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Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer (Hg.):
Austrofaschismus
Politik – Ökonomie – Kultur 1933 – 1938

Lit Verlag Wien 2005
Euro 19,90

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Manfred Scheuch:
Der Weg zum Heldenplatz.
Eine Geschichte der österreichischen Diktatur 1933-1938
Kremayr & Scheriau/Orac Wien 2005
Euro 24,00

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Zum Gedenkjahr:
"Ständestaat" oder Austrofaschismus?

Zwei Rezensionen von Karl Pfeifer

Rechtzeitig für das "Gedankenjahr" in Österreich sind zwei bemerkenswerte Bücher zur Geschichte des Austrofaschismus erschienen, ein wissenschaftliches Sammelwerk und eine populärwissenschaftliche Geschichte, beide lesens- und empfehlenswert.

Austrofaschismus 1933 – 1938

Nach der Gründung der Zweiten Republik, wurde die Geschichte des autoritären Systems, das der NS-Herrschaft vorausging, vielfach tabuisiert. Der Grund liegt auf der Hand, die ÖVP – Nachfolgepartei der Christlichsozialen – war die stärkste Partei. Doch gerade jetzt, in einer Zeit in der dieses im eigenen Verständnis demokratiefeindliches System beschönigt und verharmlost wird, ist ein nüchterner Blick in die Vergangenheit notwendig.

Die letzte Auflage dieses Sammelbandes erschien 1984. Seither kam die Geschichtswissenschaft zu neuen Erkenntnissen und die erweiterte Auflage mit neun vollkommen neuen Beiträgen ist im April 2005 erschienen. Es ist keine aktuell politische Auseinandersetzung mit der jetzt üblichen Verharmlosung dieser spezifisch österreichischen Variante des Faschismus.

Unstrittig ist, dass die Regierungen Dollfuß und Schuschnigg gegen NS-Terror und nationalsozialistische Politik Widerstand geleistet haben. Ihr Widerstand galt allerdings nicht der Verteidigung eines selbständigen und demokratischen Österreichs, sondern der Aufrechterhaltung einer Diktatur, die in Konkurrenz zum Nationalsozialismus stand. Die seit dem Jahr 1936 infolge des anwachsenden NS-Drucks von innen und außen sowie des Verlustes des italienischen Protektors verstärkte politische Dynamik endete im Jahr 1938 im Desaster der vergleichsweise wenig gefestigten Diktatur und im von vielen Österreichern bejubelten "Anschluss".

Besonders wertvoll der neue Beitrag "Nationalsozialisten in Österreich 1933 – 1938" von Winfried R. Garscha, der darauf hinweist, dass das populäre Geschichtsbild in den ehemaligen Hochburgen der illegalen NSDAP in Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark und Kärnten von der offiziellen Einstufung der "Illegalen" merklich abweicht, u.a. wird der Terror der NSDAP, der fast 200 Opfer forderte, als "Lausbubenstreiche" verharmlost, der Antisemitismus und der demokratiefeindliche Charakter der illegalen NSDAP verleugnet. Die "Illegalen" werden als Idealisten hingestellt, die nach dem "Anschluss" angeblich zu "Opfern" wurden. So wird die in Österreich so beliebte Opfer-Täter-Umkehr vollzogen. "Der hohe Anteil der "Illegalen" unter den Arisierungsgewinnlern ebenso wie in den Besatzungsbürokratien der eroberten Länder während des Krieges wird ebenso negiert wie die Tatsache, dass gerade die "Illegalen" in besonders hohem Ausmaß beim Aufbau des Terrorapparats von Gestapo, SS und SD in Österreich eingesetzt wurden.

Keine Frage, dass die von manchen Sozialdemokraten vertretene Ansicht, dass der Austrofaschismus schlimmer war als der Nationalsozialismus nur rechtfertigen soll, dass viele Sozialdemokraten aus Zorn gegen die nach 1933 eingeführte Diktatur 1938 ihren Weg in das Lager der Nazi fanden, bzw. sich nicht gegen die viel üblere Naziherrschaft stellten.

Besonders lehrreich "Der Politische Katholizismus..." von Ernst Hanisch, der Austrofaschismus unter Anführungszeichen setzt und in seinem nuancierten Beitrag auch aufzeigt, dass die Kirche nicht ganz kritiklos die Diktatur unterstützte und sich auch der Gleichschaltung widersetzte und sich gelegentlich sogar distanzierte.

Angelika Königseder befasst sich mit "Antisemitismus 1933 – 1938" und zeigt, dass nach dem Verbot der Sozialdemokratie, die Bedeutung des Antisemitismus als politische Waffe geringer wurde. Auch garantierte – allerdings nur auf dem Papier – die ständestaatliche Verfassung Juden die uneingeschränkten bürgerlichen Rechte und die Religionsfreiheit.

Doch trotz aller Zurückhaltung wollte man den Nazi nicht dieses Feld überlassen. Zwar haben die Christlichsoziale Partei und die Kirche den Rassenantisemitismus abgelehnt, aber z.B. die "Vereinigung christlich-deutscher Ärzte" propagierte rassistischen Antisemitismus in ihrem Programm: "In der Rassenfrage vertritt der Verein christlich-deutscher Ärzte den Standpunkt, dass die Rasse als Gegebenheit der natürlichen Ordnung zu pflegen und zu respektieren ist. [...] Bezüglich der Judenfrage vertritt der Verein christlich-deutscher Ärzte den Standpunkt, dass mit aller Entschiedenheit und Schärfe die zersetzenden Einflüsse zu bekämpfen sind, die sich aus dem Geiste eines entwurzelten Judentums ergeben."

Die Christlichsozialen betonten die vermeintliche Überlegenheit des eigenen Antisemitismus, um den Nationalsozialisten "den Wind aus den Segeln zu nehmen". Am 17. März 1933 erschien z.B. in der "Reichspost" ein Artikel unter dem Titel "Kein Antisemitismus im Dritten Reich", der sich mit der zuvor veröffentlichten Erklärung Görings beschäftigte, dass staatstreue jüdische Bürger im Deutschen Reich nichts zu befürchten hätten. Darin war zu lesen: "So beginnt das 'gigantische Aufbauwerk des Nationalsozialismus' [...] de facto mit einer großzügigen Judenschutzaktion, und die Massen, die den Aposteln des radikalsten Rassenantisemitismus zur Macht verholfen haben, haben das Nachsehen [...] Kurz, es ist nichts mit dem Antisemitismus im Zeichen des Hakenkreuzes. [...] Die großen Sprüche vor der Mahlzeit waren eben nur große Sprüche, nach dem Mahle liest sich's anders."

Die Autorin zitiert auch den Führer der christlichen Arbeiterbewegung Leopold Kunschak, einen Gegner des Nationalsozialismus, der sich noch nach der Befreiung Österreichs 1945 als lebenslanger Antisemit bekannte und meinte in Österreich hätten weder einheimische noch fremde Juden etwas zu suchen.

Bis heute versucht man den hier noch immer tief verwurzelten Antisemitismus auf den Nationalsozialismus zu reduzieren. Doch diesen gab es in Österreich lange bevor dem "Anschluss" und leider auch nachher.

Es wäre an der Zeit, dass sich auch die ÖVP selbstkritisch mit dieser Geschichte befasst. Gerade solche Werke, wie "Austrofaschismus", dessen Autoren nicht in allen Punkten übereinstimmen, sollten dem eigenen Publikum vorgestellt werden. Denn die stereotype Widerholung von Halbwahrheiten über den "Ständestaat" wirken – angesichts der in diesem Buche aufgezeigten Fakten – lächerlich.

Der 435 Seiten umfassende Sammelband, der sich auf die zentralen Aspekte der autoritären Diktatur fokussiert, befasst sich von der Konstituierung, den bestimmenden Ideologien, politischen Strukturen und Akteuren bis hin zu Politikfeldern wie Sozial-, Frauen-, Wirtschafts-, Repressions-, Schul-, Kultur- und Außenpolitik. Der Sammelband ist die bisher umfassendste Analyse des Austrofaschismus und damit ein Gewinn für alle, die sich mit österreichischer Geschichte befassen.

Der Weg zum Heldenplatz

Manfred Scheuch, langjähriger Chefredakteur der AZ, erzählt gekonnt die Geschichte der "österreichischen Diktatur" in der Zeit von 1933 bis zum "Anschluss".

Er erkennt eindeutig die "Merkmale des Faschismus" im "Ständestaat":

• Die Ausschaltung des Parlaments in Form eines "kalten Staatsstreich", das Verbot der Parteien, der Verfassungsbruch.
• Die Beseitigung der Freiheitsrechte des Individuums, Aufhebung von Versammlungs- und Vereinigungsrecht sowie Pressefreiheit.
• Das Führerprinzip.
• Das Grundbekenntnis der Feindschaft gegenüber der Sozialdemokratie und dem Marxismus.
• Die gewalttätige Austragung des Kampfes gegen die Arbeiterbewegung durch bewaffnete Organisationen.
• Die Entrechtung der Arbeiterschaft durch Streikverbot, Sozialabbau, Einzwängung in ein berufständisches System.
• Verfolgung politischer Gegner

Doch im Gegensatz zu Deutschland und Italien gelang es weder Dollfuß noch Schuschnigg eine Massenbasis zu schaffen. Ihr Weg führte zu Hitlers Triumph auf dem Wiener Heldenplatz. Auch wenn konservative Historiker dies anders sehen, es genügt nicht lediglich die aktive oder wegschauende Beteiligung von Österreichern an den Verbrechen der deutsch-österreichischen Volksgemeinschaft anzuerkennen, auch die Zeit davor sollte – "mit dem Blick auf die Zerstörung der Demokratie, aber auch auf den Antisemitismus und die Haltung einer politisierenden Kirche – ein Gebot historischer Gewissensforschung" werden.

Der sozialdemokratische Autor stellt fest, dass die Sozialisten nicht bereit sind, eine "auch ungleich zu wägende – "geteilte Schuld" für die Katastrophe" anzuerkennen und resümiert: "Die Dollfußstraße hatte, wie die Sozialisten schon vor Jahren gewarnt hatten, zu Hitlers Triumph geführt. Freilich meinte so mancher zum Fall des austrofaschistischen Regimes, unter dem die Arbeiter nur Elend, Arbeitslosigkeit und Unterdrückung erlebt hatten, schlimmer könne es auch nicht mehr kommen. Eine kurzsichtige und für Millionen tödliche Illusion."

Manfred Scheuch hat gründlich recherchiert und legt auf 254 Seiten einen spannenden Abriss einer umstrittenen Periode österreichischer Geschichte vor, die mit der Abschaffung der Demokratie begann und in der nationalsozialistischen Barbarei mündete.

hagalil.com 13-04-04











 

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