Efraim Karsh:
Imperialismus im Namen Allahs
Von Muhammad bis Osama Bin Laden
DVA 2007
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Aufrüttelnde Analyse:
Imperialismus im Namen Allahs
Rezension von Karl Pfeifer
Efraim Karsh ist Leiter des Mediterranean Studies Programme am
King’s College der University of London und eine international
anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Geschichte und Politik des Nahen
und Mittleren Ostens. Er ist Autor zahlreicher Bücher und es ist zu
hoffen, dass diesem ersten deutschsprachigen Buch mehrere andere folgen
werden.
Er leitet sein Buch mit der Abschiedsbotschaft des Propheten Muhammad,
März 632 ein: "Mir wurde aufgetragen, alle Männer so lange zu bekämpfen,
bis sie sagen: Es gibt keine Gottheit außer Gott", ähnliche Sprüche
gaben auch Saladin, Ayatollah Ruhollah Khomeini und Osama bin Laden von
sich.
Der Autor beginnt mit dem Kapitel "Der kriegerische Prophet" und
schildert u.a. die Vertreibung und physische Vernichtung der Juden von
Medina, die begleitet war vom zunehmenden Bruch des Islam mit seinen
jüdischen (und in geringerem Maße christlichen) Ursprüngen. Obwohl
Muhammad einige jüdische Rituale übernahm, wurde er nicht von Juden
unterstützt, sie wurden zu seinen schärfsten Kritikern, die vor allem
auf Lücken und Unstimmigkeiten im Koran sowie auf dessen abweichende
Darstellung der Erzählungen aus dem Alten Testament hinwiesen.
Verbittert begann Muhammad die Juden in seinen Offenbarungen als Volk
von Abweichlern und Verrätern hinzustellen, das die Propheten in der
Vergangenheit verfolgt und die Heilige Schrift gefälscht habe. Danach
änderte er die Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka. Das war ein
kluger Schachzug, der es ermöglichte seine noch junge Religion mit der
heidnischen Verehrung für diese Stadt zu verknüpfen.
Dann schildert Karsh den Aufstieg und Fall der islamischen Reiche, die
alle die eigene Herrschaft ausdehnen wollten, und dabei die Verbreitung
des Islam postulierten.
Karsh erklärt auch wie dhimmis, d.h. schutzbefohlene Juden und Christen
einer institutionellen Diskriminierung unterworfen wurden, wie man
diesen u.a. auch verbat muslimische Frauen zu heiraten, ein Verbot, das
bis heute aufrecht bleibt.
Er schildert die Geschichte aller islamischen Reiche, bis zum Scheitern
des osmanischen Reiches 1918 und räumt dabei mit der Legende auf, dass
die Entente die Türkei zum Krieg zwang. Selbst als am 29. Oktober 1914
zwei deutsche Kreuzer den Schwarzmeerhafen Sewastopol beschossen und
osmanische Torpedoboote in einem eindeutigen Akt der Aggression, der
einen völlig legitimen casus belli, gegen das Osmanische Reich hätte
darstellen können, russische Schiffe in Odessa angriffen, versuchte die
Entente noch immer einen Krieg zu vermeiden.
In der türkischen Kriegserklärung hieß es: "Unsere Beteiligung am
Weltkrieg dient der Behauptung unseres nationalen Ideals. Das Ideal
unserer Nation und unseres Volkes zwingt uns dazu, unseren Moskowiter
Feind zu vernichten, um so eine natürlich Grenze zu unserem Reich
aufrechtzuerhalten, das alle Zweige unserer Rasse umfassen und vereinen
soll."
Karsh schildert wie das osmanische Reich mit den Armeniern während des
Ersten Weltkriegs verfuhr, man schätzt, dass die Gesamtzahl der 1915
vertriebenen Armenier zwischen 1,2 und 1,4 Millionen war, wobei die eine
Hälfte hingemetzelt und die andere deportiert wurde. Es folgt die
Geschichte der persischen Reiche bis zum Scheitern des letzten Schahs
und dem Sieg der "islamischen Revolution". Dabei erwähnt er wie bereits
am Anfang des 20. Jh.s Bahais massakriert wurden.
Nach der Zerschlagung des osmanischen Reiches träumten die arabischen
Könige und Führer von einem Imperium, es entstand der Panarabismus, der
darauf bestand, dass es nur eine einzige arabische Nation gäbe. Sie
verbreiteten Legenden, wie diejenige, dass die Briten mit der Balfour
Erklärung die Araber verraten hätten. Karsh zeigt auf, dass dies nicht
stimmt.
Bald verwandelten sie einen bilateralen Streit zwischen Arabern und
Juden in Palästina zu einen panarabisch-jüdischen Konflikt und machten
Gewalt zum Hauptinstrument, um sich den nationalen Bestrebungen der
Juden zu widersetzen.
Wer weiß noch, das ein bedeutender arabischer Historiker vor einem
angloamerikanischen Untersuchungsausschuss 1946 erklärte: "Historisch
betrachtet gibt es so etwas wie Palästina überhaupt nicht."
Das Buch beinhaltet viele wichtige Informationen, die zum großen Teil
nicht bekannt sind. So berichtete der amerikanisch-arabische
Wissenschaftler Edward Said, dass er nachdem sich Begin und Sadat
einigten, einen Vorschlag der Regierung Carter zum Kompromiss mit Israel
an Yassir Arafat überbrachte die Antwort erhielt: "Wir wollen Palästina.
Wir sind nicht an Teilen Palästinas interessiert. Wir wollen nicht mit
den Israelis verhandeln. Wir werden kämpfen."
Karsh beweist anhand von konkreten Beispielen, dass die Großmächte –
entgegen aller Propaganda – nicht die Macht hatten, ihren Willen den
Staaten des Nahen Ostens aufzuzwingen.
"Auch die amerikanische Vormachtstellung nach dem Kalten Krieg konnte
nicht verhindern, dass sich ähnlich katastrophale Fehler [wie im Iran
vor und nach der Machtergreifung Khomeinis K.P.] wiederholten. Als
Supermacht mit globalen Interessen, doch mit nur begrenzter Fähigkeit,
die sozialen, kulturellen und politischen Interessen zu verstehen,
gelang es den USA oftmals nicht, ungünstige regionale Entwicklungen zu
erkennen, noch ehe sie zu echten Konflikten eskalierten. Diese Tendenz
ist nach dem Ende des Kalten Krieges nicht verschwunden, wie die
Anschläge des 11. September augenfällig demonstrieren."
Für die muslimischen Monarchen bedeutete das Kalifat [das 1924 von der
türkischen Republik abgeschafft wurde] kaum mehr als eine zusätzliche
Legitimation für ihr Streben nach einem regionalen Reich. Sie hatten
wenig Interesse daran, ihren muslimischen Untertanen die Vorschriften
des Islam einzuschärfen oder gar Gottes Botschaft über das Haus des
Islam zu verbreiten. Die Islamisten hingegen nahmen sich die frühen
Eroberer des Islam zum Vorbild und streben nach nichts Geringerem, als
das bestehende internationale System durch das universelle Reich Gottes
zu ersetzen. Er schildert den Todeskult, den schon Hasan al-Banna, der
erste Anführer der Muslimbrüder bewarb, nach ihm kam Sayyid Qutb der die
Menschheitsgeschichte als manichäischen Kampf zwischen "der Partei
Gottes, [die] unter dem Banner Gottes steht und Seine Insignien trägt,
und der Partei des Teufels, [die] alle Gemeinschaften, Gruppen, Völker,
Rassen und Individuen umfasst, die nicht unter dem Banner Gottes stehen"
sah.
Karsh macht auf den schrecklichen Fehler der israelischen Führung
aufmerksam, den palästinensischen Zweig der Muslimbrüderschaft, die
Hamas – obwohl die sich wie die PLO die Zerschlagung des jüdischen
Staates auf die Fahnen geschrieben hat – zu unterstützen. Ihre Losung
lautet: "Gott ist das Ziel [der Hamas], der Prophet ist ihr Vorbild, der
Koran ihre Verfassung, der jihad ihr Weg und der Tod für die Sache
Gottes ihr höchster Glaube." Die Muslime – so steht es in der Charta der
Hamas "werden auch der zionistischen Invasion die Stirn bieten und sie
besiegen. Das wird Gott nicht schwerfallen, wenn unsere Absichten rein
sind und unsere Entschlossenheit aufrichtig ist; wenn die Muslime
nützliche Lehren aus den Erfahrungen der Vergangenheit ziehen und sich
von den Resten des [westlichen] ideologischen Angriffs befreien; und
wenn sie den Traditionen des Islam folgen."
In seinem Epilog schildert Karsh, wie Islamisten die wachsende Zahl von
Muslimen in Europa als Zeichen dafür betrachten, dass dieser Kontinent
Teil des Hauses des Islam geworden ist. Insbesondere in Deutschland [und
in Österreich K.P.] wurden zahlreiche Islamisten, welche vor der
Verfolgung in ihren Heimatländern flohen, bereitwillig aufgenommen und
haben sich die Muslimbrüder erfolgreich (und mit großzügiger
finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien) als die eigentliche
Vertretung der Muslime etabliert. Seit Anfang der 1990er Jahre
verwandten die Muslimbrüder beträchtliche Mühe darauf, ihre
verschiedenen Vertretungen über eine Reihe paneuropäischer
Organisationen wie etwa die Federation of Islamic Organizations in
Europe zusammenzuführen. Im September 1996 gründeten sie das Forum of
European Muslim Youth and Student Organisations (FEMYSO) mit Sitz in
Brüssel, das sich rasch zum De-facto-Vertreter der muslimischen Jugend
in Europa entwickelte. " Im Herbst 2003 musste die deutsche
Öffentlichkeit erschrocken zur Kenntnis nehmen, dass muslimische Kinder
in von Saudi-Arabien finanzierten Moscheen und Schulen mit rassistischem
und antiwestlichem Gedankengut gefüttert wurden. Ähnliches geschah auch
in Wien. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Dr. Yusuf Qaradawi, ein geistlicher Führer der Muslimbrüder, der eine
Bekehrung der europäischen Bevölkerung zum Islam predigt, meint sollten
friedliche Mittel nicht ausreichen, kann ohne weiteres auch physische
Gewalt zur Anwendung kommen.
Trotz aller erregten antiwestlichen Rhetorik haben muslimische und
arabische Herrscher bei all ihren Kriegen und Intrigen gegen andere
Araber und Muslime, wann immer es ihren Interessen diente, die
Unterstützung und den Schutz der von ihnen so verachteten "ungläubigen"
Mächte gesucht. Während die persischen Schahs die europäischen
Großmächte zur persönlichen Bereicherung nutzten, kämpfte Scharif
Hussein in gemeinsam mit den britischen "Ungläubigen" gegen seinen
muslimischen Oberherrn, um seine imperialen Ambitionen zu befördern, und
sein Urenkel, König Hussein von Jordanien, vertraute wiederholt auf
britische, amerikanische und israelische Hilfe, um seinen Thron zu
sichern.
Was die arabischen Führer von den Palästinensern halten, wird auch
geschildert. Wer von denen, die jammern, dass doch der Gazastreifen ein
riesiges Internierungslager wäre, will sich daran erinnern, dass das
Idol der arabischen Umma, Gamal Abdul Nasser den Palästinensern im
Gazastreifen nie das Selbstbestimmungsrecht gewährte, das Gebiet blieb
bis 1967 militärische Besatzungszone, in der die lokale Bevölkerung
strenger Kontrolle unterlag, nicht die ägyptische Staatsangehörigkeit
erhielt und rigiden Reisebeschränkungen unterworfen war?
Ein bekannter ägyptischer Schriftteller klagte: "Doch nach allem, was
gesagt und veröffentlicht wurde, beliefen sich unsere Verluste allein in
den jüngsten Kriegen auf schätzungsweise vier Milliarden Pfund... hätte
man diesen Betrag den ägyptischen Dörfern zukommen lassen, von denen es
etwa 4000 gibt, so hätte jedes Dorf gut eine Million Pfund bekommen. Mit
einer solchen Summe hätte man die Dörfer völlig neu gestalten und auf
das Niveau der Dörfer in Europa bringen können. Doch unsere ägyptischen
Dörfer blieben in ihrem traurigen Zustand und unsere Bauern in
Unwissenheit, Krankheit und Armut."
Die Kosten der imperialen Träume im Namen Allahs mussten und müssen die
Völker bezahlen. Milliarden – auch von Steuern der EU-Bürger – flossen
und fließen in die Taschen der palästinensischen Kleptokraten und der
Islamisten, doch wenn Palästinenser leiden, dann werden nicht ihre
Führer verantwortlich gemacht, die ja bekanntlich nie die Verantwortung
für irgendetwas übernehmen, es sind immer die anderen, 'die Juden', 'die
Zionisten', 'die Imperialisten', denen man die eigenen Fehler und
Verbrechen in die Schuhe schieben kann.
Karsh hat mit seiner aufrüttelnder Analyse den Finger auf die Wunden
der muslimischen Welt gelegt, deren Fanatiker, die Islamisten noch immer
am imperialistischen Traum festhalten.
Der Wissenschaftler Efraim Karsh schreibt allgemeinverständlich und
zeigt uns eine Welt, die nicht mit falschen Analogieschlüssen – zum
Beispiel Vergleiche mit Nordirland – verstanden werden kann. Sein Buch
wird hoffentlich weite Verbreitung finden und zur Aufklärung über den
aggressiven Islamismus beitragen.
hagalil.com
01-07-07 |