antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com
Search haGalil

Newsletter abonnieren
 
 
 

 

Eine alltägliche Geschichte aus Wien:
Fremd geblieben

Rezension von Karl Pfeifer

Susanne Bock hat ein österreichisches Heimatbuch der anderen Art geschrieben. In der Regel sind solche Bücher schwülstig und pathetisch, die Autorin aber zeichnete "matter of fact" auf, was sie in den Jahren 1946 bis 1955 nach ihrer Rückkehr in Österreich erlebt hat. Sie berichtet einfühlsam über den ganz gewöhnlichen Alltag im Nachkriegs-Wien, über die täglichen Probleme, über traurige, tröstliche und humorvolle Begebenheiten aus dieser Zeit.

Diese Erinnerungen sind deswegen so wertvoll, weil sie nicht von einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens geschrieben wurden, die auch gerne die Vergangenheit verklären, sondern von einer Privatperson, die aber weil sie von hier verjagt wurde eine andere Perspektive und eine schärfere Sicht der Dinge hat: "Nobelpreisträger, die es nur hatten werden können, weil ihnen rechtzeitig die Flucht aus Österreich gelungen war, wurden mit großer Herzlichkeit empfangen. Sie wurden als Österreicher reklamiert, obwohl sie längst keine mehr waren und auch keine sein wollten, aber ein kleiner Schneider aus der Leopoldstadt, ein Büroangestellter aus dem Alsergrund, ein Buchdrucker aus Zwischenbrücken, eine Hutmacherin aus der Hutfabrik Korff, eine Verkäuferin im Kaufhaus Gerngroß: Keinen Deut scherte man sich um solche Menschen!" Das ist so geblieben bis heute. Die verschiedenen österreichischen Bundespräsidenten lassen sich gerne mit nach Wien zum Kurzbesuch eingeladenen ehemaligen Österreichern fotografieren. Den Einfall, diejenigen zu einem Gespräch einzuladen, die hierher aus freien Willen zurückgekehrt sind und normale Bürger wurden, hatte bislang noch keiner.

Susanne Bock arbeitete bei der britischen Besatzungsmacht, bei der jüdischen Hilfsorganisation Joint und bei der israelischen Fluglinie El Al. Sie zeichnet manches auf, was witzig und lustig ist, aber auch das Widerstreben mit dem dieser Staat und diese Gesellschaft diejenigen empfangen haben, die von der Illusion ausgingen, dass sich gewisse Geisteshaltungen hier wesentlich geändert hätten.

Allein die Schilderung ihrer Wohnprobleme lassen die Haare aufstehen. Schäbigkeit und Gewissenlosigkeit waren das Prinzip der österreichischen Behörden, so "verhielt es sich mit jüdischen Heimkehrern aus der Sowjetunion, aus Karaganda. Diese Gruppe war, nach jahrelangen Aufenthalten in sowjetischen Arbeitslagern, gänzlich verarmt zurückgekommen. Österreichische Behörden hatten die Stirn, sie in das Obdachlosenheim Meldemannstraße einzuweisen!" In dem übrigens auch Adolf Hitler einige Zeit während seiner Jugend in Wien verbracht hatte. "Das war wohl die ungeheuerlichste Zumutung, die man sich ausdenken konnte, wirklich der Gipfel an Brutalität, die "Aufbewahrung" in einem Massenquartier für Obdachlose, die wahrhaft unwürdige Lösung eines "lästigen Problems"!"

Dieses Buch gehört in erster Linie in die Hände junger Österreicher als Teil der Heimatkunde, denn noch immer halten sich die von Ariseuren und Nazi ausgestreuten Legenden, von der angeblichen Bevorzugung rückkehrender Juden. Susanne Bock hat einen wichtigen und sehr berührenden Beitrag zur Oral-History der Nachkriegsjahre geleistet und es ist zu hoffen, dass ihre Schilderungen Eingang in die österreichischen Geschichtsbücher finden.

Susanne Bock
Heimgekehrt und fremd geblieben
Eine alltägliche Geschichte aus Wien 1946-1955
Vier Viertel Verlag Strasshof-Wien, 2003
244 Seiten, geb. 19.50 Euro
ISBN 3-902141-08-5

hagalil.com 21-03-04











 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2014 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved

ehem. IDPS (Israeli Data Presenting Services) Kirjath haJowel, Jerusalem