antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com
Search haGalil

Newsletter abonnieren
 
 
 

 

Ein dunkles Kapitel der österreichischen Geschichte:
Denunziert
 



Czernin Verlag, Wien 2003
 

Bestellen?

Rezension von Karl Pfeifer

Herbert Dohmen und Nina Scholz, die Autoren dieses Buches haben ein dunkles Kapitel der österreichischen Geschichte 1938-1945 dokumentiert. Sie schildern anhand von trockenen Akten menschliches Versagen und Schwächen so spannend, wie das Historiker gewöhnlich nicht tun. Die "main stream" Medien haben in ihren Rezensionen bereits detailliert über den im Buch geschilderten Fall einer Wienerin berichtet, die nur fünf Volksschulklassen besuchte, Mutter von sieben Kindern, die mit einem Juden verheiratet war und die es fertig brachte Mann und Kinder zu denunzieren.

Es gab also Denunziationen ohne jede Grundlage, um sich, wie in diesem Fall, von einem Ehepartner und Kindern auf bequeme Weise zu trennen oder um einen Posten zu ergattern. Dann aber gab es Fälle, z.B. wenn in vielen Fällen im alkoholisierten Zustand die Errungenschaften" der Nazis angezweifelt wurden oder gar eine judenfreundliche Bemerkung gefallen ist.

Die Autoren zeigen auf, dass die Mehrheit der Österreicher tatsächlich empört war, „wenn jemand über den "Führer" herzog und ihn verächtlich machte, wenn jemand abfällige Äußerungen über die Erfolge in der Wirtschafts- und Sozialpolitik machte oder sich gar kritisch über die allerorts als erhebend empfundenen Siege im "Blitzkrieg" äußerte. Die im Vergleich zur Gesamtsbevölkerung gesehen wenigen Unzufriedenen, Nichtkonformen oder gar Widerständigen wurden so sie sich äußerten als Störenfriede erbarmungslos verfolgt, von der Bevölkerung wie von der Führung."

Nach dem Krieg versuchte man der Welt zu erklären, dass man ja mittun musste, denn sonst wäre man ja in das KZ gekommen, das war Teil der Verdrängungs- und Verteidigungsstrategie. "Die einseitige Interpretation des Nationalsozialismus als Terrorsystem, bei dem jeder mittun musste, ist von der Forschung als Mythos entlarvt worden, ein Mythos, bei dem der "allmächtigen Gestapo" die Funktion eines Sündenbocks für die bereitwillige Gefolgschaft von Millionen zukommt."

Für Österreich gab es bislang keine Publikationen über Denunziationen im Nationalsozialismus, sieht man von der Arbeit Hans Schafraneks über V-Leute der Gestapo und deren Erfolge bei der Unterwanderung kommunistischer Widerstandsgruppen ab. Die Wiener Historiker Hans Safrian und Hans Witek gaben 1988 ein Buch heraus, das Zeugnis von der Judenverfolgung in den ersten Monaten nach dem "Anschluss" ablegt und in dem sich u.a. auch Denunziationsbriefe an hohe NS-Stellen in Wien finden. Unumstritten ist der atemberaubende Blick, der sich durch diese Dokumente auf die Tatsache eröffnet, dass die jüdischen Einwohner Wiens über Nacht von zahllosen Mitbürgern zu rechtlosen Objekten degradiert wurden, jedem Verbrechen und jeder Gemeinheit schutzlos ausgeliefert.

Die Autoren behandeln die begriffgeschichtliche und strafrechtliche Seite der Denunziation. Die NS-Justiz und die neu geschaffenen Gesetze, die der Denunziation erst Tür und Tor öffneten werden eingehend beleuchtet. Die drei Hauptquellen: Zuschriften aus der Bevölkerung an Reichskommissar Josef Bürckel, Gerichtsakten der NS-Zeit und Gerichtsakten der österreichischen Nachkriegsjustiz. Es wird auch die Ambivalenz des NS-Staats gegenüber dem Phänomen der Denunziation sowie dem Zusammenhang von Denunziationen und Gestapoerfolgen aufgezeigt. Die Autoren haben anhand von repräsentativen wie auch einigen außergewöhnlichen Fallbeispielen einen Einblick in die Alltagsgeschichte des Nationalsozialismus gegeben. All das war "die Folge eines Konsenses, der auf dem Versprechen einer wunderbaren Utopie fußte der Utopie von einer idyllischen, weltbeherrschenden "Volksgemeinschaft", ohne Konflikte, ohne Parteien, ohne Demokratie, von Sklaven bedient" (Yehuda Bauer vor dem Deutschen Bundestag am 27. Januar 1998).

Die "wunderbare Utopie" beflügelte die Menschen. Die Begeisterung, die Zustimmung, die wir aus Filmen und Fotos jener Zeit, aus Briefen und Zeitzeugenberichten kennen und die viele nur allzu gern als pure Propaganda entlarven würden, dürfen als echt angesehen werden. Das hat 1945 nicht aufgehört. Man denke nur an das bis vor kurzem oft gehörte "Unter Hitler hätte es so etwas nicht gegeben!".

Die Autoren heben nicht den moralischen Zeigefinger, sie schildern nüchtern wie es gewesen ist, wozu viele Österreicher sich hergaben. Umso bewunderungswürdiger sind die allzu wenigen, die sich diesem braunen Strom entgegenstellten. Und die Verfasser haben das manchmal tragische Schicksal von solchen Menschen, Deserteure, Kommunisten, Monarchisten, Priester, Arbeiter, Angestellte und Hausfrauen, die Opfer der Denunziationswut wurden, beschrieben. Sie zeigen aber auch, dass zur "Volksgemeinschaft" gehörende "Arier" eine Chance erhielten eine Denunziation als Verleumdung zu entlarven, Juden und Roma dagegen waren schutzlos der NS-Justiz ausgeliefert, die meisten dieser Denunzierten überlebten nicht.

Herbert Dohmen / Nina Scholz
Denunziert
Czernin Verlag Wien, 2003,
ISBN 3-7076-0155-2, Euro 27,-

hagalil.com 09-07-03











 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2014 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved

ehem. IDPS (Israeli Data Presenting Services) Kirjath haJowel, Jerusalem