[Bestellen?]"Kritik des Zionismus", letztlich eine Weiterentwicklung
eines Aufsatzes
von 2007, ist eine kritische Analyse des zionistischen Projekts,
dessen Ursprünge von Brumlik ebenso genau unter die Lupe genommen werden wie
dessen aktuelle Ausprägungen. Brumlik beschreibt zwei Formen des Zionismus:
zum einen den Kulturzionismus, dem es nicht um die Errichtung eines Staates,
sondern vielmehr um die Errichtung eines geistig-kulturellen teils auch
spirituellen Zentrums für Juden ging; zum anderen den staatsbildenden
Zionismus, dem Brumlik, anhand geschichtsphilosophischer Auseinandersetzung
mit zahlreichen jüdischen Denkern, schlicht "Selbstzerstörung" attestiert.
Gleichwohl verfällt Brumlik dabei nicht in jene allzu häufig
anzutreffende moralisierende Pauschal-Kritik an Israel oder gar der Existenz
Israels, er wendet sich sogar explizit dagegen:
"Vor allem aber übergeht die nur moralische Form der Kritik
eine grundlegende Frage: ob - und wenn ja nach welchen Kriterien - es
überhaupt einen legitimen Anspruch partikularer, ethnischer Gemeinschaften
auf eigene staatliche Selbstbehauptung geben kann? Eine nur humanitäre
Kritik, so unverzichtbar sie gerade in ihrer Unbedingtheit auch sein mag,
übergeht dies wesentliche Problem zu schnell. Die physische und kulturelle
Selbstbehauptung des Judentums war das Ziel des Zionismus. Der
staatsbildende Zionismus aber war genau jene epochale politische Form, die
das seit Jahrtausenden existierende Judentum der europäischen Moderne
anverwandeln sollte; daher hat eine spezifische Kritik an eben diesem
Anspruch und eben dieser Idee anzusetzen."
Und genau da setzt Brumliks Analyse auch an. Die
vorgestellten "Kritiker des Zionismus", mehrheitlich deutsch-jüdische
Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts, wie beispielsweise Hermann Cohen,
Franz Rosenzweig, Hannah Arendt, Gershom Scholem oder auch Ernst Bloch,
unterscheiden sich oft in der Form ihrer Kritik und ihren grundsätzlichen
Positionen erheblich, dennoch münden - für den Autor -allesamt in der These,
dass die Selbstzerstörung des staatsbildenden Zionismus intern, ja
gewisserweise sogar systemimmanent seien. Vor allen Dingen, resümiert
Brumlik, sei das ursprünglichste Ziel des Zionismus, nämlich einen sicheren
Platz für Juden zu schaffen, gescheitert:
"Sie alle, einschließlich Hannah Arendt, widerlegen damit
die Meinung, dass das Problem des Judenhasses dadurch gelöst werden könne,
dass man die Juden aus ihrer nichtjüdischen Umgebung durch das schlichte
Mittel geographischer Verschiebung löst. Zumal Arendt, aber nun auch Bloch
genau gesehen haben, dass es dann in einer sich entfaltenden
Weltgesellschaft eben einen jüdischen Staat in einer nichtjüdischen
Staatenwelt geben werde, der- wenn die Drohung des Antisemitismus weiter
besteht derselben Anfeindung ausgesetzt sein wird wie die einzelnen Juden
oder ihre Gruppen in der Welt der Diaspora."
Neben dieser historischen Problematik Israels sieht Brumlik
weitere Probleme, die zum Teil durch die israelische Politik und einiger
Protagonisten verursacht sind, die er im laizistisch/nationalistischen
Milieu ebenso sieht wie im orthodox/fundamentalistischen Umfeld:
"Das zionistische Vorhaben, einen von seinen Nachbarn
anerkannten - sei es romantisch erstrebten, sei es rational begründeten-
Staat der Juden zu etablieren, wird im heutigen Israel von einer Vielzahl an
der Regierung befindlicher bzw. sie vorbehaltlich stützender religiöser
Bewegungen abgelöst, die gleichwohl höchstens 25 % der Bevölkerung
repräsentieren."
Brumlik kritisiert denn auch Menschenrechtsverletzungen und
Siedlungspolitik in Israel. Beides ist für ihn mit jüdischer Ethik
unvereinbar. Dennoch wehrt er sich gegen die einseitig vorgetragene Kritik
und die Naivität mancher Israelkritiker. So setzt er sich auch mit der
"Berliner Erklärung" oder den Thesen Tony Judts auseinander, wobei er weder
für die eine, noch den anderen echtes Verständnis hat. Er hält es für
unumgänglich - gerade nach der Schoa und in Anbetracht der aktuellen
Bedrohungslage durch radikale Palästinenser, gewaltbereite Islamisten und
den Iran solidarisch mit dem nun vorhandenen Staat Israel zu sein:
"Auch noch in der dritten und vierten Generation nach der
Schoa leben Juden - individuell und kollektiv - im Schrecken, im Schock und
in Trauer- sofern sie sich auf die Vergangenheit beziehen. Ihre Gegenwart
indes ist, sofern sie auf den Staat Israel bezogen wird, nicht mehr- wie
vielleicht noch bis 1973 - durch Stolz und Vertrauen in den
selbstgeschaffenen Staat, sondern durch den Alltag der Sorge geprägt. Das
jüdische Volk lebt heute (...) in nachlassender Trauer und wachsender Sogre.
(...) Im Unterschied zur Trauer kann die Sorge jedoch so lange nicht zur
Ruhe kommen, wie eventuelle Bedrohungen noch andauern."
Trotz der düsteren Analyse der derzeitigen Lage sieht
Brumlik eine Lösung: einerseits in einer Rückbesinnung auf die Werte des
Kulturzionismus, der nunmehr als Postzionismus ohne Fixierung auf ein Land
zu verstehen sei,- und andererseits -konkret für Israelin einer
Zwei-Staaten-Lösung und letztlich der Integration Israels in die Europäische
Union. Und auch wenn dies noch utopisch klingt, so weiß man doch inzwischen,
"wenn Ihr wollt,
ist es kein Märchen".
Und schließlich hat schon Hermann Cohen festgestellt: "Die
Kerls wollen glücklich sein!"