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Nichts wissen wollen:
Die Biographie des "Judenretters" Hermann Gräbe

Von Frank Pieper
Junge Welt, 31.12.2002
 

Douglas K. Huneke: In Deutschland unerwünscht.
Hermann Gräbe – Biographie eines Judenretters.
Dietrich zu Klampen Verlag, Lüneburg 2002
24 Euro

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Das Leben eines der wenigen Deutschen, die Juden vor dem Holocaust gerettet haben, müßte große Aufmerksamkeit erregen – sollte man meinen. Dem ist aber nicht so! Jahrzehntelang wollte niemand etwas über Hermann Friedrich Gräbe wissen – erst jetzt ist seine bereits 1985 erschienene Biographie von Douglas K. Huneke auch auf deutsch zu haben.

Als Bauingenieur wurde Gräbe in Sdolbunow (bei Rowno) im ukrainischen Wolhynien vor allem für die Instandhaltung von Gleisanlagen eingesetzt. Durch Beschäftigung jüdischer Arbeitskräfte, Fälschung von Papieren, immer neuen Baustellen, zwischen denen er »seine« Arbeiter hin und her verschob, konnte Gräbe viele dem Zugriff der Mörder entziehen.

Gräbe wurde Zeuge der Massaker an der jüdischen Bevölkerung Rownos und Dubnos, bei der jeweils 5000 Menschen ermordet wurden. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß sagte er darüber aus. Der Gebietskommissar, der unter anderem für Gräbes Baustellen zuständig war, Georg Marschall, wurde aufgrund von Gräbes Aussagen wegen der Erhängung eines Juden angeklagt. Seine Unterstützung für die zahlreichen Massaker durch SS-Einsatzgruppen und ukrainische Milizen gelangte hingegen nicht vor Gericht. Für den Mord an dem einen Juden wurde er im ersten Prozeß zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt. Im Revisionsverfahren 1966/67 arbeitete Marschalls Anwalt mit Verleumdungen des Hauptbelastungszeugen, dessen Glaubwürdigkeit er erschüttern wollte. Auch wenn das Gericht ihm dabei nur teilweise folgte, ging die Taktik auf. Marschall sei nur der Beihilfe schuldig. Er wurde zu fünf Jahren verurteilt, die mit der bisherigen Haftzeit abgegolten waren.

Mit dem Vormarsch der Roten Armee wurde die Lage für Gräbes Baukolonnen immer prekärer, auf wundersame Weise gelang es ihnen, sich unter Ausnutzung der Kriegswirren bis nach Westdeutschland durchzuschlagen, wo sie sich von der US-Armee überrollen ließen. Gräbe hatte es in den Jahren zuvor wieder und wieder geschafft, von deutschen Behörden, der Wehrmacht, aber auch von NSDAP-Stellen Ausnahmegenehmigungen für seinen Bautrupp zu erhalten, da er wehrwirtschaftlich relevante Bauaufträge auszuführen habe.

Nicht weniger interessant als die Rettungsaktionen ist der Umgang mit Gräbe nach 1945, mit dem sich zwei neuere Beiträge im Anhang des Buches befassen. Während Gräbe international hoch geehrt wurde – 1965 in Yad Vashem als »Gerechter unter den Völkern« –, wollte in Deutschland bis in die 90er Jahre niemand etwas von dem »Nestbeschmutzer« wissen. Bereits 1948 sah er sich gezwungen, in die USA zu emigrieren. Als Zeuge im bereits erwähnten Marschall-Prozeß wurde er nicht nur vom Anwalt des Angeklagten verleumdet. Der Spiegel übernahm 1965 fast komplett dessen Version. In seiner Heimatstadt griff das »Solinger Tageblatt« die Beschuldigungen des Spiegels begierig auf. Der Artikel gipfelte in der Forderung nach Wiederaufnahme der Verfahren des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses. Von den NS-Verbrechen wollte man nichts mehr wissen, der Schlußstrich, darin waren sich die meisten einig, sollte endlich gezogen werden. Dieses Klima wandelte sich erst später; in den 90er Jahren gedachte dann auch Solingen Gräbes mit einer Gedenktafel an seinem Geburtshaus. Nachdem Gräbe in den 60er Jahren in Prozessen ausgesagt hatte, besuchte er Deutschland nie wieder. Am 17. April 1986 starb Hermann Friedrich Gräbe in den USA.

hagalil.com 31-12-02











 

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