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"Ganz normale Österreicher" und die Judenvernichtung in Ostgalizien:
"Wir als Wiener waren ja bei der Bevölkerung beliebt"

Von Karl Pfeifer


Thomas Geldmacher, "Wir als Wiener waren ja bei der Bevölkerung beliebt". Österreichische Schutzpolizisten und die Judenvernichtung in Ostgalizien 1941 - 1944
Mandelbaum Verlag Wien 2002, 180 Seiten, ISBN 3-85476-069-8
Euro 17.90

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Dieser Ausspruch gibt das Selbstbild der meisten österreichischen Schutzpolizisten wieder, die von 1941 bis 1944 an der Judenvernichtung in Ostgalizien unmittelbar beteiligt waren. Thomas Geldmacher, der Politikwissenschaft, Zeitgeschichte und Slawistik studierte, hat ein wichtiges Buch über "Österreichische Schutzpolizisten und die Judenvernichtung in Ostgalizien 1941-1944" geschrieben und es ist dem kleinen Wiener Mandelbaum Verlag zu danken, dass es das Risiko auf sich genommen hat, dieses Buch, das ein gerne verschwiegenes Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte beleuchtet, herauszugeben.

Die Angehörigen des Reserve-Polizeibataillons 101 stammten zum Großteil aus Hamburger Arbeiterfamilien, und die Wiener "Kieberer" (Polizisten), die im Distrikt Galizien eine Hauptrolle bei der Judenvernichtung spielten, waren zum überwiegenden Teil in christlichsozial dominierten ländlichen Milieus aufgewachsen. Bei ihrem Abmarsch nach Galizien hatten die meisten Männer ihren 40. Geburtstag bereits hinter sich.

Der Autor dokumentiert, dass dies kein Verbrechen war, das von einigen hundert verblendeten, wahnsinnigen oder sadistischen SS- und Gestapo-Schergen verübt wurde. Die Beteiligung sowohl von gewöhnlichen Wehrmachtssoldaten wie auch von Angehörigen der Ordnungspolizei rückt die nationalsozialistische Judenvernichtung zunehmend in die Mitte der deutschen und österreichischen Gesellschaft der Dreißiger- und Vierzigerjahre.

Anders als beispielsweise die Eliten der Sicherheitspolizei und des SD waren sie keine nationalsozialistisch geprägten Überzeugungstäter, die über Jahre hinweg an den deutschen oder auch österreichischen Universitäten umfangreiche ideologische Schulung und einschlägige Erfahrungen an angewandtem Antisemitismus gesammelt hatten. Dennoch ließen auch sie sich beinahe umstandslos und ohne erkennbaren Widerstand für die Judenvernichtung instrumentalisieren.

War es simple Habgier die sie trieb? Immerhin fand man nach dem Krieg in den Wohnungen der Wiener Polizisten Schätze, die diese von Juden geplündert bzw. erpresst hatten. Doch es war nicht nur Habgier. Ein Polizist sagte aus: "Der Held erschien allgemein umso größer, je mehr Juden er erschossen oder drangsaliert hatte." Der Autor fragt: "Machte es den Schutzpolizisten also Spaß, Juden zu misshandeln und zu töten, und rechneten sich die Männer diese Misshandlungen und Morde als Verdienst an?"

Die Männer der Schutzpolizei-Dienstabteilungen in Drohobycz und Boryslaw waren ganz normale Österreicher. Es gibt keinen plausiblen Grund zur Annahme, dass die Wiener Sicherheitswache in den Zwanzigerjahren vorwiegend latente Gewalttäter einstellte. Ebenso wenig existieren Hinweise, dass die Schutzpolizisten schon vor ihrer Versetzung nach Galizien durch besondere Brutalität aufgefallen oder das Gewaltbereitschaft und eine Veranlagung zur Quälerei Bestandteile des "Osteinsatz"-Anforderungsprofils für Schutzpolizisten gewesen wären.

Hoch anzurechnen ist dem Autor auch, dass er eine "polemische Schlussbemerkung" zu der Gedenktafel macht, die am 18. Januar 2000 in der Wiener Marokkanerkaserne angebracht wurde und die auf die Rolle der Wiener Schutzpolizisten während der Zeit des Nationalsozialismus hinweisen soll. "In der Zeit von 1938 bis 1945 hat es in den Reihen der Wiener Schutzpolizei auch Täter und Opfer des nationalsozialistischen Gewaltregimes gegeben. Schutzpolizisten wurden zu Verbrechen an Juden und anderen Opfern missbraucht. Dieses Werk ist Mahnung und Gedenken an Menschen, deren Leid, deren Not, deren Mut, deren Schuld und deren Lebensverachtung."

Allein die eineinhalb Seiten, mit denen Thomas Geldmacher diese Tafel kommentiert ist schon Grund genug, dieses Buch käuflich zu erwerben. Dem Buch ist weite Verbreitung, insbesondere bei Jugendlichen zu wünschen, und in einem zukünftig wirklich demokratischen Österreich sollte sich auch jeder Polizist und Soldat mit diesem Buch auseinandersetzen.

hagalil.com 10-02-03











 

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