Hitlers Mann fürs Schöne:
Der Fotograf und Kameramann Walter Frentz
Von Nikolai Wojtko
Der Mann wusste was er tat. Und die Nachwelt fragt
sich: War Walter Frentz wohl ein Nazi? Die Frage mag verwundern - auch
diejenigen, die den Namen noch nie gehört, aber sicherlich schon Fotos von
Hitlers Mann fürs Schöne gesehen haben.
Aber fangen wir vorne an: Wer war Walter Frentz?
Sicherlich kann man mit einiger Untertreibung behaupten, er sei ein ganz
normaler Deutscher gewesen. So wie Speer für sich reklamierte, als Architekt
eigentlich ein Künstler gewesen zu sein. So, wie Manstein für sich
reklamierte, ein ganz normaler Soldat gewesen zu sein. So, wie Riefenstahl
für sich in Anspruch nahm, zwar Filme von politischen Veranstaltungen
gedreht zu haben, selber aber immer davon ausging, Kunstwerke und nicht den
filmischen Niederschlag von Politik festzuhalten.
Hitler selbst, so könnte man diese Reihe logisch
fortsetzen, war dann sicherlich auch kein Nazi, denn zum einen hat er von
wesentlichen Vorgängen in seinem Reich bestimmt nie etwas erfahren, zum
anderen war er doch tief in seinem Herzen Künstler, Architekt,
Landschaftsgestalter und – letztlich für die Wochenschau, die Filme
Riefenstahls und die Kameras von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz –
Schauspieler und Objekt.
Frentz hat unser Bild von Hitler geprägt. Mit Ausnahme
weniger Wochen wird Frentz ständig in der Nähe seines Führers sein und
unzählige Fotos von ihm und Menschen in seiner Nähe machen. Er wird es sein,
der uns das idealisierende Bild eines menschlichen Hitlers hinterlässt, wie
es Kay Hoffmann treffend analysiert.
Der Band von Hans Georg Hiller von Gaertringen: "Das Auge
des Dritten Reiches. Hitlers Kameramann und Fotograf Walter Frentz" stellt
den Mann und sein Werk vor. Wundern aber muss man sich, wenn Matthias Struch
seine kenntnisreiche Einführung mit der Frage aller Fragen abschließen lässt
– war Frentz ein Nazi? Doch die Antwort scheint dem Urteil der Figur selbst
überlassen zu bleiben. Er sei unpolitisch gewesen und letztlich nur der Mann
hinter der Kamera.
Eine Karriere im Dritten Reich
Walter Frentz gehörte zum innersten Zirkel der Mächtigen
im Dritten Reich. Über Jahre wird er sie fotografieren, filmen und
portraitieren. Immer war er dabei. In der Wolfsschanze, auf dem Berghof, mit
dem Führer in Paris und mit Himmler bei Massenerschießungen. Er trug den
Totenkopf auf seiner Pelzmütze, die er angeblich nur geliehen hatte.
Zusammen mit Himmler unterhielt er sich mit Menschen, die später erschossen
werden sollten. Danach ging der Fotograf seiner zweiten Leidenschaft nach
und bestieg zur Entspannung seinen Kajak um dann wieder hinter der Kamera
seinen Job zu machen. Ein ganz normaler Deutscher?
Durch seine Zusammenarbeit mit Leni Riefenstahl, der er
durch Albert Speer empfohlen worden war, avanciert er bald zu den
bekanntesten Bilder-Machern des Reichs. Die letzten Aufnahmen Hitlers, der
in den Trümmern Berlins HJ-Kinder wegen Tapferkeit vor dem Feind
auszeichnet, sind ebenso sein Werk wie über 3000 Portraitaufnahmen der
Größen des Reichs. Ein Bildatlas der Nazis.
Bemerkenswert – und das arbeitet der vorliegende Band
minutiös heraus – ist die Schlichtheit seines Stils: er weiß, was von ihm
erwartet wird und fotografiert überall nach demselben grundlegenden Schema.
Die Aufgenommenen sollen lebendig wirken, natürlich und dennoch als
Repräsentanten der Staatsmacht deutlich erkennbar. Bei der Fahrt nach
Weißrussland nimmt Frentz lediglich Besiegte auf, so lange sie leben. Auch
wenn hier Opfer neben ihren zukünftigen Mördern stehen, oder wir russische
Kinder zum Wagen mit dem Kennzeichen SS-1 drängen sehen und ahnen können,
dass sie diese Besichtigung nicht lange überleben werden: die Bilder zeigen
stets ein Idyll – und das meint in diesen immer gleichen Ausschnitten: einen
stets gefährdeten Fluchtpunkt, eine Insel um die ein Orkan tobt. Das hier
das Grauen nicht erfasst wird, ist durchgängiges Kalkül. Frentz weiß, was
man von ihm erwartet.
Pflichterfüllte Banalität
Das Arendtsche Diktum brandmarkte Eichmann zum Inbegriff
der Banalität des Bösen. Harry Mulisch erkannte im Logistiker der
Vernichtung der europäischen Juden einen modernen Menschen, der zwar nicht
glauben konnte, aber an einer einmal gestellten Aufgabe wie ein Besessener
festhielt. Er wollte auch noch in den letzten Tagen des Reichs seine Aufgabe
erfüllen. Nicht zufällig sehnte er den Tod herbei, als sein Reich und damit
seine Aufgabe unerfüllt in Trümmern lagen. Nur war der biedere Eichmann des
Selbstmordes unfähig, da er dazu keinen Auftrag erhalten hatte. Ohne Befehl,
keine pflichtschuldige Auslöschung.
Frentz war ein Biedermann der Darstellung der Macht und
gerade deshalb wurde er ein Liebling des Führers, der Bilder von sich und
all seinen Helden brauchte. Also fotografierte er das Panoramafenster im
Berghof. Den Führer beim Spaziergang. Bormann im Idyll der Berge. Himmler im
Gespräch mit Zigarre. Blondi mit heraushängender Zunge. Speer mal mit, mal
ohne Frau. Der Duce im Schnee. Generale gleich dutzendweise usw. usf. Frentz
verrichtete seinen Job also zumindest so leidenschaftslos wie Eichmann den
seinigen nach eigenen Angaben. Beide hatten sie schließlich eine Aufgabe,
der eine an seinem Schreibtisch im Reichssicherheitshauptamt, der andere
hinter seiner Kamera. Beide waren sie selbstredend so unpolitisch wie
erfüllt von ihrer Pflicht, die zu erfüllen ihnen Ehre bedeutete.
Frentz und Eichmann eint noch ein anderer Umstand: Beide
waren Pioniere auf ihrem Gebiet. So wie Eichmann den betriebsmäßigen
Massenmord logistisch erst ermöglichte, konnte Frentz die Protagonisten und
oberste Nutznießer des Nazi-Regimes in Farbe ablichten und setzte seine
farblichen Erinnerungstupfer als Gedächtnisidyll einer Zeit, deren
Geschichtsschreibung er damit ablichtete.
Spurensuche 1: Bildunterschrift der Herausgeber 2006
Die klugen Essays des Bandes wirken lediglich wie eine
Einbettung der Darstellung des lächelnden Bösen. Was verblüfft, ist die
Feststellung, dass nur eine Person der dargestellten Nazigrößen als
Massenmörder beschrieben wird. Lediglich Himmler wird in einer
Bildunterschrift der Herausgeber als ein Monster bezeichnet, ganz so, als
wären die Anderen völlig liebe Leute?
Eher anders herum kann man sich einen Reim machen: Die
Abgebildeten wurden ja von Frentz im Auftrag des Führers abgelichtet, da sie
tragende Säulen, Helden oder Zuarbeiter des Systems waren, dessen
idyllischer Fluchtpunkt, der Berghof samt Panoramafenster, durchtränkt ist
mit Planungen zum Massenmord.
Hier liegt die Krux dieses Bandes, der seinem Gegenstand
dann doch nicht gerecht wird: Walter Frentz hat vielleicht persönlich keine
Menschen umgebracht, daher aber zu schlussfolgern, dass er nicht Teil eines
mörderischen Systems, sondern – je nach Standpunkt – entweder dessen
verdienstvoller, oder aber objektiver Archivar war, belegt einige der Texte
des Bandes mit einem schalen Beigeschmack.
Übrig bleiben die Bilder eines Mannes, dessen Waffe die
Kamera war. Diesen aber nicht "Mörder" zu nennen, heißt letztlich, seinen
Bildern zu erliegen und sich auf eine anscheinend differenzierte Suche nach
den angeblich wahren Mördern zu begeben. Diese aber wurden allerdings auch
durch die idyllischen Fotos des Führers und seines Gefolges zu dem, was sie
waren. Einzig der Beitrag von Klaus Heese beschreibt konsequent diesen Weg.
Um so verblüffender ist es, dass dessen stringente Diktion in den übrigen
Aufsätzen keinerlei Niederschlag gefunden hat.
Spurensuche 2: Bildunterschrift einer Zeitzeugin 2000
Gerade im Vergleich von Schrift und Bildsprache drängt
sich die Betrachtung einer weiteren Bildunterschrift im vorliegenden Band
auf: Sie stammt von Leni Riefenstahl, die ihrem alten Kollegen im
symbolträchtigen Jahr 2000 aus Pöcking ein Foto zusendet. Auf dem Bild sieht
man die Regisseurin mit ihrem damaligen Kameramann in einem Graben bei den
Aufnahmen zu Olympia im Jahr 1936.
Lange nachdem auch die beiden Künstler zugeben mussten,
dass es im Dritten Reich anscheinend noch mehr gegeben hat, als
Fahnenaufläufe, fesche Mannsbilder und sportliche Erfolge -
Vernichtungskrieg, Judenhatz, Völkermord, Gaskammern und Konzentrationslager
-, schreibt die Regisseurin ihrem Kameramann unverdrossen, als wäre das
tausendjährige Reich wie ein liebes Märchen gewesen, dessen Verwirklichung
sie trotz all ihrer unpolitischen Kunst nicht erreichten: "Lieber Walter -
das waren noch Zeiten damals – wunderschön."
An diesem Bild samt seiner Bildunterschrift sieht man
dasselbe politische System am Werk, welches Frentzs Bildausschnitte
bestimmte: In Szene gesetzt die handelnden Personen in einer Arbeitspause
für den Film –die "wunderschöne" Arbeit, die sie verrichten. Ausgeblendet
sind die mörderischen Ergebnisse dieser Taten. Denn schließlich, so die
Diktion der maßgeblichen Akteure dieser Zeit, hatten diese nichts mit dem
Rest zu tun, auch wenn man an diese Zeiten - also das Ganze - mit Wehmut
zurück denkt.
Walter Frentz ist alt geworden. Er hat, als bekäme er
keine Ruhe, seine alte Weggefährtin Leni Riefenstahl sogar noch um ein paar
Tage überlebt. Er hat die Zeit nicht dazu genutzt, aufzuräumen und
vielleicht dem Vorbild Traudel Junges zu folgen. Diese saß als Sekretärin
nach eigenen Angaben in Hitlers toten Winkel und hat es später bitter
bereut, so arglos dem Monster gegenüber gewesen zu sein. Frentz hat diesen
Winkel belichtet und wollte doch Zeit seines langen Lebens nie einsehen,
dass er einem verbrecherischen und unmenschlichen System angehörte.
Weshalb auch? Seine Geschäfte liefen gut. Er war nach dem
Krieg ein gefragter Fotograf. Seine Bilder aus dem Umfeld des Führers konnte
er an alte Kameraden verkaufen, schließlich hielt man sich die Treue: wie
wunderschön war doch die Zeit, in der sie frei als Herrenmenschen handeln
durften. Welch ein Idyll.
hagalil.com
18-04-07 |