Matthias Brosch, Michael Elm, Norman Geißler, Brigitta
Elisa Simbürger, Oliver von Wrochem (Hrsg.):
Exklusive Solidarität. Linker Antisemitismus in Deutschland Berlin
2007 Metropol Verlag, 439 S.
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Exklusive Solidarität:
Deutscher Gewerkschaftsbund und Antisemitismus
Die DGB nahe
Hans-Böckler-Stiftung beschäftigt sich mit Antisemitismus und Antizionismus
in den eigenen Reihen. Soeben erschien eine lobenswerte Untersuchung im
Metropol-Verlag (Berlin). Ganz so mutig wie sie auf den ersten Blick
erscheint, ist sie dann doch nicht.
Von Martin Jander
Menschen aus der Solidarität auszuschließen, ist für
die Gewerkschaften einer der Vorwürfe, die an die Substanz gehen.
Schließlich verstehen sie sich als Organisation aller Arbeitnehmer ohne
Ansehen des Bildungsstandes, der Herkunft, der Nationalität, der kulturellen
oder religiösen Orientierung. Dennoch müssen sich der DGB und seine
Einzelgewerkschaften mit dem Vorwurf eingeschränkter Solidarität in letzter
Zeit häufiger auseinandersetzen. Das gerade neu erschienene Buch mit dem
Titel "Exklusive Solidarität" entstand aus einem gewerkschaftsinternen
Konflikt über das Thema Antisemtismus.
Stipendiaten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hatten über eine
Mailingliste zu einem Projekt deutsch-irakischer Kooperation aufgerufen, in
dem die angeblich "ausbeuterischen" Interessen angelsächsischer Länder
beschworen und Israel als "zionistisches Gebilde" bezeichnet wurde.
Daraufhin entbrannte
heftiger Streit.
"Antisemitismus" riefen die einen, "Philosemitismus" schallte es zurück. Die
Stiftung sah sich 2004 genötigt eine Konferenz zum Thema einzuberufen.
Einige Tagungsbeiträge, ergänzt um später erstellte Analysen, liegen nun
vor.
Den Herausgebern ist zu bescheinigen, dass sie den wohl umfassendsten
Überblick zum Thema Antisemitismus und Antizionismus in der deutschen Linken
zustande gebracht haben. Von Karl Marx berüchtigter Schrift "Zur Judenfrage"
(1843) bis hin zu der nicht selten antisemitisch motivierten "Israelkritik"
unserer Tage werden alle relevanten links-antisemitischen Traditionslinien
vorgestellt und kritisch kommentiert. Die meisten der Autoren, z. B. Micha
Brumlik, Thomas Haury, Martin Kloke - seinen Beitrag kann man inzwischen
im Internet nachlesen - und Andrei S. Markovits, hatten in den
vergangenen Jahrzehnten großen Anteil daran, dass der linke Antisemitismus
überhaupt zum Skandal wurde. Lange galt er als gar nicht existent.
Die Linke, so wurde (und wird) argumentiert, sei ein Kind der Aufklärung,
die gleichen Rechte aller Menschen der innerste Kern ihrer Überzeugungen.
Tatsächlich jedoch zeigt die Realanalyse gewerkschaftlicher,
sozialdemokratischer und kommunistischer Politik und Ideen in Deutschland
bis heute, dass nicht wenige Linke zwischen "Kosmopolitismus und
Ressentiments" (Lars Rensmann) pendeln. Der Antisemitismus gehört zwar nicht
strukturell zur Idee des Sozialismus, hat aber trotzdem eine lange mit ihr
verbundene Geschichte.
Das für lesende Gewerkschafter wohl eindringlichste Stück exklusiver
Solidarität wird im Beitrag von Jörg Wollenberg ausgepackt. Er zeigt die
lange Traditionslinie, die sich in den deutschen Gewerkschaften von der
nationalen Begeisterung im 1. Weltkrieg, über die Unterwerfung unter die
nationalsozialistische Ideologie am Vorabend ihrer Zerschlagung 1933 bis hin
zur Abwehr der Rückkehr jüdischer Emigranten nach 1945 entfaltet.
Ganz so mutig wie das Unternehmen auf den ersten Blick erscheint, ist es
jedoch nicht. Seit 2005 wissen die deutschen Gewerkschaften aus einer von
der Hans-Böckler- und der Otto-Brenner-Stiftung geförderten repräsentativen
Untersuchung ("Gewerkschaften und Rechtsextremismus"), dass etwa 20 Prozent
ihrer organisierten Mitglieder rechtsradikal eingestellt sind. Ein Hinweis
auf diese Forschungsergebnisse, die Bodo Zeuner u. a. von der FU-Berlin
erhoben haben, sucht man in dem Band vergeblich.
Im Internet sind die Ergebnisse allerdings verfügbar.
Nicht ganz ohne Bedeutung scheint zu sein, dass der Band nicht von der
Hans-Böckler- Stiftung selbst herausgegeben wurde, sondern von einem
Stipendiaten-Team. Man gewinnt den Eindruck, die Stiftung - die den Band und
die Tagung großzügig gefördert hat - will sich mit dem Buch nicht allzu sehr
in der Öffentlichkeit ausstellen?
Trotz solch kritischer Anmerkungen kann man den Sammelband nur rundheraus
empfehlen: ein Meilenstein der soliden Analyse der vielen Facetten des
linken deutschen Antisemitismus und Antizionismus.
hagalil.com
01-02-07 |