Clemens Heni:
Salonfähigkeit der Neuen Rechten
"Nationale Identität", Antisemitismus und Antiamerikanismus in der
politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1970-2005: Henning
Eichberg als Exempel
Tectum Verlag 2007
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Henning Eichberg:
National,
pazifistisch und total identisch
Der Politikwissenschaftler Clemens Heni legt eine Studie über den
Vordenker der "Neuen Rechten" vor...
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Salonfähigkeit der Neuen Rechten:
Henning Eichberg als Exempel
Clemens Heni entschlüsselt die Propagandaarbeit eines Vordenkers der
"Neuen Rechten"
Von Martin Jander
Sie kommen nicht selten ganz aus der Mitte der bundesrepublikanischen
Gesellschaft. Sie sind, wie zum Beispiel Hennig Eichberg, der in diesem
Buch von Clemens Heni vorgestellt wird, Vordenker und/oder Organisatoren
des Rechtsextremismus in Deutschland und sind meist nur einer Schar von
Verfassungsschützern und Antifa-Aktivisten bekannt. Um eben das zu
ändern, entstand diese voluminöse Detailstudie über einen der wichtigen
Vordenker des Rechtsextremismus in Deutschland.
Eichberg wurde in Swidnica (heute Polen) geboren, studierte Geschichte und
Soziologie in Bochum und Hamburg. 1970 reichte er seine Promotion (Militär
und Technik. Schwedenfestungen des 17. Jahrhunderts …) ein. Sechs Jahre
später habilitierte er sich (Leistung, Spannung, Geschwindigkeit. Sport und
Tanz im gesellschaftlichen Wandel des 18./19. Jahrhunderts). Eichberg hat
bis heute mehr als zwanzig Monographien verfasst und ca. 300 Artikel
geschrieben. Er ist, nach einigen Gastprofessuren, heute
Forschungsmitarbeiter der Universität Sydansk und bezeichnet sich als
deutscher "Exilant" in Dänemark.
Eichberg wurde in den 50er Jahren im Umfeld des Alt-Nazis Otto Strasser und
seiner Partei DSU (Deutsch Soziale Union) groß und befreundete sich in den
60er Jahren mit dem Ex-SS-Hauptsturmführer Arthur Erhard, der ein
Mitbegründer des rechtsradikalen Theorieorgans "Nation Europa" war. Am
Anfang der 70er Jahre war er im Umfeld der "Aktion Widerstand" aktiv (Motto:
Brandt an die Wand), deren Aktivitäten sich gegen die Ostpolitik Willy
Brandts richteten, insbesondere gegen die Anerkennung der Westgrenze Polens
und die Gespräche mit der DDR. 1972 verfasste Eichberg das Gründungsmanifest
der "Aktion Neue Rechte". Seit 1975 behauptet er, er habe sich von der
Rechten getrennt. Clemens Heni kann in seinem Buch zeigen, dass dies nicht
zutrifft. Eichberg hat seine Anstrengung der Theoriebildung für die "Neue
Rechte" nur umprofiliert.
Die
Bedeutung Hennig Eichbergs für die "Neue Rechte" liegt, so Clemens Heni,
gerade in dieser Umprofilierung. Eichberg hat theoretisch seit Mitte der
70er Jahre den Weg vorgezeichnet, den heute die meisten der rechtsradikalen
Gruppierungen und Bewegungen in der Bundesrepublik gehen. Sie suchen über
die Aufnahme "linker" Argumentationsmuster ihr Aktionsfeld und ihren
Resonanzboden in der Gesellschaft zu erweitern. Was mit dem Auftauchen von
Horst Mahler und Bernd Rabehl im Umfeld der NPD für eine breitere
Öffentlichkeit erst am Ende der 90er Jahre sichtbar wurde, hat Eichberg
lange vorher, vor allem als Autor der Zeitschrift "Wir selbst" (sie hat ihr
Erscheinen 2002 eingestellt) vorformuliert. Die Umrisse eines völkischen,
antisemitischen und antiamerikanischen Antikapitalismus werden sichtbar,
dessen Unterstützung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft weit über
seine bisherigen Wahlerfolge hinausgeht.
Die
große Leistung von Clemens Heni besteht darin, den Weg der Umprofilierung
Eichbergs vom Rechtsradikalen alter Couleur zu einem völkischen
Antikapitalisten neuer Couleur nachzuzeichnen (seit 2004 arbeitet er an der
Zeitschrift "Volkslust" mit), die Quellen dieser Umorientierung zu benennen
und die Bedeutung der "Neuen Rechten" im Kontext der gegenwärtigen Umbrüche
und Entwicklungen in der Bundesrepublik zu analysieren. Das Gerede von der
"nationalen Identität" hat die Mitte der Gesellschaft längst erreicht. Die
"Neue Rechte" ist salonfähig geworden.
Die
"Salons", die Henning Eichberg zur Verfügung standen und stehen sind
vielfältig. Da ist zunächst die Sportwissenschaft, in der Eichberg seit 1974
eine nicht unbedeutende Rolle mit Publikationen und Ehrungen spielt.
Weiterhin sind bedeutende Beziehungen in der Linken zu verzeichnen. Eichberg
war nicht nur Mitarbeiter unterschiedlicher linker Publikationsorgane (u. a.
"Ästhetik und Kommunikation") er beriet auch die dänische sozialistische
Volkspartei. Willkommen hießen ihn auch konservative Medienleute, die
Eichberg darin unterstützten seine ethnopluralistische Idee von nationaler
Identität zu publizieren. Auch die Kulturwissenschaft/Germanistik bot
Eichberg häufig bereits Podien, die er freudig nutzte. Darüber hinaus sind
es nicht zuletzt Historiker, wie zum Beispiel Dieter Langewiesche, die den
rechtsradikalen Vordenker einladen und ihm die Chance ermöglichen für seine
Ideen zu werben.
"Einerseits" – so Heni am Ende seiner Arbeit – "sind Deutsche wieder
zunehmend darauf stolz welche zu sein; andererseits und komplementär dazu
erscheinen sie nun häufig als Opfer der Geschichte, als Opfer der Nazis
– so als ob der Nationalsozialismus nichts genuin Deutsches gewesen wäre -,
der Alliierten oder der Umerziehung. Gegenwärtig tauchen sie oft als
Opfer wahlweise amerikanischen Unilateralismus, der Moderne und ihrer
Zumutungen oder der Globalisierung (Heuschrecken) auf. Die
neue Rechte und der Rechtsextremismus insgesamt stehen dazu in direkter
Beziehung. Schlagworte wie Nationale Identität oder Liebe zu den
Völkern versuchen auf regressive Weise Modernisierungsschüben und
desintegrativen Effekten der Globalisierung zu begegnen. Schließlich
ist ein unbekümmerter Kulturrelativismus (…) dabei, die politische Kultur
der Bundesrepublik wie auch Europas zu bestimmen. Eichberg ist ein Rad
dieses affirmativen Getriebes."
hagalil.com
27-03-07 |