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Das Schwarzbuch des Dschihad:
Aufstieg und Niedergang des Islamismus

Von Andrea Woeldike


Gilles Kepel, Das Schwarzbuch des Dschihad.
Aufstieg und Niedergang des Islamismus.
Piper Verlag 2002
Euro 29,90

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Mehr als fünf Jahre recherchierte Gilles Kepel für sein ehrgeiziges Projekt 'das Phänomen des Islamismus' in seiner Gesamtheit darzustellen. Seiner Ausbreitung und Verflechtungen in den letzten 25 Jahren in den diversen Ausprägungen nachzuspüren, sowie die unterschiedlichen Reaktionen der davon betroffenen Länder aufzuzeigen. Dieses Buch, welches auf französisch im Jahr 2000 erstveröffentlicht wurde und dieses Jahr auf deutsch erschien, zeichnet detailreich von Kairo über Riad, Kuala Lumpur, Teheran, Karthum bis Peshawar, Kabul und Algier, die Entstehung, Finanzierung und Unterstützung dieser Bewegungen nach.

Ebenso wie es einigen dieser islamistischen Bewegungen gelang an die Macht zu kommen, z. B. Khomeni im Iran oder den sudanesischen Islamisten und anderen wiederum nicht, obwohl sie teilweise dieselbe Schlagkraft besaßen. Jedoch, so das Fazit von Kepel, sei seit Mitte der 90er ihr allmählicher Niedergang zu konstatieren, und das zunehmende Bestreben der islamischen Länder einen Weg in eine 'muslimische Demokratie' zu suchen. Womit dem Autor in Bezug auf die Regierungsebene vieler islamischer Staaten recht gegeben werden muss, doch entgleitet parallel zu dieser Entwicklung, nicht nur staatlicherseits, sondern ebenso den 'islamistischen Organisationen' selbst, die Kontrolle über ihre einstigen Zöglinge, die Dschihadisten.

So ist denn auch dem Vorwort, welches Kepler der deutschen Ausgabe noch voranstellte, eine gewisse Verunsicherung anzumerken. Letztendlich kann er in diesem, im Januar 2002 geschriebenen, nur die Hoffnung formulieren, dass Terrorismus nicht unbedingt Ausdruck einer Stärke der Bewegung sei. Zwar spricht er von der weltweiten frappanten Zunahme des 'antiamerikanischen Ressentiments' und dem Versuch der Dschihadisten diese in Verbindung mit der Propagierung eines 'Ur – islams' zu dynamisieren. Um dann merkwürdig unbestimmt und verallgemeinernd, besonders in Bezug auf den Nahen Osten, Formulierungen zu gebrauchen wie: "Unabhängig davon, worin die Ursachen für dieses Wiederaufleben der Gewalt zu sehen sind...", ohne auf die zunehmende Islamisierung und den massenhaften Andrang der 'Märtyreranwärter' nur ansatzweise einzugehen.

Ausgehend von der Feststellung, der aufkommende Islamismus der siebziger Jahre im 20. Jahrhundert sei als die Negation des Nationalismus der vorangegangenen Epoche zu begreifen, teilt er die darauffolgenden 25 Jahre in drei Phasen. Die erste Phase, welche bereits Ende der Sechziger von einigen Ideologen – dem Pakistani Maududi, dem Ägypter Saiyid Qutb und dem Iraner Khomeini - theoretisch fundiert wird und mit erfolgreichen islamischen Revolution 1979 im Iran, in die nächste Phase eintritt, ist besonders vom Dualismus zwischen Saudi – Arabien und dem Iran gekennzeichnet. "So wie der Iran unter Khomeini den radikalen Pol verkörpert, die Massen elektrisiert und die Entrechteten zum Kampf gegen die ungerechte Ordnung aufruft, so stellt die saudische Dynastie als Hüterin der heiligen Stätten von Mekka und Medina ihren sagenhaften Reichtum in den Dienst einer konservativen Gesellschaftsordnung; sie preist die Sittenstrenge und finanziert in deren Namen die weltweite Verbreitung aller Gruppen beziehungsweise Parteien, die sich darauf berufen." (S.28). Erbittert kämpfen die Akteure, besonders bei der mittellosen städtischen Jugend und zugleich beim frommen Mittelstand um die Definition des Begriffs 'Islamismus'. Die Regierungen diverser islamischer Staaten wie Ägypten, Pakistan oder Malaysia, fördern die islamischen Aktivitäten in ihren eigenen Ländern, als Bollwerk gegen den immer noch viel bedrohlich erscheinenden Sozialismus. Allerdings gelingt es ihnen nicht immer, die von ihnen selbst angestoßenen Massenbewegungen letztendlich zu kontrollieren, wie z.B. 1981 die Ermordung des ägyptischen Präsidenten Sadats durch die Gruppe 'Al Dschihad' zeigte.

Seit den Achtzigern bestimmten dann die islamistischen Bewegungen die Debatten über die zukünftige Organisation der Gesellschaft in der gesamten islamischen Welt. In der Utopie eine 'neue, heile Welt' jenseits von Materialismus auf der Grundlage des Urislams aufzubauen, die gerechte Gesellschaft wiederherzustellen, einen Staat zu gründen der dem vom Propheten in Medina errichteten, gleichen sollte, konnten sich alle wiederfinden. Nachdem den Regierungen zunehmend deutlich vor Augen geführt worden war, welche Anziehungskraft diese Bewegungen besaßen und wie gefährlich sie ihnen werden konnten, setzten die Machthabenden alles daran, diese zu spalten indem sie die verschiedenen sozialen Gruppierungen innerhalb der Islamisten gegeneinander auszuspielen versuchten. Jedoch sehen sie sich in jenen Jahren zunehmend gezwungen zumindest auf kulturellem und moralischen Gebiet Zugeständnisse an die sich re – islamisierenden Massen zu machen. So sah sich die pakistanische Regierung unter General Zia – ul – Haq 1979 genötigt die Schari’a einzuführen, wie sie sich auch außerstande sah gegen die neu entstehenden islamistischen Koranschulen (1) vorzugehen.

Der im Dezember 1979 erfolgte Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan, um der befreundeten, in Bedrängnis geratenem, kommunistischen Regierung zu Hilfe zu eilen, bot allen militanten (sunnitischen) Islamisten, die von einem Kampf gegen die 'Ungläubigen' träumten das lang ersehnte Betätigungsfeld. Finanzielle Unterstützung erhielt dieser Dschihad, eben nicht nur von den USA, sondern besonders von den Monarchien der arabischen Halbinsel, die sich nicht nur daraus motivierten, die bedrohlich nahekommende Sowjetunion von ihren Grenzen fernzuhalten, sondern sich zugleich der innenpolitischen Bedrohung zu entledigen. Dem Kampf in Afghanistan wurde von islamistisch – sunnitischer Seite zum aktuell weltweit wichtigsten erklärt.

Zunehmend setzte sich hier die Interpretation des palästinensischen Muslimbruders Azzam von Dschihad durch, den er als die Verpflichtung jedes Muslims begriff, selbst zur Waffe zu greifen, ohne jemandem Rechenschaft darüber ablegen zu müssen – dazu sei er erst im Jenseits verpflichtet -; "diese Pflicht erlischt nicht mit dem Sieg in Afghanistan, und der Dschihad bleibt eine individuelle Verpflichtung, bis jedes andere Land, das muslimisch war, an uns zurückfällt, damit dort wieder der Islam regiert....Unsere jetzige Präsenz in Afghanistan [...] bedeutet nicht, dass wir Palästina vergessen haben. Palästina ist unser schlagendes Herz, es kommt in unserem Geist, unseren Gefühlen, unserem Glauben vor Afghanistan."(2)

1989 erreicht die islamistische Bewegung ihre größte Ausdehnung: Die Hamas verdrängt die PLO aus ihrer Vormachtstellung, in Algerien geht die 'Islamische Heilsfront' (FIS) aus der Wahl als Siegerin hervor, im Sudan putscht sich der islamistische Ideologe Hassan Turabi unter Zuhilfenahme des Militärs an die Macht und in Afghanistan tritt die rote Armee den Rückzug an, womit sie aller Welt den Sieg des Dschihad bestätigt, während Khomeini seine Niederlage gegenüber dem Irak, mit der Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie zu kompensieren versucht. Mit diesem Aufruf zum Mord wird die islamische Gemeinschaft auf die westliche Welt ausgedehnt.

Doch mit der Invasion Kuwaits durch Saddam Hussein 1990 zerbricht der islamistische Konsens den das saudische System trotz der iranischen Revolution, bisher aufrecht erhalten konnte. Neben der Spaltung der ‚islamischen Konferenz’, ist diese Phase vor allem durch den Kampf der Dschihadisten gekennzeichnet, welche nach dem Sieg in Afghanistan, sich fortan jeder Kontrolle entzogen, und versuchten ihren 'Gotteskrieg' in diversen Ländern fort zu führen. Dabei kaprizierten sie, wie z.B. die algerische Gruppe GIA, ihren Kampf zunehmend auf einem Kampf gegen die eigene Bevölkerung.

Das Manko dieses lesenswerten Buches besteht v.a. darin, dass die diversen islamischen Ausrichtungen zwar benannt werden, aber ihr Verständnis wie die zukünftige Gesellschaft auszusehen habe, sowie diese zu erreichen sei, wenn überhaupt nur schlagwortartig abgehandelt wird. So findet der Antisemitismus, der z.B. für die Muslimbrüderschaft unter ihrem Gründer Hassan al Banna konstituierend war, keine Erwähnung. Ebenso wie das 'Zinsverbot' und das daraus resultierende islamische Bankwesen zwar beschrieben wird, aber nicht hinterfragt wird, inwiefern dies die – durchaus konstatierte - Ablehnung von 'Materialismus' 'des Abstrakten' etc. forcierte. Und der Hass auf Israel, der als movens der islamistischen Bewegungen beschrieben werden muss, findet sich höchstens in Nebensätzen wieder. Und genau deshalb – um den Bogen zu schließen – kann das eingangs kritisierte Vorwort die breite Zustimmung, die die suizidalen Massenmorde erfahren, nicht erfassen.

Anmerkungen:
(1) Aus diesen Medresen, den Deobandi –Schulen gingen dann die Taliban hervor
(2) A. Azzam zit. n. Kepel: S. 184.

hagalil.com 22-12-02











 

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