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Halil Ibrahim Hammad, Gabriele H. Baumann:
Terra sancta?
Ein Leben zwischen Palästina und Europa

Drava Verlag 2003
Euro 18,00

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Ein Leben zwischen Palästina und Europa:
Die tragische Geschichte eines Palästinensers

Rezension von Karl Pfeifer

Halil Ibrahim Hammad (HIH), kam 1951 als junger Medizinstudent nach Österreich und hoffte hier sein Studium zu beenden. Die Grazer Ärztin Gabriele H. Baumann hat die nicht alltägliche Geschichte dieses arabischen Palästinensers veröffentlicht.

In der Regel lesen wir nur von denen, die es geschafft haben erfolgreich zu sein, dieses Buch aber beschreibt das Scheitern eines Menschen. Kurz vor seinem Tod erklärte Hammad: "Jetzt, wo ich fast am Ende meines Lebens meine Heimat Palästina auch in meinem Herzen aufgegeben habe und in aller Form Österreicher geworden bin, habe ich das verzweifelte Verlangen, ganz mit meiner Vergangenheit zu brechen. Gestern bin ich in aller Form und im kleinen Kreis von ein paar Freunden zum katholischen Glauben übergetreten." 2000 starb Halil Ibrahim Hammad und die Stadt Graz bezahlte ein Armenbegräbnis.

HIH studierte Medizin an der Amerikanischen Universität in Beirut, doch mehr als die Medizin interessierte ihn die Politik. Als Mitglied einer linken, der Libanesischen Kommunistischen Partei nahestehenden Studentengruppe, erhielt er den dringenden Rat sein Studium anderswo fortzusetzen. HIH war 26 Jahre alt als er 1951 in Wien ankam. Hier erwartete ihn ein Kulturschock. Noch pflegte er den Umgang mit arabischen kommunistischen Studenten. Doch als er erfuhr, dass einige von diesen ihre Vermieter in der sowjetischen Zone erpressten und er von einem "Genossen" eine Warnung erhielt, da wechselte er im Winter 1953 lieber nach Graz, in die britische Zone.

Das Medizinstudium machte auch hier nur zähe Fortschritte, denn er interessierte sich immer noch eher für Politik, obwohl er nach der Erfahrung in Beirut sich nicht mehr damit befassen wollte. Er wurde zum Präsidenten des arabischen Studentenvereins in Graz gewählt: "Meine Landsleute, die so wie ich in dieser Stadt wohnten, machten mich zu ihrem Anführer, und ich übersah dabei, dass meine Ideen mit ihren Vorstellungen nichts zu tun hatten." HIH schildert unvoreingenommen seine österreichische Umgebung, die sich so sehr von der traditionellen arabischen unterscheidet. Er schont sich nicht und macht für sein Scheitern nicht "die Gesellschaft", "Österreich" oder gar "die Juden" verantwortlichen.

Seine Familie in Ramallah erwartet, dass er als erfolgreicher Arzt zurückkehrt, doch es gelingt ihm nicht dieser Anforderung gerecht zu werden. Schritt für Schritt beschreibt er sein Versagen. Bevor er 1966 seine letzte Reise in den von Jordanien besetzten Teil Palästinas unternahm - so erzählt es HIH erhielt er das Angebot der PLO ihr "Finanzminister" zu werden, doch er lehnt ab. Er begeistert sich im Gegensatz zu den meisten Arabern nicht für den ägyptischen Diktator, für Gamal Abd an Nasir. "Auf meiner letzten Reise in den Nahen Osten traf ich viele, deren Gedanken, um ihren Bauch kreisten, die fett und geplagt von Selbstmitleid auf ihren Teppichen und Pölstern lagen, und sich trotzdem für tapfere, unbezwingbare Krieger hielten, Flüche gegen Israel ausspuckten, drohten, die Juden aus Palästina zu vertreiben, selbst aber kaum vom Tisch zum Bett gehen konnten." Solche scharfe Kritik hört man selten aus arabischem Mund.

Sehr lebhaft geht es im ersten Teil des Buches zu, wo er mit der abenteuerlichen Geschichte seiner Familie beginnt. Se non è vero, è ben trovato. Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden. Kann man es HIH verdenken, wenn er seine Jugend in idyllischen Farben zeichnet?

Genau beschreibt er das Internat der Franziskaner in Jerusalem, "Terra sancta", in der King George Straße, wo "es keine Bastonade" gab, "wie sie in den arabischen Schulen gang und gäbe war." Vielleicht waren es auch diese Jugenderinnerungen, die ihn, einen Moslem kurz vor seinem Tod dazu bewegten, zum Katholizismus zu konvertieren. HIH besuchte zuvor eine Koranschule, in der keine Fehler gemacht werden durften, "sonst wurden uns die richtigen Wort mit der Falaqa, der Bastonade, in das Gehirn geprügelt. Zwei Jahre lernte ich auf diese Art den Koran, Silbe für Silbe, Wort für Wort."

Er schildert die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Juden, zum Beispiel wie er aus einem Hinterhalt auf jüdische Dorfbewohner schoß und wie entsetzt die teilnehmenden jordanischen Beduinen waren, als sie merkten, dass sie auf Frauen geschossen hatten. "Beduinen töten keine Frau! Das ist ein ungeschriebenes Gesetz! Sie würden ihre Ehre verlieren, ein Tabu verletzen! Wir anderen besitzen diese Hemmung nicht. Wir töten auch die vierte Frau. Sie konnte nicht entkommen."

HIH schildert die blutigen Kämpfe am "7 März 1948" [in der Zeittafel ist das Datum richtig mit 7. April angegeben] um Al-Qastal westlich von Jerusalem, wo der Anführer Abd-al-Qadir al-Hussayni, der Cousin des berüchtigten Nazikollaborateurs Hadj Amin al-Hussayni, fiel. Bei diesen Kämpfen wurden viele Araber verletzt und HIH fragt, wie es denen erging, "die keine Verwandten hatten, niemanden, der sich um sie kümmerte? Und er erzählt von einem Bekannten, der von einer Kugel getroffen wurde. "Der arabische Arzt, Sohn einer der bekanntesten Familien in Tiberias, weigerte sich, ihn zu behandeln. Er sagte: >>Wer bezahlt mich, wenn ich ihn behandle?<< Ich bin mir sicher, Doktor Jussimov oder Doktor Steiner, die beiden jüdischen Ärzte hätten sich" um seinen Bekannten gekümmert, "aber die durften wir nicht fragen."

Das vorliegende Buch erhebt nicht den Anspruch der Objektivität, trotzdem werden es hier einige so lesen, als ob alles, was Hammad schildert, sich auch genau so ereignet hätte.

Zum Beispiel der neunte April 1948: "An diesem Tag ging ein Aufschrei durch Jerusalem und alle Einwohner dieser Stadt strömten zu der Mauer. Auch ich stand auf diesem Wall und musste sehen, was ich lieber nicht gesehen hätte. Auf der Ladefläche jüdischer Lastwagen wurden junge palästinensische Mädchen nackt vor den Mauern von Jerusalem hin- und hergefahren." Hier setzt er das Gegenstück zu der beduinischen Ehre, die es verbietet auf Frauen zu schießen und unterstellt Juden sich nicht mit dem Massaker in Deir Yassin begnügt, sondern auch noch die Überlebenden entwürdigt zu haben.

Ich habe die zu den "Neuen Historikern" zählenden israelischen Historiker Avi Shlaim und Prof. Benny Morris, der eines der gründlichsten Bücher über das Entstehen des palästinensischen Flüchtlingsproblems 1947-49 schrieb, dazu befragt. Shlaim wußte nichts von "nackten Mädchen" und Morris antwortete: "diese Geschichte ist eine reine Erfindung."

Auch Sharif Kanaana, von der arabischen Universität Birzeit, der im April 1998 einen Vortrag hielt, in dem er den letzten Stand der Forschung schilderte, hat keine "nackten Mädchen" festgestellt. Im Gegensatz zu der Behauptung von Hammad, der von 254 Opfern in Deir Yassin sprach, meint dieser arabische Forscher (und die beiden Israelis) es handelt sich um rund einhundert Opfer. Das soll und kann nicht dieses Verbrechen entschuldigen, das unter den Juden allgemeine Empörung hervorrief.

Der Rezensent hofft mit Gabriele H. Baumann, dieses Buch könnte "einen Beitrag dazu leisten, die Menschen im "Heiligen Land" ein bisschen besser zu verstehen. Denn eines verbindet diese Menschen über alle Grenzen hinweg: Der Wunsch nach Heimat, wo sie in Frieden ein menschenwürdiges Leben führen können, und die Angst, diese zu verlieren."

hagalil.com 16-10-03











 

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