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Die Kerls wollen glücklich sein:
Micha Brumliks "Kritik des Zionismus"

Von Ramona Ambs

Selten wurde ich im Vorfeld einer Rezension so sehr mit Meinungen zum Rezensionsobjekt behelligt wie diesmal. Vor allen Dingen von Menschen, die das Buch "Kritik des Zionismus" von Micha Brumlik noch gar nicht selbst gelesen hatten. Aber das Buch wurde nun schon so oft von den verschiedensten Personen besprochen, dass die Fanblöcke und Gegner der jeweiligen Rezensenten bereits eine eigene Meinung zu haben glauben.

Häufigster Tenor: "Das Buch muss übel sein, der Watzal hats gelobt!"- Gut, von Watzal gelobt zu werden ist nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal, allerdings kann das gelobte Objekt ja nun nichts dafür. Da lohnt durchaus ein eigener Blick.

Micha Brumlik:
Kritik des Zionismus
Europäische Verlagsanstalt 2007
Euro 16,90

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"Kritik des Zionismus", letztlich eine Weiterentwicklung eines Aufsatzes von 2007, ist eine kritische Analyse des zionistischen Projekts, dessen Ursprünge von Brumlik ebenso genau unter die Lupe genommen werden wie dessen aktuelle Ausprägungen. Brumlik beschreibt zwei Formen des Zionismus: zum einen den Kulturzionismus, dem es nicht um die Errichtung eines Staates, sondern vielmehr um die Errichtung eines geistig-kulturellen teils auch spirituellen Zentrums für Juden ging; zum anderen den staatsbildenden Zionismus, dem Brumlik, anhand geschichtsphilosophischer Auseinandersetzung mit zahlreichen jüdischen Denkern, schlicht "Selbstzerstörung" attestiert.

Gleichwohl verfällt Brumlik dabei nicht in jene allzu häufig anzutreffende moralisierende Pauschal-Kritik an Israel oder gar der Existenz Israels, er wendet sich sogar explizit dagegen:

"Vor allem aber übergeht die nur moralische Form der Kritik eine grundlegende Frage: ob - und wenn ja nach welchen Kriterien - es überhaupt einen legitimen Anspruch partikularer, ethnischer Gemeinschaften auf eigene staatliche Selbstbehauptung geben kann? Eine nur humanitäre Kritik, so unverzichtbar sie gerade in ihrer Unbedingtheit auch sein mag, übergeht dies wesentliche Problem zu schnell. Die physische und kulturelle Selbstbehauptung des Judentums war das Ziel des Zionismus. Der staatsbildende Zionismus aber war genau jene epochale politische Form, die das seit Jahrtausenden existierende Judentum der europäischen Moderne anverwandeln sollte; daher hat eine spezifische Kritik an eben diesem Anspruch und eben dieser Idee anzusetzen."

Und genau da setzt Brumliks Analyse auch an. Die vorgestellten "Kritiker des Zionismus", mehrheitlich deutsch-jüdische Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts, wie beispielsweise Hermann Cohen, Franz Rosenzweig, Hannah Arendt, Gershom Scholem oder auch Ernst Bloch, unterscheiden sich oft in der Form ihrer Kritik und ihren grundsätzlichen Positionen erheblich, dennoch münden - für den Autor -allesamt in der These, dass die Selbstzerstörung des staatsbildenden Zionismus intern, ja gewisserweise sogar systemimmanent seien. Vor allen Dingen, resümiert Brumlik, sei das ursprünglichste Ziel des Zionismus, nämlich einen sicheren Platz für Juden zu schaffen, gescheitert:

"Sie alle, einschließlich Hannah Arendt, widerlegen damit die Meinung, dass das Problem des Judenhasses dadurch gelöst werden könne, dass man die Juden aus ihrer nichtjüdischen Umgebung durch das schlichte Mittel geographischer Verschiebung löst. Zumal Arendt, aber nun auch Bloch genau gesehen haben, dass es dann in einer sich entfaltenden Weltgesellschaft eben einen jüdischen Staat in einer nichtjüdischen Staatenwelt geben werde, der- wenn die Drohung des Antisemitismus weiter besteht derselben Anfeindung ausgesetzt sein wird wie die einzelnen Juden oder ihre Gruppen in der Welt der Diaspora."

Neben dieser historischen Problematik Israels sieht Brumlik weitere Probleme, die zum Teil durch die israelische Politik und einiger Protagonisten verursacht sind, die er im laizistisch/nationalistischen Milieu ebenso sieht wie im orthodox/fundamentalistischen Umfeld:

"Das zionistische Vorhaben, einen von seinen Nachbarn anerkannten - sei es romantisch erstrebten, sei es rational begründeten- Staat der Juden zu etablieren, wird im heutigen Israel von einer Vielzahl an der Regierung befindlicher bzw. sie vorbehaltlich stützender religiöser Bewegungen abgelöst, die gleichwohl höchstens 25 % der Bevölkerung repräsentieren."

Brumlik kritisiert denn auch Menschenrechtsverletzungen und Siedlungspolitik in Israel. Beides ist für ihn mit jüdischer Ethik unvereinbar. Dennoch wehrt er sich gegen die einseitig vorgetragene Kritik und die Naivität mancher Israelkritiker. So setzt er sich auch mit der "Berliner Erklärung" oder den Thesen Tony Judts auseinander, wobei er weder für die eine, noch den anderen echtes Verständnis hat. Er hält es für unumgänglich - gerade nach der Schoa und in Anbetracht der aktuellen Bedrohungslage durch radikale Palästinenser, gewaltbereite Islamisten und den Iran solidarisch mit dem nun vorhandenen Staat Israel zu sein:

"Auch noch in der dritten und vierten Generation nach der Schoa leben Juden - individuell und kollektiv - im Schrecken, im Schock und in Trauer- sofern sie sich auf die Vergangenheit beziehen. Ihre Gegenwart indes ist, sofern sie auf den Staat Israel bezogen wird, nicht mehr- wie vielleicht noch bis 1973 - durch Stolz und Vertrauen in den selbstgeschaffenen Staat, sondern durch den Alltag der Sorge geprägt. Das jüdische Volk lebt heute (...) in nachlassender Trauer und wachsender Sogre. (...) Im Unterschied zur Trauer kann die Sorge jedoch so lange nicht zur Ruhe kommen, wie eventuelle Bedrohungen noch andauern."

Trotz der düsteren Analyse der derzeitigen Lage sieht Brumlik eine Lösung: einerseits in einer Rückbesinnung auf die Werte des Kulturzionismus, der nunmehr als Postzionismus ohne Fixierung auf ein Land zu verstehen sei,- und andererseits -konkret für Israelin einer Zwei-Staaten-Lösung und letztlich der Integration Israels in die Europäische Union. Und auch wenn dies noch utopisch klingt, so weiß man doch inzwischen, "wenn Ihr wollt, ist es kein Märchen".

Und schließlich hat schon Hermann Cohen festgestellt: "Die Kerls wollen glücklich sein!"

Grundlagentexte:
Strömungen im Judentum
Der Zionismus war von Beginn an eine sehr pluralistische Bewegung. Nicht nur die allgemeinen Ideologien der Zeit, wie etwa der Sozialismus, fanden ihre Verknüpfung, auch die speziellen Gegebenheiten der jüdischen Nationalbestrebungen führten zu Parteibildung. Die unterschiedlichen Ausrichtungen fanden auch in der strukturellen Organisation ihren Widerhall
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hagalil.com 03-03-08











 

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