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Eine zerstörte Kultur (2):
Juden in Wien seit dem 19. Jahrhundert

Rezension von Elisabeth Malleier


Gerhard Botz, Ivar Oxaal, Michael Pollak, Nina Scholz (Hg): "Eine zerstörte Kultur / Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien seit dem 19. Jahrhundert"
Czernin Verlag Wien 2002
Euro 39.80

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Beim vorliegenden Band handelt es sich um eine neu bearbeitete und erweiterte Auflage der Dokumentation eines Kolloquiums, das im Jahr 1985 am Institut Autrichien in Paris stattgefunden hat. Für die Neuauflage wurden nicht nur einzelne Beiträge überarbeitet, sondern es kamen rund ein Drittel neuer und spannender Artikel hinzu. Deren inhaltlicher Schwerpunkt liegt vor allem auf der Entwicklung jüdischen Lebens in Österreich und im Exil nach 1945 (Albert Lichtblau, Helga Embacher, Ruth Beckermann). In personeller Hinsicht auffallend ist die im Vergleich zur ersten Auflage stärkere Präsenz weiblicher Autorinnen.

Dazu gehört etwa Marsha L. Rozenblit, die grundlegende Arbeiten zum österreichischen Judentum verfasst hat und deren Beitrag sich mit dem Verhältnis von Segregation, Anpassung und Identität der jüdischen Bevölkerung vor und nach dem Ersten Weltkrieg befasst. Einen guten Überblick über die Komplexität des politischen Antisemitismus im Wien der Zwischenkriegszeit bietet der Aufsatz von Bruce F. Pauley. Weitere Untersuchungen der vielfältigen Varianten des Antisemitismus befassen sich mit seinen spezifischen Ausprägungen in Österreich (Peter Pulzer, Sigurd P. Scheichl, Robert S. Wistrich) Sehr aufschlussreich, insbesondere für christlich sozialisierte LeserInnen, sind m. E. die Beiträge zum katholischen Antisemitismus (Anton Staudinger, Michael Ley). Nina Scholz kommt in ihrer Analyse antisemitischer Argumentationsmuster in Wiener Pfarrblättern zum Schluss, dass für ihre Studie eine Unterscheidung zwischen sogenanntem modernen rassischen und religiösem Antisemitismus nicht aufrechtzuerhalten sei. Den "Körberljuden", eine Figur in einer Kreuzigungsszene im Kreuzgang der Hernalser Kalvarienbergkirche, die früher von KirchgängerInnen angespuckt wurde (weil sich im Korb die Nägel befinden, mit denen Christus gekreuzigt wurde) gibt es in dieser Kirche immer noch! – wenn auch mit einem daneben angebrachten Begleittext.

Ein zentrales Kapitel ist jenes von Gerhard Botz, in dem er in komprimierter Form über Ausgrenzung Beraubung und Vernichtung des Wiener Judentums unter der nationalsozialistischen Herrschaft berichtet. Einen besonderen Stellenwert haben die autobiographischen Schilderungen jener Autoren, die die Zeit als Verfolgte selbst erlebt haben (Richard Thieberger, George Clare). In ihren Beiträgen ist etwas zu spüren von der Vielfältigkeit jüdischen Lebens jener, die nicht zur kulturellen Elite Wiens gehörten (zur Diskussion darüber siehe: Steven Beller, Ernst Gombrich und Michael Pollak).

Arbeiten zum alltäglichen Leben dieser unbekannten Mehrheit des Wiener Judentums kommen in diesem Buch m. E. zu kurz. So wie es auch durchaus Wert gewesen wäre, auf jene Frauen genauer einzugehen, die im Buch abgebildet sind. Auf Ruth Langer beispielsweise, jener Hakoah Schwimmerin und Staatsmeisterin im 100 Meter-Kraulbewerb, die sich 1936 als 15-jährige, ebenso wie die 17-jährige Judith Deutsch, geweigert hatte an der Olympiade in Berlin teilzunehmen. Für diesen Akt des Widerstands, nämlich - in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des "Makkabi-Weltverbandes" jüdischer Sportvereine - aufgrund ihrer Weigerung als jüdische Sportlerinnen in einem Deutschland unter nationalsozialistischer Herrschaft an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen, wurden beide aus der "Österreichischen Sport- und Turnfront" ausgeschlossen.

Weitere Rezension zu diesem Titel:
Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien

haGalil onLine 08-01-2002

 










 

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