Ein
dunkles Kapitel:
Banken unter dem Hakenkreuz
Welche
Rolle spielten die deutschen Bankiers in der Zeit des Nationalsozialismus?
Wie mächtig waren die deutschen Bankiers? Wie machten sie ihren Einfluss
geltend? Nutzten sie ihre guten Beziehungen zu führenden Nationalsozialisten
ausschließlich im Eigeninteresse oder auch, um Grenzen zu ziehen, Verfolgte
zu schützen?
Christopher Kopper beleuchtet in der ersten umfassenden Untersuchung zum
Thema die Biografien der Führungskräfte der wichtigsten Bankhäuser und ein dunkles Kapitel:
Nicht selten in vorauseilender Anpassung dienten die Spitzenbankiers von
wenigen Ausnahmen abgesehen vorbehaltlos dem NS-Regime, wirkten bei der
»Arisierung« jüdischer Unternehmen und Vermögen mit, stellten die Mittel für
das Rüstungsprogramm bereit, waren an Geschäften mit Gold und Devisen aus
den besetzten Ländern beteiligt und verschafften der SS Millionenkredite für
den Ausbau ihres Terrorsystems.
Nach dem Krieg konnten die meisten Angehörigen der Bankenelite ihre Karriere
ungehindert fortsetzen.
Christopher Kopper, geboren 1962, studierte Neuere
Geschichte, Volkswirtschaft und Politische Wissenschaften in Frankfurt a. M. und Bochum. Von 1998 bis 2003
war er Gastdozent an verschiedenen amerikanischen
Universitäten und lehrt heute an der Universität Bielefeld.
Aus der Einleitung zum Buch:
Die nationalsozialistische Herrschaft ging an keinem
Teil der deutschen Gesellschaft vorbei. Selbst eine so
einflussreiche und staatsunabhängige Großorganisation
wie die welt-umspannende katholische Kirche unterwarf
sich aus äußerem Zwang, aus Opportunismus und auch
aus eigener Überzeugung zumindest teilweise den Loyalitätsanforderungen des Naziregimes.
Auch unter den
aktiven Mitgliedern der Arbeiterbewegung, die bis 1933
der entschlossenste und stärkste Gegner der Nationalsozialisten war,
leistete nach der "Machtergreifung" nur eine Minderheit in irgendeiner Form
Widerstand.
Die deutschen Unternehmer und Manager waren während des "Dritten Reiches"
keine Ausnahme. Die Frage, inwiefern die deutsche Wirtschaftselite die
Politik des Naziregimes aktiv stützte oder sogar beeinflusste, ist auch
heute noch umstritten. Über die Rolle der Wirtschaft im Nationalsozialismus wurden seit den 60er
Jahren intensive Debatten geführt, die noch bis heute
andauern. Die Urteile über die Rolle der Wirtschaft und
der Unternehmer waren von den politischen Konjunkturen der Nachkriegszeit
keineswegs unabhängig. In dem von einer "Schlussstrich-Mentalität" geprägten
Klima der 50er und frühen 60er Jahre wurden Unternehmen vielfach als
Befehlsempfänger in einer "Kommandowirtschaft" gesehen und pauschal von ihrer Mitverantwortung freigesprochen.
Diesen unkritischen Darstellungen
folgte seit den späten 60er Jahren eine oftmals marxistisch inspirierte Kritik an der verhängnisvollen Macht der
Wirtschaft. Die These, dass die Großindustrie und die
Großbanken nicht nur zu den großen Profiteuren, sondern
auch zu den Initiatoren und Mitgestaltern der nationalsozialistischen Herrschaft gehörten, fand im unternehmenskritischen Meinungsklima der 70er und frühen
80er Jahren zahlreiche Anhänger.
Seit den 80er Jahren korrigierten gründliche, empirisch gesättigte wissenschaftliche Studien die bestehenden Vorurteile und Fehlurteile über Unternehmen im
"Dritten Reich".
Ende der 80er Jahre stellte sich die
Deutsche Bank als erste deutsche Großbank ihrer eigenen
historischen Verantwortung. Sie beauftragte angesehene
Historiker, ihre Rolle während des Nationalsozialismus
und seiner Vorgeschichte zu untersuchen. Die Dresdner
Bank und die Commerzbank folgten ab Mitte der 90er
Jahre dem gesellschaftlichen Trend, sich gegenüber der
nationalsozialistischen Vergangenheit zu öffnen. Dabei
spielten auch drohende Klagen vor amerikanischen Gerichten eine Rolle.
Die Beteiligung der Banken an der
Enteignung ("Arisierung") jüdischen Vermögens und
Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe ließen es
ratsam erscheinen, diesen dunklen Aspekt ihrer Vergangenheit schonungslos und gründlich aufarbeiten zu lassen.
Die heutigen Debatten um die Macht der Banken
werden nicht selten auch mit dem historischen Argument geführt, dass die
Großbanken bereits vor und vor allem während des "Dritten Reiches"
erhebliche wirtschaftliche Macht ausüben konnten. Blickt man auf den
Beginn der 30er Jahre zurück, so entsteht dagegen ein
scharfes Bild von der wirtschaftlichen Ohnmacht der
Banken. Obwohl die deutschen Großbanken am Beginn
der Weltwirtschaftskrise noch eine Dividende von 10%
ihres Grundkapitals ausschütten konnten, stand das
deutsche Bankwesen bereits auf tönernen Füßen.
Die Großbanken profitierten nur mit Verzögerung
von dem konjunkturellen Aufschwung durch die nationalsozialistische Arbeitsbeschaffungs- und Aufrüstungspolitik. Es dauerte bis 1936, ehe die Großbanken wieder
eine Dividende an ihre frustrierten Aktionäre ausschütten konnten.
Die strenge Kontrolle des Kapitalmarktes durch das Reich reduzierte die
Gewinnchancen in den traditionell ertragreichen Sparten des Investment
Banking, bei der Börsenplatzierung von Aktiengesellschaften, bei
Unternehmensfusionen und im Handel mit Wertpapieren. Wegen der
nationalsozialistischen Steuerpolitik blieben die Dividendenausschüttungen an die
Aktionäre selbst auf dem Höhepunkt der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft vergleichsweise gering.
Dividenden von 6% des Grundkapitals und ein relativ
moderater Anstieg der Aktienkurse entsprachen nicht
gerade der heutigen Vorstellung von "shareholder value". Gemessen am
heutigen "benchmarking" der Großbanken
blieben die Eigenkapitalrenditen ziemlich bescheiden.
Seit der schweren Bankenkrise des Jahres 1931 gab
es keine organisierte Bankenmacht mehr, die diese
Bezeichnung auch nur annähernd verdient hätte. Die
wirtschaftliche Ohnmacht der Banken und die politische
Machtlosigkeit des Bankenverbandes bedeuteten jedoch
nicht, dass deutsche Bankiers während des Dritten Reiches keinen politischen Einfluss gehabt hätten. Die
nationalsozialistische Minderheit im Vorstand der
Dresdner Bank half Göring, die Ablehnungsfront der
Banken gegen langfristige Kredite an die Luftfahrtindustrie zu durchbrechen und damit sein Luftrüstungsprogramm zu verwirklichen. Sie verschaffte der SS Millionenkredite für den Ausbau der KZ-Betriebe, die ihnen
sonst kein seriöses Bankhaus gegeben hätte.
In der nationalsozialistischen Diktatur konnten die
Banken Einfluss und Macht nicht mehr durch geschickte
Pressearbeit und intensiven Lobbyismus in Parlamenten
und Ministerien gewinnen. Einflussmöglichkeiten vermittelten sich über
persönliche Kontakte und Freundschaften mit den Wirtschaftsfunktionären des Regimes.
Kein deutscher Bankier wurde während des "Dritten Reiches" gezwungen, der
NSDAP beizutreten oder nationalsozialistische Propagandareden zu halten. Ein
knappes formelhaftes Loyalitätsbekenntnis zur Staatsführung in der
Mitarbeiterzeitung oder auf einer Betriebsfeier reichte in aller Regel aus, wenn man sich einer
näheren Überprüfung der politischen Zuverlässigkeit entziehen wollte.
Während die Gewinne der Großbanken keineswegs
spektakulär stiegen, hatte die nationalsozialistische
"Machtergreifung" schwere Folgen für die personelle
Zusammensetzung von Vorständen und Aufsichtsräten.
Von der Gründung der ersten Aktienbanken zu Beginn
des Kaiserreichs bis 1933 hatten jüdische Bankiers eine
wichtige Rolle in der Führung der deutschen Banken
gespielt. Bereits im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft
wurden fast alle jüdischen Vorstandsmitglieder aus ihren Ämtern gedrängt. Als das letzte
jüdische Vorstandsmitglied einer deutschen Großbank
1936 aus dem Amt scheiden musste, ging eine lange und
erfolgreiche Tradition deutsch-jüdischer Bankiers für
immer zu Ende.
Die wenigsten jüdischen Bankiers, die
Deutschland vor den Deportationen in die Vernichtungslager verließen, kehrten nach dem Krieg in das
Land der Mörder zurück. Ohne ihre Begabungen und
Erfahrungen wurde das deutsche Bankenwesen ärmer.
Von ihrem erzwungenen Ausscheiden profitierte vor
allem die jüngere Generation der Bankiers wie beispielsweise Hermann Josef Abs, der um die Jahrhundertwende
geboren wurde, schon in den 30er Jahren in den Vorstand der Deutschen Bank berufen wurde und den Zenit
seiner Karriere im Wirtschaftswunder der 50er Jahre
erreichte.
Die antijüdische Säuberung der Bankenvorstände
nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" war
die schwerste und schmerzhafteste Zäsur, der das deutsche Bankenwesen je ausgesetzt war. Demgegenüber
brachte die eher halbherzige als konsequente Entnazifizierung der Wirtschaftselite nach der Befreiung vom
Nationalsozialismus keinen großen Einschnitt in der
personellen Kontinuität.
Lediglich die schlimmsten
braunen Schafe unter den Bankenvorständen mussten
ihre Karriere im Bankwesen vorzeitig beenden. Ihre Entfernung aus den Vorständen der Großbanken täuschte
der Öffentlichkeit vor, dass man sich von den Belastungen der Vergangenheit gelöst hatte. Für die bundesdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre war dieses Entnazifizierungsverfahren sehr typisch. Auch die deutsche
Professorenelite erledigte nach außen hin ihre Selbstentnazifizierung, indem sie ihre wissenschaftlich angreifbarsten und am stärksten belasteten Kollegen opferte
und sich selbst eine gründliche Entnazifizierung ersparte.
Die deutschen Banken spielten in der Politik des NSRegimes und bei der Umsetzung seiner Ziele überwiegend eine instrumentelle und selten eine initiierende
Rolle. Die Bankiers waren an der Formulierung der
wirtschaftspolitischen, kriegspolitischen und rassenpolitischen Ziele des
Regimes nicht beteiligt, wohl aber an ihrer Umsetzung. Deutsche Banken und
Sparkassen profitierten davon, dass sie an der erzwungenen Übertragung von jüdischen Unternehmen, Immobilien und Wertpapieren in nichtjüdische Hände ("Arisierung") beteiligt
waren. An dem erzwungenen Verkauf jüdischer Unternehmen beteiligten sie sich freiwillig und aus eigenem
Gewinninteresse. Sie handelten dabei immer seltener im
Interesse ihrer langjährigen jüdischen Kunden, deren Interessen sie eigentlich vertreten sollten. Ohne die Mittlerrolle der Banken hätte sich die
"Arisierung" verzögert.
Die Banken halfen, den Schein der Rechtmäßigkeit und
der Normalität bei der "Arisierung" zu wahren.
Die großen Nutznießer der "Arisierungen" waren jedoch nicht die Banken, sondern all jene kleinen und
großen Einzelhändler, Handwerker, Unternehmer und Immobilienbesitzer, die
auf Kosten der jüdischen Eigentümer ein fettes "Schnäppchen" machten.
In der "Raubgemeinschaft des deutschen Volkes" (Götz Aly) spielten
die Banken eine Vermittlerrolle, die ihnen im alten
Reichsgebiet geringere, in den besetzten Gebieten teilweise größere Gewinne
erbrachte. Dieses Buch soll zeigen, welche Handlungsmöglichkeiten Bankiers während des
"Dritten Reiches" besaßen.
Wie war es möglich, dass einige Bankiers politisch und
moralisch schuldig wurden, während andere ihre Integrität bewahren konnten? Welche strukturellen Gründe,
welche Zufallskonstellationen und welche individuellen
Einstellungen und Motive beeinflussten das Handeln
deutscher Bankiers?...
Großbanken in Konkursgefahr:
Die deutschen Bankiers in der Bankenkrise
von 1931
Die Reichstagswahl am 15. September 1930 sandte heftige Schockwellen durch Deutschland. Nur wenige in und ausländische Beobachter hatten mit einem solch
überragenden Wahlergebnis der Nationalsozialisten gerechnet. Über 18% der Stimmen entfielen auf die NSDAP,
die damit als zweitstärkste Fraktion in den Reichstag
einzog...
Christopher Kopper:
"Bankiers
unter dem Hakenkreuz"
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