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Hanno Loewy (Hrsg.):
Gerüchte über die Juden.
Antisemitismus, Philosemitismus und aktuelle Verschwörungs-theorien
Jüdisches Museum Hohenems, Klartext Verlag 2005
Euro 22,90

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Gerüchte über die Juden:
Antisemitismus, Philosemitismus und aktuelle Verschwörungstheorien

Eine Rezension von Karl Pfeifer

Das von Hanno Loewy, Direktor des jüdischen Museums in Hohenems, herausgegebene Sammelwerk versucht einer breiten Palette von Themen gerecht zu werden.

Die bekannte Berliner Antisemitismusforscherin Juliane Wetzel berichtet über "Antisemitismus in Europa" Zwischen Tradition und Einwanderung – neue Tendenzen und alte Diskussionen. Sie hat mitgearbeitet an der Antisemitismusstudie der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Xenophobie (EUMC) Wien und berichtet über diese Studie und über ihre Folgen sowie über die Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft. Juliane Wetzel zeigt den Unterschied zwischen Rassismus und Antisemitismus und beschäftigt sich auch mit den heiklen Problemen des "Antisemitismus in den Zuwanderergesellschaften" sowie "Antisemitismus in globalisierungskritischen Bewegungen und im Mainstream". Sie schließt ihren äußerst lehrreichen und aktuellen Artikel mit der Erkenntnis, "dass Antisemitismus nicht durch Programme im Schnelldurchlauf bekämpft werden kann."

In seinem Beitrag "Die Diaspora, Israel und der ubiquitäre "Kampf der Kulturen" zitiert Hanno Loewy Jean-Paul Sartre "Trotz alledem haben die Juden einen Freund – den Demokraten. Aber er ist ein armseliger Verteidiger", um dann die ganze Schwäche der links-liberalen Argumentation aufzuzeigen.

Thomas Haury analysiert in "...ziehen die Fäden im Hintergrund" No-Globals, Antisemitismus und Antiamerikanismus", das was üblicherweise als "linker Antisemitismus" bezeichnet wird. Wer dieses Phänomen verstehen will, der muss diesen hervorragend dokumentierten Beitrag lesen, in dem auch die Berührungspunkte des rechtsextremen und des linken Antisemitismus gezeigt werden. Es überrascht überhaupt nicht, dass dabei österreichische Gruppen und Personen eine herausragende Rolle spielen.

Monique Eckmann behandelt "Antisemitismus im Namen der Menschenrechte?" Migration, europäische Identitäten und die französische Diskussion. Gerade in Frankreich "wird seit Ende der neunziger Jahre eine zunehmende Ethnisierung sozialer Konflikte konstatiert." Besonders aktuell ist ihre Feststellung: "Seit Jahren findet in Frankreich z.B. eine Polemik zwischen Sozialwissenschaft und Politik statt, wie die Delinquenz, darunter auch Rassismus und Antisemitismus, bei Jugendlichen mit migrantischem Hintergrund einzuschätzen sei. Linken und Sozialwissenschaftlern wird vorgehalten, nur die Diskriminierungen aufzuzeigen, denen Jugendliche aus Migrantenfamilien ausgesetzt sind und nicht wahrzunehmen, dass diese Jugendlichen auch Urheber von Gewalt, durchaus rassistischer Art sein können."

Treffend bemerkt sie: "Für viele Juden und Jüdinnen in Europa ist es (wieder?) schwierig geworden, im alltäglichen Leben über Judentum und Israel zu sprechen. Verlegenheit, betretenes Schweigen, vielsagende Blicke, Druck zur Rechtfertigung – viele fühlen sich isoliert und vermeiden es sorgfältig, sich als Juden auszugeben, oder über Israel zu sprechen. Viele wagen nicht, ihre Meinung offen zu sagen, oder fühlen sich verpflichtet, Israel zu kritisieren, das sie befürchten, sonst auf Ablehnung bei Kollegen oder Freunden zu stoßen."

Astrid Messerschmidts Beitrag "Antiglobal oder postkolonial?" befasst sich mit "Globalisierungskritik, antisemitische Welterklärungen und der Versuch, sich in Widersprüchen zu bewegen".

Kurt Greussings Arbeit "Von den Judenbildern des Koran zum modernen islamischen Antisemitismus" belegt, das was die meisten mainstream Medien sorgfältig verschweigen und stellt fest:

"Heute ist Antisemitismus in islamischen Ländern, was er in Mittel- und Osteuropa spätestens ab der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gewesen war: ein Teil der kulturellen Normalität, ein Stück nicht weiter reflektierter Alltagskultur. Das gilt wohl auch für einen nicht näher bestimmbaren Teil der moslemischen Migranten in Westeuropa. Dabei ist da wie dort die reale Präsenz von Juden nicht entscheidend. Sie dienen als Projektionsfläche zur Erklärung von Rückständigkeit, Machtlosigkeit, unabwendbarer, undurchschaubarer Herrschaft. Der Kampf gegen sie wird zum zentralen Motiv religiöser Mobilisierung und zum Symbol für die erhoffte Befreiung von materieller Not und (neokolonialer) politischer Abhängigkeit."

Zafer Senocak resümiert in seinem kurzen und gedankenreichen Text "Türken und Juden":

"Eine Sensibilisierung gegenüber den dunklen Kapiteln sowohl der eigenen als auch der deutschen Geschichte ist für die – nicht nur türkischen – Zuwanderer unerlässlich. Dabei würde auch die eigenen xenophoben und antisemitischen Kapazitäten offengelegt und nicht auf "politisch korrekte" Weise verschwiegen. Für die Generationen "danach" geht es ja nicht um die Frage der Schuld, sondern um die Bürde der Verantwortung, die Geschichte jedem Einzelnen auferlegt."

Bernd Fechlers Beitrag "Antisemitismus im globalisierten Klassenzimmer" über "Identitätspolitik, Opferkonkurrenzen und das Dilemma pädagogischer Intervention" sollte nicht nur für jeden Pädagogen Pflichtlektüre sein, denn er hat kein Lösungspatent, sondern stellt Fragen, die zum Denken anregen.

Werner Dreier beleuchtet in seinem Beitrag den Antisemitismus in Österreich insbesondere im Schulbetrieb und sogar in Schulbüchern. Seinen Artikel illustriert er mit einer unglaublichen Karikatur aus einer Grazer Tageszeitung.

Richard Bartholomew prangert "Eine seltsam kalte Zuneigung" an. Er befasst sich mit christlichem Zionismus, Philosemitismus und "die Juden". Seine Schlussfolgerung: "Solange Juden bloße Figuren in jemandes anderen Geschichte bleiben, kann es keinen wirklichen Dialog und keine wirkliche menschliche Begegnung zwischen Juden und Christen geben. Doch wirkliche menschliche Begegnung ist der einzige Weg, auf dem Antisemitismus endlich ausgetilgt werden kann."

Frank Stern setzt sich mit Mel Gibsons Jesus Film kritisch auseinander.

Yves Kugelmann stellt in seinem Beitrag über die Schweiz fest: "Juden werden auch hierzulande immer noch negativer und positiver bewertet als andere Menschen in gleichen Situationen, werden positiv und negativ ausgegrenzt, und Normalität zur jüdischen Minderheit existiert nach wie vor nicht. Überspitzt gesagt: Die einen wollen die Juden jetzt loswerden, die anderen irgendwann in der fernen Zukunft im Umfeld von Endzeitverheißungen, sobald sie die Juden nicht mehr brauchen.

Juden können wählen zwischen Antisemitismus, Philosemitismus und Gleichgültigkeit. "

Ruth Ellen Grubers Beitrag "Kitsch-Juden", zeigt wie Juden von der Gebrauchskunst und Souvenirindustrie dargestellt werden.

Holger Gehle setzt sich mit Martin Walsers Roman "Tod eines Kritikers" kenntnisreich auseinander.

Moshe Zuckermann bringt in seinem Beitrag "Zwischen Israelkritik und Antisemitismus" folgendes Pauschalurteil an: "Juden, will es scheinen, haben deutsche Antisemitismuskritiker nie konkret interessiert. Juden wurden (und werden) von ihnen stets abstrahiert beziehungsweise in ferne Regionen außerhalb des unmittelbaren lebensweltlichen Blickfelds und Zusammenhangs delegiert. So sind Juden als "sechs Millionen" vernichtete Schoah-Opfer, als exemplarische Holocaust-Überlebende (möglichst im Ausland), als Träger untergegangener Lebenswelten und Kulturen (vorzüglich im klezmerbeseelten Osteuropa) oder eben als "wehrhafte Israelis" im "zionistischen Zufluchtsland des jüdischen Volkes" argumentativ in Anschlag gebracht worden. Die in Deutschland lebenden Juden werden, insofern sie nicht schon durch ihr Fremdländisches ein (diskret) unterdrücktes Befremden auslösen, mehr oder minder ignoriert."

Würde man im Umkehrschluss zu einer ähnlichen Konsequenz über die Israeli gelangen, die gegen antipalästinensische Vorurteile ankämpfen, nämlich, dass die Palästinenser sie nie konkret interessieren, dann würde Moshe Zuckermann wahrscheinlich heftig protestieren.

Welchen Wert die Einschätzungen des Politikwissenschaftlers Zuckermann haben kann man auch beurteilen, wenn man bedenkt, wie häufig dieser in Deutschland zu Wort kommt.

Zum Beispiel lässt Marcel Pott in seinem 2004 veröffentlichten "Der Nahost-Konflikt" Moshe Zuckermann als israelischen Kronzeugen gegen Ariel Sharon auftreten: "Vor allem konnte er [Sharon] das umsetzen, was schon seit Jahrzehnten sein eigentliches Anliegen ist, nämlich die Palästinenser niederzukämpfen, ihre Führung zu zerschlagen und das Besatzungsregime zu zementieren, wenn nötig durch einen massiven Bevölkerungstransfer der Palästinenser."

Die Beschuldigung Israel würde einen "Bevölkerungstransfer der Palästinenser" planen ist ein Stehsatz jeder antiisraelischen Agitation, braucht durch keine Fakten belegt zu werden, da ja derjenige, der das aussagt, einen Markt bedient, der jüdisch-israelische Kronzeugen braucht, um seine eigene Vorurteile bestätigt zu bekommen.

Und nun schauen wir eine zweite Behauptung von Moshe Zuckermann an: "In der Logik seiner [Sharons] Gewaltpolitik wird der Terror sozusagen hingenommen, wenn nur die Siedlungen im Westjordanland unangetastet bleiben. Und diese müssen unangetastet bleiben, weil Sharon sonst seine politische Macht sofort verlöre. Die treuesten Anhänger hat Sharon ja in der Siedlerbewegung".

Die Realität hat diese Aussagen radikal widerlegt.

Sicher gibt es unter denjenigen, die in den deutschsprachigen Ländern sich 150% mit Israel identifizieren problematische Personen und Positionen, aber das kann und darf uns nicht abhalten davon, uns in erster Linie mit dem hier verwurzelten Antisemitismus zu befassen, den Zuckermann aus ideologischen Gründen auf ein paar Rechte beschränkt sehen will. In diesem Sinne leistet der Sammelband, in dem auch der interessante Beitrag von Dan Diner über Israel, Palästina und die Frage eines "neuen Antisemitismus" erschienen ist, einen wertvollen Beitrag und verdient weite Verbreitung.

hagalil.com 06-11-05











 

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