neue Welt Verlag 2007
Euro 19,90
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Hoffnung und Hoffnungslosigkeit:
Das Wunder von Gaza
Vorwort zum Buch von Ulrich Sahm
Dieses Buch ist "politisch nicht korrekt". Der 1929
in Hamburg geborene und 1936 mit seinen Eltern rechtzeitig dem
Nazi-Terror entkommene israelische Arzt bezeichnet sich selber als
Querkopf, der kein Blatt vor den Mund nimmt.
Wer an Klischees über das Leid der Palästinenser und die Grausamkeit der
israelischen Besatzung festhalten will, sollte dieses Buch nicht lesen,
gemäß dem Prinzip: "Stör mich nicht mit Fakten". Denn Dr. Lasch ist Arzt
und Mensch, dem Holocaust entwichen und stolzer Israeli, ethischen
Werten verpflichtet, Patriot und Abenteurer, der sich Herausforderungen
stellte, um sein Leben mit Sinn zu füllen. Nicht die Karriere an
Regierungskrankenhäusern interessierte ihn. Er wollte neue Horizonte
erkunden, ging nach Afrika und übernahm die fast unmögliche Aufgabe, im
israelisch besetzten Gazastreifen das Gesundheitswesen auf Vordermann zu
bringen.
Ohne Beschönigung beschreibt Lasch mit eindringlichen Beispielen den
Argwohn der palästinensischen Ärzte, die ihn für einen Agenten des
Geheimdienstes hielten, als "Jahud" (Jude) beschimpften und als
Repräsentant des "israelischen Feindes" boykottieren wollten. Der von
Ägypten geträufelte Hass nach dem Vorbild des "Stürmers" hatte sogar die
Kinder im Gazastreifen ergriffen, was bei Lasch abscheuliche
Erinnerungen an Nazideutschland hervorrief. Dennoch war er bereit, trotz
gespaltener Seele, tagsüber im Gazastreifen "Terroristen" zu behandeln,
und Abends im israelischen Krankenhaus frisch eingelieferte verwundete
Soldaten.
Lasch wandelte zwischen zwei Welten, wie sie gegensätzlicher nicht sein
könnten. Als Europäer, Israeli und Arzt wollte der "Generaldirektor des
Gesundheitswesens im Gazastreifen und im Sinai" die Kindersterblichkeit
senken und anderswo ausgerottete Krankheiten wie Polio und Masern
eindämmen oder ausmerzen. Warum er sich darauf einließ, dieses in Afrika
und später im übervölkerten Gazastreifen tat, hinterfragt er nicht
einmal. Es ist ihm ein höchstes Gebot, über das nicht diskutiert werden
muss.
Doch einfach nur Massenimpfungen zu verfügen oder ein Kinderkrankenhaus zu
errichten, brachte nichts. Wie die Windmühlen des Don Qichote zu
bekämpfen, galt es uralten Aberglauben, Feindseligkeit, Misstrauen,
politische Widerstände und vieles mehr zu überwinden. Lasch beschreibt
seine Fähigkeit, die konservative arabische Mentalität mit ihren eigenen
Schwächen zu schlagen, internationale politische Interessen außer Kraft
zu setzen, Flüchtlinge in ihrem Elend zu belassen, um besser als Waffe
gegen Israel benutzt zu werden. Er beschreibt aber auch seine Tricks,
die unerbittliche israelische Besatzungshierarchie per "kleinem
Dienstweg" zum Wohle frierender palästinensischer Kleinkinder zu
umgehen. Der "Jahud" verstand es sogar, die gehässigen Prediger in den
Moscheen gemäß jüdisch-biblischen Prinzipien für seine humanitären
Projekte zugunsten palästinensischer Frauen und Kinder einzuspannen.
Niemand kommt gut weg in seiner Beschreibung der Zustände im Gazastreifen,
wo er als Arzt der Besatzungsmacht zwischen 1973 und 1985 eine wahre
Revolution zustande brachte. Allen Widerständen zum Trotz, von
obrigkeitshörigen palästinensischen Ärzten über misstrauische
"Großmütter", bis hin zu "Vorgesetzten" aus dem militärischen Regiment
der Besatzer, gelang es Lasch, auch in den Köpfen der Mütter,
Neugeborene in lebenswerte Menschen zu verwandeln. Eindringlich
beschreibt er seinen Kampf. Krankhäuser sollten nicht mehr nur die
Endstation für todkranke Babies sein. Schnupfen, Fieber, Durchfall,
Masern und sogar Polio könnten durch Prävention verhindert werden oder
gar heilbar sein. Für den Westeuropäer ist es fast unglaublich und
faszinierend zu lesen, auf welche Widerstände "Selbstverständlichkeiten"
stoßen können, nur weil eine uralte Kultur Änderungen kaum zulässt.
Dr. Lasch ist bestens bewandert in der Politik des Nahen Ostens. Er bietet
keine Lösungsvorschläge, weiß aber genau, wo alles ganz entscheidend
krankt und wo die Menschen in ekelhafter Weise für politische Zwecke
ausgenutzt werden. Er hat am eigenen Leib eine arabische Mentalität in
Gaza erlebt, die sich seit 3000 Jahren mit den unterschiedlichsten
Besatzern arrangierte. Er erfuhr die Überheblichkeit der israelischen
Besatzer. Als Arzt und Mensch mit klaren ethischen Vorsätzen setzte er
sich über Mentalität, persönliche Hemmschuhe und objektive
Schwierigkeiten hinweg und ging stur seinen Weg. Frustriert stellte er
fest, dass seine Erfindung eines primitiven Brutkastens für
Frühgeburten, einfach und billig konstruiert, inzwischen zum Standard
der Welt-Gesundheits-Organisation in allen Entwicklungsländern wurde.
Doch nirgendwo wurde erwähnt, dass die Erfindung von einem israelischen
Besatzungsarzt im Gazastreifen stammte. Gleichzeitig wird Israel weiter
für alle Missstände verantwortlich gemacht. "Schade, dass ich kein
Patent angemeldet habe", schreibt er entmutigt und andererseits stolz,
Millionen Neugeborenen in der Dritten Welt das Leben gerettet zu haben.
Seine Ausführungen sind deshalb so überzeugend, weil er gar nicht erst
versucht, altbekannte Klischees zu bedienen. Lasch hatte als Arzt
direkten Kontakt zu den Menschen und lernte so ihre Schwächen und
Stärken kennen. Vordergründig könnte man meinen, dass dieser Mediziner
ganz unpolitisch die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen beschreibt. Doch
seine ein-dringlichen Analysen liefern ein tiefgründiges Psychogramm
aller agierenden Mächte im Nahen Osten, der Araber, der Israelis aber
auch der UNO-Flüchtlingshilfeorganisation, die längst ein Eigeninteresse
entwickelt hat, die Flüchtlinge in ihrem Elend zu belassen, um nicht
Chefposten mitsamt Dienstwagen, Chauffeuren und fetten UNO-Gehältern zu
verlieren.
Dr. Lasch beflügelt vielleicht jene, die daran glauben, dass extravagante
Persönlichkeiten die Welt verändern können und dass ein entsprechendes
Maß an Mut ganze Berge überkommener Missstände zum Bessern versetzen
könnte. Doch Lasch beschreibt auch die enormen mentalen Differenzen
zwischen Palästinensern und Israelis, Arabern und der westlichen Welt.
Er provoziert Nachdenken.
Dr. Lasch ist es gelungen, die Kindersterblichkeit im Gazastreifen vom
Niveau der ärmsten Entwicklungsländer weit unter die Vorgaben der WHO
(Welt-Gesundheits-Organisation) auf nur noch 20 von Tausend Geburten zu
senken. Doch seine Beschreibungen sind repräsentativ für alle anderen
Probleme, die den Nahostkonflikt unlösbar erscheinen lassen. Dr. Lasch,
sein Lebenswerk, wie auch seine aufopfernde Menschenliebe mögen beim
Leser die Hoffnung auf Frieden stärken. Aber Lasch beschreibt auf Grund
seiner persönlichen Erfahrungen letztlich das ganze mentale Umfeld, das
eine Verständigung zwischen den Konfliktparteien so unendlich schwierig
macht. Ganze Welten stoßen da aufeinander.
Lasch hat vorgelebt, wie man die Kindersterblichkeit spürbar senken und
Polio ausrotten kann, trotz weltweiten Widerständen. Aber implizit hat
er aufgezeichnet, dass ein echtes friedliches Nebeneinander fürchterlich
kompliziert ist und viel Feingefühl erfordert, wie es eben nur
ungewöhnliche Menschen wie dieser selbsternannte Querdenker und Exot
zustande bringen kann.
Dr. Lasch liefert keine Gesamtanalyse des Nahostkonflikts. Aber seine
persönlichen Einblicke erklären die bestehenden Probleme besser als so
manche Darstellung namhafter politischer Autoren. Dr. Lasch hat die
Menschen selbst getroffen, beschreibt treffend ihr Funktionieren und
ihre Probleme. Auch wenn er ein Vorbild für Konfliktbewältigung ist und
dafür fast den amerikanischen "Nobelpreis" erhalten hätte, wenn
arabische Staaten nicht Protest erhoben hätten, so hat er dennoch eine
nicht gerade optimistische Analyse zu Papier gebracht. Die kulturellen,
geschichtlichen und mentalen Differenzen zwischen Palästinensern und
Israelis sind so enorm, dass es noch vieler Pioniere wie Dr. Lasch
bedarf, um Brücken zu bauen. Das ermutigt einerseits, lässt aber auch
Hoffnungslosigkeit aufkommen, wenn man bedenkt, dass seit Ausbruch der
Zweiten Intifada im Jahr 2000 wieder vieles von dem zerstört wurde, was
Dr. Lasch aufgebaut hat.
Auf der internationalen Tagesordnung steht nicht mehr eine Senkung der
Kindersterblichkeit im übervölkerten Gazastreifen, sondern vielmehr das
Leid der Menschen dort nach dem Rückzug Israels und der Beendigung der
Besatzung. Dr. Lasch hat eindringlich beschrieben, daß politische
Organisationen, darunter auch die UNO, kein Interesse haben, den
Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen, sondern oft aus
propagandistischen Gründen ihrem Elend sogar nachhelfen.
Deshalb bietet die Lektüre seines Buches nicht nur tiefe Einblicke,
sondern Hoffnung und Hoffnungslosigkeit zugleich.
Von Hamburg nach Gaza:
Ich bin ein
Israeli und stolz darauf
Teil 1 aus dem Ersten Kapitel: "Der
Flüchtling":
Ich wurde im Jahre 1929 in Hamburg geboren, das zweite Kind einer
gutbürgerlichen und alteingesessenen Familie. Mein väterlicher Großvater war
Direktor und Mitgründer einer großen Bank, der mütterliche Inhaber eines
großen Modegeschäftes...
Das Gefühl der Sicherheit verloren:
Deutschland
verlassen!
Teil 2 aus dem Ersten Kapitel: "Der Flüchtling": Wir befinden uns im Jahre
1935. Meine Eltern wurden immer verunsicherter. Obwohl sie versuchten, uns
ihre Besorgnis so gut es ging zu verheimlichen, wurde sie doch immer
spürbarer...
Papa bleibt deutsch:
Familienleben
auf der Flucht
Teil 3 aus dem Ersten Kapitel von "Das Wunder von Gaza" - Was
unser Familienleben anbelangt, so sahen wir meinen Vater während der Woche
meist nur, wenn wir etwas verbrochen hatten...
Der große Tag:
Khaf-Tet
beNovember
Die Tragödie um die Exodus war der Anfang vom Ende des
britischen Mandats. Am 29.11.1947 war unser großer Tag...
Weitere Informationen und Leseproben des Neue Welt Verlags
hagalil.com
05-02-07 |