Israel in deutschen Wohnzimmern:
Realität und antisemitische Wahrnehmungsmuster des
Nahostkonflikts
Nachrichten, Reportagen und Fotos über die schwierige
Lebenssituation der Palästinenserinnen und Palästinenser gehören zur
gängigen Berichterstattung der Medien in Deutschland. Immer wieder wird
dabei direkt oder unterschwellig auf einem Ende der Besatzung bestanden,
selten jedoch gleichzeitig die Forderung nach einem Stopp der Attentate
erhoben - wenn überhaupt werden diese zumeist mit dem Leiden der
Palästinenser relativiert oder als logische Folge der israelischen
Besatzung thematisiert. Das alles findet statt vor dem Hintergrund eines
von den Medien vertretenen Anspruchs einer neutralen und differenzierten
Berichterstattung.
Die deutsche Bevölkerung dagegen sympathisiert schon
deutlich offener mit den Palästinensern und Palästinenserinnen. Die Lage
im Gazastreifen und in der Westbank stößt jedoch auf Desinteresse,
sobald es um die Konsequenzen aus Korruption und Terrorfinanzierung
durch Teile der Palästinensischen Autonomiebehörde selbst geht.
Tendenziell einig sind sich Medien und Bevölkerung in ihrer Beurteilung
der Situation in den Autonomiegebieten: sie sei Folge der Besatzung und
der Attentate als mindestens verständliche Reaktion, als irgendwie
legitimes Aufbegehren gegen den Unterdrücker.
Diese breit verankerte Interpretation, die Böses und
Gutes so einfach und eindeutig zu scheiden vermag, war 2003 der
Ausgangspunkt, einer siebenteiligen Veranstaltungsreihe der Initiative
Antisemitismuskritik Hannover zur Realität und den antisemitischen
Wahrnehmungsmustern des Nahostkonfliktes zu initiieren, die mit dem
vorliegenden Buch dokumentiert und zur Diskussion gestellt wird.
Die Beiträge sind dabei von unterschiedlicher Qualität.
Sehr lesenswert ist beispielsweise Jörn Böhmes Überblick zur Entwicklung
der israelischen Friedensbewegung, der auch auf die problematische
Rezeption in Deutschland Bezug nimmt. Enttäuschend ist dagegen der
Überblick zur Geschichte Israels von Philipp Emanuel Nassauer, der von
zahlreichen Ungenauigkeiten durchzogen ist und in jedem besseren Lexikon
profunder dargestellt wird.
Trotz der Unterschiede gibt der Band zahlreiche
Denkanstöße zur notwendigen Debatte über die Wahrnehmung des
Nahostkonflikts in Deutschland.
al / hagalil.com
27-12-05 |