Stefanie Endlich:
Wege zur Erinnerung Gedenkstätten und –orte für die Opfer des
Nationalsozialismus
Metropol Verlag 2007
Euro 29,90
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Berlin-Brandenburg:
Topografie des Terrors
Stefanie Endlich publiziert das bislang
beste Guide-Book zu Gedenkstätten und –orten für die Opfer des
Nationalsozialismus
Von Martin Jander
In die Jacke oder den Mantel passt es nicht, das neue
Buch von Stefanie Endlich. Man braucht schon eine größere Tasche wenn man es
auf eine Tour durch Berlin oder Brandenburg mitnehmen will. Das aber sollte
man tun. Es gibt bislang keinen besseren Begleiter, der bei der Suche nach
Gedenkstätten und –orten für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin und
Brandenburg behilflich ist.
Berlin und sein Umland sind mit Spuren des
nationalsozialistischen Völkermords und seiner Opfer übersäht. Lange Zeit
eher missachtet und in den Zeiten des Kalten Krieges häufig vom
geschichtspolitischen Eifer der östlichen aber auch westlichen Nachfahren
der Täter überformt, entwickelt sich heute eine Erinnerungslandschaft, die
auch für einigermaßen belesene Menschen kaum noch überschaubar ist.
Das Buch ist so aufgebaut, dass der historisch
Interessierte sich seine eigenen Erkundungen zusammenstellen kann. Aber auch
der pädagogisch und politisch Tätige bekommt alle wesentlichen Informationen
für die Vorbereitung von Klassenfahrten, Studientagen und Exkursionen. Die
Autorin hat sich darüber hinaus entschieden das Buch für diejenigen Besucher
Berlins und Brandenburgs zu schreiben, die den Verbrechen des
Nationalsozialismus und ihren Opfern nicht thematisch folgen wollen, sondern
die sich gewissermaßen als Spaziergänger von Bezirk zu Bezirk fortbewegen.
Der Band ist die wesentlich erweiterte Fassung eines Wegweisers zu den
NS-Gedenkstätten in Berlin, der zum ersten Mal 1995 erschien.
Über die ersten Informationen zu jedem Gedenkort hinaus
enthält der Band zu jedem Ort relevante Literaturhinweise. Sicher wird man
auch trotz dieses Buches heute in Berlin noch unentdeckte Spuren des
Holocaust finden, die Zeit in der das Heer der Stadtführer und
Stadtführerinnen aber mit der Erkundung "noch nie gesehener" Orten warb, ist
vorbei.
Das Buch ermöglicht dem Besucher vor allem zu verstehen,
was er "vor Ort" eigentlich zu sehen bekommt. Viele der authentischen Orte
haben nicht nur ihre Geschichte im Nationalsozialismus, sie haben auch ihre
Geschichte danach. Die sichtbaren Spuren der Verbrechen, der Täter und ihrer
Opfer sind immer nur Ausschnitte. Manchmal wurden, weil jede andere Spur
fehlt, Erinnerungszeichen (z. B. die "Stolpersteine") neu aufgestellt. Bei
Stefanie Endlich erfährt man, was man sieht.
Der Holocaust wird in der Vorstellung der Gedenkorte in
Berlin und Brandenburg tatsächlich umfassend sichtbar und nachvollziehbar.
Die Autorin hat sehr bewusst darauf geachtet, dass die "Täterorte", die hier
natürlich in großer Zahl vorhanden sind, die Stimmen der Opfer nicht
erschlagen. Auch die Einführungen zur Geschichte der Orte sind so
geschrieben, dass hier nicht eine einseitige Geschichte entsteht, die vor
lauter Tätererklärung die Ermordeten und Überlebenden gewissermaßen ein
zweites Mal in die Unsichtbarkeit verdammt.
Das Buch ist sehr solide gemacht und zeugt von großer
Detailkenntnis, die Touristen, Lehrern, Schülern und Zeitzeugen, die nach
den Spuren des Holocaust suchen große Dienste leisten wird. Dabei kann es
nicht ausbleiben, dass die eine oder andere Information fehlt. So hat
Stefanie Endlich z.B. leider vergessen, die mittlerweile kaum noch sichtbare
sozialdemokratische Geschichte der "Gedenkstätte der Sozialisten" (Gräber
von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht) zu erwähnen (S. 156ff). Die
kommunistische Geschichte dieses Gedenkortes referiert sie wohl. Die SED
überformte mit dem Bau der Gedenkstätte aber das vorher dort liegende
Gräberfeld der Sozialdemokratie, das von den Nationalsozialisten zerstört
worden war. Der Zwangsvereinigung der Parteien in der sowjetischen
Besatzungszone folgte die Zwangsvereinigung ihrer prominenten Toten auf dem
Friedhof. Das wird aus dem Artikel überhaupt nicht deutlich.
Aber das ist wirklich nur eine Kritik am Rande. Der Band
ist von unschätzbarem Wert für alle, die sich aus welchen Gründen auch immer
in Berlin und Brandenburg auf die Spurensuche nach dem Holocaust begeben.
Abgerundet wird er durch eine klug ausgewählte Liste wesentlicher Literatur
zur Gedenkstättenpädagogik, die Wolf Kaiser (Haus der Wannseekonferenz)
zusammengetragen hat. Ein Buch, das man haben muss.
hagalil.com
28-12-06 |