Amin
el-Husseini:
Der Mufti von Jerusalem und die Nationalsozialisten
Eine Rezension von Karl Pfeifer
Der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt und der
Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur ist zu danken,
das Klaus Gensicke seine Dissertation aktualisiert und überarbeitet
veröffentlichen konnte. In seinem Vorwort schreibt Matthias Küntzel:
"Gensickes Buch zwingt uns eingeschliffene Denkmuster mit Blick auf den
Nahen Osten zu hinterfragen. Eines davon besagt, daß die Araber nach 1948
die harten Konsequenzen für Auschwitz hätten tragen müssen."
Es
wäre wünschenswert, wenn die Journalisten und Politiker, die diese These
vertreten nach diesem Buch greifen würden, in dem Klaus Gensicke gerade auf
Grund deutscher Akten den Beweis führt, dass Haj Muhammad Amin el-Husseini,
seit 1921 Mufti Jerusalems, an der Ermordung der europäischen Juden
beteiligt war und dass sein Antisemitismus 1948 den aussichtslosen Krieg
gegen Israel mit auslöste.
Seit seiner Ernennung
durch den britischen Hochkommissar Herbert Samuel 1922 zum Präsidenten des
Moslemischen Oberrats und bis zu seinem Lebensende 1974 hat der Mufti einen
entscheidenden – katastrophalen – Einfluss auf die Geschicke seiner
Landsleute ausgeübt. "Ein Vorfall an der Klagemauer wurde vom muslimischen
Oberrat unter el-Husseini derartig aufgebauscht, daß es 1929 zu heftigen
Ausschreitungen kam, die ihren Höhepunkt in der Ermordung von mehr als 130
Juden in Hebron erreichten". Derartige Ausschreitungen wiederum stärkten
seine Position. Eine Taktik mit der noch in jüngster Zeit palästinensische
Führer operierten.
Im
April 1936 wurde der Mufti von allen arabischen (Clan)Parteien zum
Präsidenten des Obersten Arabischen Komitees (AHC) ernannt, Er benützte
diesen Posten in erster Linie dazu seine arabischen Gegner während der
Unruhen 1936-39 auszuschalten.
Im Oktober
1937 nach Auflösung des AHC durch die Briten musste der Mufti sich
verstecken und aus dem Land fliehen. Diesmal überzog er und durch den von
ihm ausgelösten arabischen Aufstand schwächte er sein eigenes Lager und
stärkte die Position der Juden im Land, was sicher nicht seine Absicht war.
Gensicke schildert die deutsche Palästinapolitik bis 1937, die in erster
Linie natürlich von den Interessen des "Dritten Reichs" diktiert war und die
vergeblichen Versuche des Muftis auf diese einen Einfluss zu üben.
Der
Mufti flüchtete 1937 über den Libanon in den Irak, wo er die
Pro-Achsenpolitik unterstützte und seinerseits finanziell von Deutschland
unterstützt wurde. Hitler machte intern im Sommer 1939 aus seinem Rassismus
kein Geheimnis: "Wir werden weiterhin die Unruhe in Fernost und in
Arabien schüren. Denken wir als Herren und sehen wir in diesen Völkern
bestenfalls lackierte Halbaffen, die die Knute spüren wollen." Zur
Politik der Unruhestiftung im Irak trug der Mufti wesentlich bei.
Im
Irak kam es im Frühjahr 1941 zu einer Auseinandersetzung mit den Briten, die
am 1. und 2. Juni mit einem Pogrom endete, dem 179 Juden zum Opfer fielen.
Eine irakische Regierungskommission nannte den Mufti als einen der
Mitschuldigen für die anti-jüdischen Ausschreitungen. Über Teheran, Istanbul
und Rom gelangte der Mufti im November 1941 nach Berlin, wo er bis 1945
blieb. Der Autor dokumentiert die von Antisemitismus strotzende Reden des
muslimischen Geistlichen. So z.B. am 2. November 1943 im Berliner
islamischen Zentralinstitut, wo er das nationalsozialistische Deutschland
als Beispiel nahm, das "wusste, wie es sich von dem
Unheil der Juden erretten konnte [...] Es hat die Juden genau erkannt und
sich entschlossen für die jüdische Gefahr eine endgültige Lösung zu finden,
die ihr Unheil in der Welt beilegen wird."
Gensicke belegt auch detailliert die Interventionen des Mufti gegen die
Ausreise von jüdischen Kindern aus Ungarn, Rumänien und Bulgarien nach
Palästina. Zum Beispiel schlug er dem bulgarischen Außenminister vor:
"Ich möchte mir erlauben, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu
lenken, daß es sehr angebracht und zweckmäßiger wäre, die Juden an der
Auswanderung aus Ihrem Land zu verhindern, und sie dorthin zu schicken, wo
sie unter starker Kontrolle stehen, z.B. nach Polen. Damit entgeht man ihrer
Gefahr und vollbringt eine gute, dankbare Tat dem arabischen Volke
gegenüber."
Wenn
sich gerade heute in Deutschland gewisse Moslems als drangsalierte "Musels"
darstellen, dann sollte man das Kapitel über die Rolle des Muftis bei
der Aufstellung einer moslemischen SS-Division beachten. Himmler schwärmte
von der "weltanschaulicher Verbundenheit" zwischen dem Nationalsozialismus
und dem Islam. "Aus den Muselmanen wurden "Muselgermanen". Die
"weltanschaulich geistige Erziehung" der muselmanischen SS-Division wurde
mit dem Mufti besprochen, und es wurde mit ihm vereinbart, daß der
Nationalsozialismus als völkisch bedingte deutsche Weltanschauung und der
Islam als völkisch bedingte arabische Weltanschauung unter Herausstellung
der gemeinsamen Feinde (Judentum, Anglo-Amerikanismus, Kommunismus,
Freimaurerei, Katholizismus) gelehrt werden sollten."
Im
Kapitel "Rückkehr in den Nahen Osten" zeigt der Autor, wie sich der Mufti
bestehende Interessengegensätze der Alliierten zunutze machte und bereits
1946 schon wieder im Nahen Osten auftauchte, um dort seine für die
Palästinenser so destruktive Tätigkeit fortzusetzen.
In
seinem Epilog bemerkt der Autor: "Die Intellektuellen unter den
Palästinensern wissen schon, daß es 1947 diesen [palästinensischen] Staat
durchaus hätte geben können, aber diese Möglichkeit hat der Mufti durch
seine Intransigenz verspielt." Gensicke zeigt die Verbindung zur Charta der
Hamas auf und resümiert: "Dieser zur Tradition gewordene fanatische
Extremismus bleibt so virulent wie zur Zeit des "great uprising" (1936-1939)
und stellt eine gescheiterte Politik der Kompromisslosigkeit, der
Unversöhnlichkeit und des "alles oder nichts" dar. Indem diese Politik
unnachgiebig weitergeführt wird, läßt sie auch das Schicksal der
Palästinenser hoffnungslos erscheinen."
Das
wissenschaftliche und lesbare Buch ist allen empfohlen, die unvoreingenommen
und ohne Scheuklappen am Thema interessiert sind. Wer wissen will, wie sich
der über Jahrzehnte unbestrittene Führer der palästinensischen Arabern
wirklich verhalten hat, der sollte zu diesem Buch greifen.
hagalil.com
17-01-08 |