Zeugen
ihrer Zeit:
Überlebt durch Solidarität
Ein Zeitzeugenbericht von Geza Kornis über das KZ Wapniarka,
das Ghetto Olgopol in Transnistrien und weitere Arbeitslager in Rumänien.
Herausgegeben von Prof. Dr. Erhard Roy Wiehn
1. Aufl., Konstanz 2004, 42 Seiten. € 9,80, ISBN 3-89649-918-1
Obwohl die Schoáh in Rumänien trotz des obwaltenden
aggressiven rumänischen Faschismus ohne die verbündeten Deutschen damals
wohl anders verlaufen wäre, ist darüber in der deutschsprachigen Literatur
noch immer nicht allzuviel bekannt.
Vor dem zweiten Weltkrieg lebte in Rumänien ein bedeutender Teil der
Judenheit, nämlich ca. 800.000 Menschen (ca. 4 % der Gesamtbevölkerung), von
denen während der Schoáh in kaum mehr als drei Jahren ca. 385.000 (ca. 48 %
) direkt oder indirekt getötet bzw. ermordet wurden.
Besonders grausam verlief etwa der "Schwarze Sonntag" am 29. Juni 1941 in
Iasi (gesprochen "Jasch", deutsch Jassy, Nordost-Rumänien), wo viele Juden
von rumänischen Soldaten erschossen wurden, ca. 2.650 Menschen erstickten
oder verdursteten in Güterwaggons, insgesamt wurden ca. 10.000 Menschen aus
dieser Stadt ermordet. Grausam verliefen die Deportationen nach und in
Transnistrien, einer Region zwischen Bug, Dnjestr und Schwarzem Meer, heute
südwestliche Ukraine, wo insgesamt ca. 200.000 Menschen zu Tode kamen.
Das berüchtigte Lager Wapniarka wurde im Oktober 1941 am Rande der
gleichnamigen heutigen ukrainischen Stadt Vapniarka im damals rumänischen
Transnistrien errichtet, heute Kreis Vinnitsa (Winniza)/Ukraine. Die ersten
1000 internierten Juden kamen aus Odessa, darunter solche, die vorher aus
Bessarabien geflohen waren. Am 16.September 1941 wurden "1.046 rumänische
Juden ins Lager gebracht. Etwa die Hälfte war wegen des Verdachts,
Kommunisten zu sein, aus der Heimat verbannt worden." Nun war nicht mehr die
transnistrisch-rumänische Gendarmerie, sondern das Bukarester
Innenministerium zuständig. Unter den zuletzt 1.179 Häftlingen waren ca. 200
Sozialdemokraten, 130 Kommunisten und 107 Frauen. Ein Lagerkomitee der
Häftlinge sollte beim Überleben entscheidend helfen.
Dieses Konzentrationslager erlangte seine traurige Berühmtheit durch eine
Erbsenart, die normalerweise als Pferdefutter dient (Latyrus sativus):
"Innerhalb weniger Wochen tauchten die ersten Symptome der spastischen
Paraparese auf, eine Krankheit, die das Knochenmark angreift, die Muskeln
der unteren Gliedmaßen lähmt und schließlich die Funktion der Nieren
beeinträchtigt. Im Januar 1943 litten Hunderte Gefangene in Wapniarka an
dieser Krankheit. Die Häftlinge traten in den Hungerstreik und forderten
medizinische Hilfe. ... Erst Ende Januar 1943 wurde die Ernährung mit dem
die Krankheit verursachenden Tierfutter eingestellt. . . " , viele blieben
lebenslang gelähmt.
Später stellte sich heraus, dass 427 Personen überhaupt ohne jeden Grund
inhaftiert waren; das Lager wurde im Oktober 1943 aufgelöst, 54 Kommunisten
alsdann in das Gefängnis von Rybnitza gebracht und dort fast alle ermordet.
Darüber hat Matei Gall in der Edition Shoáh & Judaica
bewegende autobiographische Erinnerungen unter dem Titel 'Finsternis'
veröffentlicht (Konstanz 1999).
Geza Kornis beschreibt im folgenden seinen Leidensweg von Verhaftung und
Folter bis ins KZ Wapniarka, das Lagerleben, die Lähmungstragödie und den
Hungerstreik, dann sein Leben im Ghetto Olgopol, musterhafte Menschen und
seine Befreiung aus einem rumänischen Arbeitslager, womit er Matei Galls
Darstellung und andere Zeugenberichte bestätigt und ergänzt.
Es handelt sich hier um einen Auszug aus seinen umfangreicheren
autobiographischen Aufzeichnungen, geschrieben in den Jahren 2002 bis 2003.
Wir sind dankbar für diese weitere Schrift zur Schoah in Rumänien,3 denn was
aufgeschrieben, veröffentlicht und in einigen Bibliotheken der Welt
aufgehoben ist, bleibt nachlesbar und wird vielleicht nicht so schnell
vergessen.
Gewidmet allen, die bei den Deportationen in Transnistrien ums Leben
kamen |