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"Amerika, Der "War on Terror" und der Aufstand der Alten Welt"

Im ça-ira Verlag erscheint in Kürze ein neuer Titel zum Thema "Amerika, Der "War on Terror" und der Aufstand der Alten Welt", herausgegeben von Thomas Uwer, Thomas von der Osten-Sacken und Andrea Woeldike. Als Leseprobe veröffentlichen wir an dieser Stelle das Vorwort:

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"Auf die Agenda zu setzen wären die Kautelen für die Rückkehr des imperialistischen Outlaws in die Rechtssphäre zivilisierter Nationen. (...) 'Lernen durch Leiden' muß die Devise für Bush & Co. (...) lauten, ansonsten ist der nächste (Präventiv-)Krieg längst programmiert. Der Imperator und sein Volk sollten schnellstens begreifen, daß selbst die Macht des Imperium Americanum nicht ausreicht, sich den Globus untertan zu machen. Es sollte demnach das zentrale Interesse deutscher Außenpolitik sein, alles zu unternehmen, was den bitter nötigen Erkenntnisprozeß der 'Stupid White Men' am Potomac befördert, und alles zu unterlassen, was als Signal der Akzeptanz oder gar Beihilfe zum Kriegsfuror Amerikas gedeutet werden kann."
Dipl. Päd. Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr, "Freitag", 22.8.03

"Wenn es um nichts anderes ginge als um Mißverständnisse, Fehlinterpretationen und um gelegentlich heftige Ausbrüche von Ressentiment und Abneigung, dann wäre diese Angelegenheit allenfalls von historischem, also begrenztem Interesse." (1) Nur zu gerne würde man auch den jüngsten Anlauf, den Deutschland gegen Amerika unternommen hat, als eine jener "Mißperzeptionen" (2) abtun, mit denen vor allem konservative Politikwissenschaftler Spannungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis gerne erklären. Die gegen die Vereinigten Staaten eingeschlagene Politik der deutschen Administration zumindest weist, mißt man das Erreichte an den erklärten Zielen, eine derart klägliche Bilanz auf, daß es schwerfällt, in dem von Gerhard Schröder propagierten "deutschen Weg" mehr als eine historische Randnotiz zu sehen. Von ihrem Vorhaben, den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen, haben sich die Vereinigten Staaten sowenig abbringen lassen, wie die Vereinten Nationen nach deutscher Prognose in Staub zerfielen. Vom deutschen Projekt einer "gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik" unter Vorsitz des Bundesaußenministers Fischer ist kaum mehr die Rede, seit sich herausgestellt hat, daß ein nicht unerheblicher Teil Europas in außenpolitischen Fragen von Bedeutung eher den Vereinigten Staaten traut als den europäischen Führungsmächten Deutschland und Frankreich, die sich von einem regelrechten Cordon sanitaire der "Koalition der Willigen" umschlossen fanden.

"Die deutsche Politik wie diejenige Frankreichs in Bezug auf die USA war 2002 und Anfang 2003 durch einen Realitätsverlust gekennzeichnet, der durchaus autistische Züge trägt", attestiert der Politikwissenschaftler Joachim Krause der "europäischen" Haltung. "Beide Regierungen rechtfertigen ihr Vorgehen mit der Notwendigkeit, ein Gegengewicht zu den USA zu schaffen. Gleichzeitig sind sie aber unfähig, irgendeine Form der wirklich relevanten Gegenmacht aufzubauen. Auch fehlt es – außer allgemeinen Erklärungen über die Notwendigkeit der Achtung des Völkerrechts – an einem wirklichen Alternativkonzept ... Man fragt sich, was Sinn und Zweck einer solchen Außenpolitik ist, die eine klare Interessenverankerung ebenso vermissen läßt wie ein entsprechendes Problembewußtsein." (3) Der kurze Moment jedenfalls, als Deutschland sich angesichts des nahenden Irakkrieges wieder im Zentrum des Weltgeschehens wähnte, ist vorerst vorbei. Die Aufmerksamkeit, die der deutschen Politik in den folgenden Beiträgen dennoch gewidmet wird, ignoriert dies keineswegs, sondern setzt als bekannt voraus, daß unzufriedene und erfolglose Deutsche nicht weniger destruktive Energie zu entwickeln in der Lage sind als erfolgreiche. Es wäre daher auch blauäugig, die deutsche Haltung im Irakkonflikt lediglich als Ausdruck einer vorübergehenden Störung im "transatlantischen Verhältnis" abzutun. Der "Trick" mit dem Antiamerikanismus liegt eben darin, daß er sich vom eigenen Mißerfolg nicht widerlegen läßt.

Der Hinweis auf die Erfolge Amerikas taugte noch nie zum Argument gegen den Antiamerikanismus. Das Bewußtsein, zu einer sich verändernden Welt lediglich als Verlierer zu gehören, nährte und nährt den Haß in gleicher Weise wie die Angst um Privilegien, die von einer Umwälzung der Verhältnisse bedroht sind. (4) In beidem wird Amerika für jene Veränderung gehaßt, die unweigerlich kommt und zugleich stets unverstanden bleibt. Nicht aufgrund einer erfolgreichen Abwendung Europas von den Vereinigten Staaten erschien Hannah Arendt der europäische Antiamerikanismus bereits zu Beginn der fünfziger Jahre als zentrale Herausforderung, sondern weil sie in ihm die Tendenz angelegt sah, zu einem in sich schlüssigen, welterklärenden System zu werden, innerhalb dessen die Richtigkeit der Annahmen nicht mehr an den Tatsachen überprüft, sondern umgekehrt Tatsachen und Ereignisse nur dann akzeptiert werden, wenn sie ein bereits vorgefaßtes Bild der Welt bestätigen. Antiamerikanismus verleiht der Ahnung Gestalt, daß hinter den verwirrenden Erscheinungen einer chaotischen Welt ein stimmiges System walte.

Das Spezifische des Antiamerikanismus ist damit allerdings nicht erklärt: die Tendenz nämlich, sich gegen die Interessen seiner Protagonisten zu richten, die in dem von Arendt im Nachkriegseuropa beobachteten Phänomen zum Ausdruck kommt, eine Entwicklung als "Amerikanisierung" abzulehnen, die "ihren Ursprung in der Gesamtgeschichte des Westens hat (und) lediglich in Amerika erstmals einen Höhepunkt erreicht(e)". (5) Zugespitzt ist diese Tendenz auch in den Anschlägen des 11. September 2001 zum Ausdruck gekommen. Daß Menschen bereit sind, für etwas ihr Leben zu opfern, das außerhalb dessen liegt, was für sie selbst (oder ihre Freunde, Verwandten, Glaubensgenossen) ein rationales Ziel darstellen könnte, ist ein bekanntes Phänomen. Die verstörende Einsicht nach den Anschlägen von New York und Washington jedoch war, daß der suizidale Terror nicht die Tat einer Gruppe von Depravierten war, die nachvollziehbare Gründe hätten, die Vereinigten Staaten zu hassen, sondern den Eliten eines Landes entsprang, das über Jahrzehnte als verläßlicher Verbündeter der USA galt; diese Eliten würden ohne amerikanische Unterstützung kaum jenen Reichtum und jene Macht genießen, mit denen sie den antiamerikanischen Terror fördern.

Weit weniger radikal, doch in ihrer Logik derjenigen der Attentäter verwandt, erscheint die Politik der Bundesregierung. Beide sind von einer "Selbstlosigkeit", die den eigenen Schaden als Preis für ein höheres Gut zu zahlen bereit ist. Die in der Losung "Nichts tun, was den Krieg nachträglich legitimieren könnte" zum Ausdruck gebrachte Hartnäckigkeit, mit der die Deutschen an ihrer ursprünglichen Entscheidung auch dann noch festhielten, als der Krieg gegen den Irak längst eine Tatsache war, ist nicht Teil einer Verhandlungsführung, die den Preis in die Höhe zu treiben sucht, sondern Ausdruck des unbedingten Willens, auch gegen die eigenen Interessen konsequent zu bleiben. In demselben Maße, in dem "Amerika" als subjektiv Verantwortlicher objektiver Verhältnisse erscheint, löst sich der Antiamerikanismus vom Ressentiment der Zukurzgekommenen und Frustrierten ab und hört auf, schlichte Rationalisierung materieller Interessen zu sein. Unbedingte Konsequenz ist dabei von zentraler Bedeutung für das Funktionieren des Systems, weil erst sie Folgerichtigkeit herstellt und die innere Logik wahrt. Einer der immer wiederkehrenden Vorwürfe an die Vereinigten Staaten ist daher auch der der Inkonsequenz – sei es beim Streit um den Internationalen Strafgerichtshof, bei der Frage der CO2-Emission oder beim Irak. Kaum einem Kommentator scheint aufgefallen zu sein, wie verrückt der Vorwurf an die USA ist, sie würden mit "zweierlei Maß messen", weil sie gegenüber Nordkorea und dem Irak nicht dieselbe Politik vertreten.

Bereits dies weist darauf hin, daß es sich beim aktuellen Antiamerikanismus um mehr handeln könnte als lediglich um ein weiteres jener zahlreichen Ressentiments, die man in Deutschland pflegt und an deren Zunahme man sich so gewöhnt hat wie an das Abschmelzen der Polkappen. In Zahlen stellt sich dies so dar: Während noch 1995 jede/r Zweite in den USA den besten Freund Deutschlands sah, kamen nach einer Untersuchung des Allensbacher Instituts für Demoskopie Anfang 2003 nur noch elf Prozent zu dieser Einschätzung.6 Eine Forsa-Umfrage hat ergeben, daß jeder fünfte Deutsche der offiziellen Version vom 11. September mißtraut und fast genauso viele (19 Prozent) es für möglich halten, daß die amerikanische Regierung die Anschläge selbst in Auftrag gab. (7) Dieser signifikante Erfolg des antiamerikanischen Ressentiments liegt auch in seiner Einfachheit und Stimmigkeit begründet. Daß die Vereinigten Staaten tatsächlich über eine ökonomische und militärische Macht verfügen, die wohl auf absehbare Zeit noch jeden anderen Staat weit hinter sich läßt, und damit über größere Möglichkeiten, wirtschaftliche und politische Interessen durchzusetzen, ist hierbei das stärkste Argument. Im Ressentiment wird aus der Tatsache ein Beweis und – eingebunden in ein System, das den Zustand der Welt aus dem allwirkenden Willen Amerikas erklärt – selbst aus dieser einfachen Wahrheit noch eine Lüge. Sie reicht offenkundig hin, etlichen Millionen Menschen die komplizierte Politik des Nahen Ostens zu "erklären". Weil Lügen nirgendwo so sicher stehen wie auf einem Stecknadelkopf Wahrheit, haben Enthüllungen über amerikanische Spionagedienste und mehr oder weniger pikante Details aus dem Privatleben der politischen Klasse der Vereinigten Staaten Konjunktur. Wer sich wirklich die Mühe machen wollte, die aktuelle Sachbuchliteratur nach Antiamerikanismen zu durchforsten, würde wahrscheinlich schon beim Auflisten der Titel an ihrer Redundanz verzweifeln. Die Wahrheit über Amerika ist das Geheimnis, das jeder kennt.

Es bedarf andererseits keiner außergewöhnlichen Scharfsinnigkeit, um dem antiamerikanischen Frühlingserwachen, das – wie Bernd Beier zeigt – als eine Art zweites Augusterlebnis gefeiert wurde, anzumerken, daß ihm die notwendige Dynamik fehlt, um eine Bewegung mit Durchschlagskraft hervorzubringen. Nicht von ungefähr wurde der Protest gegen den Irakkrieg von Leuten angeführt, die in der Regel das Rentenalter längst erreicht haben. Zwar hörte man allenthalben Klagen, die Alten machten der Jugend in den Friedenszirkeln keinen Platz, sie zu verdrängen aber hatten die Jungen offenbar weder Kraft noch Lust. Während in anderen Ländern die Antiglobalisierungsbewegung wenigstens ein paar neue Gesichter vorzuweisen hat, erlebten in Deutschland aus West und Ost die immer gleichen Alten ihren dritten Friedensfrühling. Anders als die etwa gleichaltrigen Golfkriegsidole Arafat, Yassin und Hussein brauchten aber Horst Eberhard Richter, Alfred Mechtersheimer und Konstantin Wecker die Jugend nicht als Gegner zu fürchten, den man besten bekämpft, indem man ihn in den selbstgewählten Opfertod schickt. Aus freien Stücken fand sich in Berlin eine halbe Million Demonstranten mit Schildern wie "Schröder halte durch" ein, um mit Reinhard May zu singen. Kaum ein Massenprotest der letzten Jahre erzeugte zugleich vergleichbar wenig theoretische Auseinandersetzung. Als Jürgen Habermas für eine neue "europäische Identität" in den Ring stieg, rief das etwa soviel Erstaunen hervor wie die Nachricht, Dieter Bohlen werde wieder heiraten. Die Dynamik, die nötig ist, um den Protest in eine Bewegung zu transformieren, läßt sich damit nicht erzeugen. Das macht: Eine Bewegung, deren Ziele gesellschaftlich bereits akzeptiert sind, wird nicht gebraucht.

Dies wird hier nicht betont, um die Texte des Buches vor dem Vorwurf des Alarmismus in Schutz zu nehmen. Der neue europäische Antiamerikanismus, vor dessen Heraufkunft Hannah Arendt Anfang der Fünfziger warnte, ist nicht deshalb relativ wirkungslos geblieben, weil es an der Bereitschaft der Masse mangelte oder gutes Zureden sie davon abgehalten hätte. Der von Arendt befürchtete Konflikt zwischen dem alten Europa und Amerika wurde durch den alles überlagernden Kalten Krieg lediglich entschärft. Der Logik des Blockkonflikts entspricht nicht nur die doppelte Frontstellung, die außer einer antiamerikanischen und einer antisowjetischen Haltung lediglich die scheinbare Alternative des Neutralismus zuließ, sondern auch jene erstaunliche Umkehrung der bekannten Verhältnisse, die dazu führte, daß sich in Deutschland ausgerechnet konservative Kreise positiv auf Amerika bezogen, während der Antiamerikanismus der Linken und einigen Gruppen der extremen Rechten vorbehalten war.

Nicht nur ist diese Zwangspause seit dem Ende des Kalten Krieges vorbei und damit die Voraussetzung obsolet geworden, unter der bis dato internationale Bündnisse und Institutionen gebildet wurden. Auch hat sich die Konfliktlinie aus dem Zentrum Europas verschoben. "Amerika befindet sich im Krieg mit den faschistischen Regimes im Nahen Osten und totalitären islamischen Bewegungen." (8) Der "War on Terror", erklärte der ehemalige CIA-Chef James R. Woolsley, sei der "Vierte Weltkrieg". Woolsley, der sich in der Materie auskennt, hat insofern recht, als der "Antiterrorkrieg" mittlerweile fast alle anderen Konflikte in der Welt prägt und polarisiert. Die Dynamik einer Bewegung, die die Charakteristika des Antiamerikanismus – vom Verschwörungswahn bis zur Selbstaufopferung – in materielle Gewalt umsetzt, existiert bereits. Der antiamerikanische Djihad und der amerikanische "War on Terror" sind längst eine Realität, der sich – wie im Fall des Blockkonflikts – andere Konflikte unterordnen. Bei der Weigerung Deutschlands, die US-Politik gegenüber dem Regime Saddam Husseins zu akzeptieren, handelte es sich daher um wesentlich mehr als um die Ablehnung eines "militärischen Abenteuers". Daß an ihm erstmals nach 1914 und 1938 die westliche Diplomatie scheiterte, wird dem größenwahnsinnigen Diktator Hussein noch im Untergang geschmeichelt haben.

Das vorliegende Buch handelt deshalb nicht vom "Feindbild Amerika". Wem es darauf ankommt, die Eigenarten des antiamerikanischen Ressentiments in Deutschland zu studieren, dem wird an anderer Stelle mehr Stoff geboten, als hier auszubreiten war. Die zugrundeliegende These ist vielmehr, daß es sich beim aktuellen Antiamerikanismus mehr als um falsches Bewußtsein längst um eine politische Realität handelt, der mit ein wenig Aufklärung und der heuristischen Trennung in Feindbild und "berechtigte Kritik" nicht beizukommen ist. Wie auch der grassierende Antisemitismus in Deutschland, der zum "Antizionismus" wird, wenn man ihn beim Namen nennt, keineswegs Ausdruck einer Ideologie ist, die im Marxschen Sinne als notwendiger Überbau zu fassen wäre, so drückt sich im Antiamerikanismus, der sich ganz ähnlicher Floskeln und Stereotype bedient, nicht vorrangig das ökonomische oder geostrategische Interesse Deutschlands oder Europas aus.

Wem zum Irakkrieg weiter nichts einfällt, als daß es sich um einen innerimperialistischen Konflikt um Öl handele, bei dem kühl kalkulierende Köpfe Ideologie instrumentell einsetzten, scheint unter derselben Regression zu leiden wie diejenigen, die glauben, Bushs Handeln und damit die Außenpolitik der USA auf einen Vaterkomplex, ein religiöses Schlüsselerlebnis oder Alkoholsucht zurückführen zu können.

Flugzeuge in amerikanischen Hochhäusern schaden zweifellos der amerikanischen Wirtschaft – der deutschen nutzen sie damit noch lange nicht. An einem Scheitern der USA im Irak kann ernsthaft niemand ein Interesse haben, der nicht die Weltwirtschaft in Trümmer sehen will. Was die Bundesregierung sich von einem Irak verspricht, der sich in einen failed state verwandeln könnte oder zu einem Zentrum islamistischer Bewegungen, weiß wahrscheinlich selbst das zuständige deutsche Außenamt nicht. Wo Antiamerikanismus zur Realität wird, ist er sich selbst genug. Dem rationalen Kalkül einer kapitalistischen Verwertungslogik verschließt er sich, selbst wenn er innerhalb seiner eigenen Logik höchst funktional und rational erscheint. So entwerfen die Strategiepapiere der Al-Qaida mit einer kühlen Rationalität ein auf Jahrzehnte angelegtes Programm mit dem Ziel einer endgültigen Niederlage der Vereinigten Staaten. Was fehlt, ist einzig der letzte Punkt, der beschreibt, was dann folgen soll.

Ein Teil dessen, was zum antiamerikanischen Ressentiment gehört, blickt auf eine akzeptable Geschichte zurück: etwa zwei Jahrzehnte. Als US-Präsident Reagan in den achtziger Jahren begann, die "amerikanische Mission" mittels Konterguerilla, Solidarnosc und Mujahedin überall auf der Welt zu verbreiten, war er überzeugt, damit von einer als defensiv wahrgenommenen Politik der USA, die auf die "kommunistische Bedrohung" lediglich reagiere, zu einer offensiven Politik überzugehen, mittels derer die Sowjetunion und ihre Verbündeten in die Knie gezwungen werden sollten. Wenn heute George W. Bush oder Condoleeza Rice von "Freedom & Democracy" reden, fühlt man sich ungut an diese "Liberation Policy" der Reagan-Administration und den "American Djihad" in Afghanistan erinnert. Es ist daher wichtig festzustellen, daß nicht die USA sich verändert haben, sondern ihre Gegner, wenn nach einem Militärerfolg die Wallstreet jubelt und wenn bei diesem Militärerfolg nicht etwa ein gewählter sozialistischer Präsident umkam, sondern Mitglieder eines Terrorregimes, dessen Führer Hitlers Mein Kampf zum lesenswertesten Buch des 20. Jahrhunderts erklärte und Zehntausende Kommunisten auf dem Gewissen hat.

Heute wie damals verbinden sich mit der amerikanischen "Mission" vitale nationale Interessen; die angestrebte Demokratisierung des Irak folgt sowenig philanthropischen Anwandlungen wie die zuvor erfolgte Totrüstung der Sowjetunion. Wie diese einst durch systematische Unterstützung der Solidarnosc geschwächt wurde, so streben die USA nun eine Neuordnung des Nahen Ostens an. Nicht weil sie plötzlich Berichte von Amnesty International zur Menschenrechtslage in der arabischen Welt zur Richtschnur ihrer Außenpolitik gemacht haben, sondern weil der 11. September der US-Administration die Einsicht aufgezwungen hat, daß nur eine Beseitigung der Diktaturen im Nahen Osten ein Ende des islamischen Terrors (und damit die Sicherung ihrer Interessen) verspricht. Es geht ihr dabei sehr wohl um die Bekämpfung seiner Ursachen, die in einem Amalgam aus islamistischem Wahn und panarabischer Herrschaft lokalisiert werden, dem sie mit konventionellen Mitteln von Diplomatie oder Außenpolitik nicht mehr beikommen zu können glaubt. Entgegen der hierzulande geläufigen Wahrnehmung, Saddam Hussein oder Ussama bin Laden seien lediglich ein anderer Ausdruck der herrschenden Weltordnung, desselben kapitalistischen Diktats, allerdings unter den Bedingungen der Elendsverwaltung, setzen die USA auf die Demokratisierung des Nahen Ostens in einer Tradition, an die man sich in Deutschland nur ungern erinnert: die Zerschlagung des Nationalsozialismus und des japanischen Militarismus sowie den darauf folgenden demokratisch-kapitalistischen Wiederaufbau beider Länder. Wenn ein ehemaliger CIA-Chef sich heute als kämpferischer Antifaschist gibt, so ist das keineswegs nur eine lächerliche Pose, sondern der durchaus ernstgemeinte Versuch, an die Tradition des angloamerikanischen Antifaschismus anzuknüpfen. So wenig wie damals beruht dieser heute auf der Schaffung einer herrschaftsfreien Gesellschaft, sondern – wie Christian Knoop zeigt – auf der Vorstellung, wonach die Freiheit des Bürgers an die des Marktes gebunden ist. Wer allerdings, wie der eingangs zitierte Oberstleutnant Rose, dazu aufruft, alles zu unternehmen, damit die USA scheitern, und in der US-Administration nur "Stupid White Men" erkennt, die aus "maßloser Gier fremde Völker ausplündern", hat sich, willentlich oder nicht, gegen den von Woolsley propagierten Antifaschismus positioniert.

Wenn das "Telos des Kapitals" seine eigene Aufhebung in der Barbarei ist, so lautet gegenwärtig die verwirrende Erkenntnis, daß gerade diejenigen, die sich der Verbreitung des Kapitalismus verschrieben haben und in oft ans Zynische grenzender Naivität erklären, mehr Markt löse die Probleme der Menschheit, sich der Barbarei, die heute im radikalen Islam ihren zeitgemäßen Ausdruck findet, entschlossener entgegenstellen als diejenigen, die in vermeintlich antikapitalistischer Manier zum Kampf gegen die USA mobilisieren. Der Skandal, daß Woche für Woche Tausende Kinder verhungern und Millionen Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag ihr Leben zu fristen gezwungen sind, wird zur Basis einer Lüge und zu Ideologie, wenn der Hinweis auf ihn zur Legitimation der Suicide Bombings verwendet wird. Wem am 11. September nichts einfiel als die verhungernden Kinder in der Dritten Welt, reproduzierte die dem Kapitalismus inhärente Barbarei weit eher noch als jene Freedom Fighters im Lager der berüchtigten Neokonservativen, deren marktwirtschaftliche Utopien an der Realität genau dieser Marktwirtschaft zerschellen. Im Spannungsverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegt noch das Versprechen auf Veränderung verborgen, das einzulösen der Kommunismus einst antrat.

Fast scheint es, als müsse das Diktum Horkheimers, vom Faschismus solle schweigen, wer vom Kapitalismus nicht reden wolle, erweitert werden: Vom Faschismus solle ebenso schweigen, wer vom Antikapitalismus nicht reden wolle. Die antikapitalistischen Feinde der USA verhalten sich mittlerweile wie die in Syrien offiziell geduldete Kommunistische Partei, die nun zum bewaffneten Kampf gegen die Amerikaner im Irak aufruft. Vom Kommunismus als Assoziation freier Produzenten hat diese Partei so wenig einen Begriff wie ihre islamistischen Kollegen.

Die Kluft, die heute zwischen Amerika und jener losen Allianz der Antiamerikaner besteht, schlägt sich am augenfälligsten nieder in der völligen Gegensätzlichkeit der Wahrnehmung, wie sie am Beispiel des Irakkonflikts deutlich wurde. Die hier zutage getretenen Differenzen reichen wesentlich tiefer als lediglich bis zu Problemen der Strategie, der Einbindung der Vereinten Nationen oder multilateraler contra unilateraler Politik. Grundsätzlich in Frage gestellt wurde in den Vereinigten Staaten, daß unter Wahrung der bestehenden politischen Verhältnisse im Nahen Osten die islamistische Bewegung und mit ihr der antiamerikanische Terror wirksam bekämpft werden können. Das bestehende System nahöstlicher Herrschaft, das aus der Zeit der imperialistischen Great Games der europäischen Mächte übernommen wurde, hat nicht nur die Herausbildung bürgerlicher Gesellschaften in den arabischen Staaten unterdrückt, sondern auch – entgegen der geläufigen Wahrnehmung von einer vollständigen imperialistischen Durchdringung – den nahöstlichen Markt weitgehend abgeriegelt. Die amerikanische Überzeugung vom Erfolg des Konzeptes eines Regime Change liegt zweifellos auch darin begründet, daß es so gegensätzliche Positionen wie den auf Wahrung amerikanischer Interessen ausgerichteten politischen Realismus mit einem Liberalismus verknüpft, der die "Freiheit" des Individuums auf dem Markt als Voraussetzung bürgerlicher Freiheiten propagiert. So handelt es sich bei der von den Neokonservativen in der US-Administration vertretenen Politik nicht, wie hierzulande gerne unterstellt, um eine christlich-fundamentalistische oder rechtsextreme Variante des America first, sondern vielmehr um ein außenpolitisches Programm, das in den Vereinigten Staaten selbst eher dem Vorwurf eines blinden Idealismus ausgesetzt ist als dem, amerikanischen Interessen zu dienen.

Es ist die seit dem 11. September 2001 unübersehbar gewordene Gefahr, die von einem militanten Antiamerikanismus ausgeht, und die Entdeckung, daß dieser von verbündeten Staaten wenn nicht offen unterstützt, so doch toleriert wird, die dazu geführt haben, daß die Mehrheit der Analysten in den Vereinigten Staaten einen grundlegenden Wandel der politischen Verhältnisse im Nahen Osten für nötig hält. Zu diesen Analysten gehören auch Autoren wie Stephen Schwartz, Elliot Neaman und Barry Rubin, die das innerhalb des Nahen Ostens herrschende System antiamerikanischer Projektionen ebenso zum Gegenstand ihrer Kritik machen wie die amerikanische Nahost-Politik der letzten Jahrzehnte. Ihnen, wie allen anderen Autoren, sei an dieser Stelle für die Mitarbeit an diesem Buch gedankt.

Anmerkungen:
(1) Hannah Arendt: Europa und Amerika – Traum und Alptraum. Antiamerikanische Gefühle auf dem Weg zu einem europäischen Ismus, in: Zur Zeit, S. 71.
(2) Vgl. z.B. Joachim Krause: "Auf der Basis von Fehlperzeptionen sind in Berlin und Paris während der Irak-Krise Entscheidungen gefallen, die das transatlantische Verhältnis ohne Not an den Rand des Abgrunds geführt haben." (Siehe Anm. 3).
(3) Joachim Krause: Die transatlantischen Beziehungen seit dem Ende des Kalten Krieges, in: Kieler Analysen zur Sicherheitspolitik, Nr. 9, Mai 2003, S. 23.
(4) Gerne wird vergessen, daß die Vereinigten Staaten über ein Jahrhundert lang den Traum der unteren Klassen darstellten und den Alptraum der europäischen Bourgeoisie. Auch kommunistischen Intellektuellen galt Amerika – und nicht das alte Europa – als Vorbild. "Den Fernen Osten verwandelt Rußland in den Fernen Westen. An den steingrauen Leichenhallen von Paris oder London vorbei blickt es weiter. Nach der großartigen Voraussage des Dichters Alexander Blok wird über ihm aufgehen 'DES NEUEN AMERIKA STERN'." Ilja Ehrenburg: Und sie bewegt sich doch. Baden/Schweiz 1986, S. 31.
(5) Arendt, aaO., S. 87.
(6) "FAZ", 19.3.03.
(7) "FAZ", 24.8.03.
(8) James Woolsey: At war for freedom, in: "Observer Worldview" (UK), 20.7.03

Thomas Uwer/Thomas von der Osten-Sacken/Andrea Woeldike (Hg.)
Amerika, Der "War on Terror" und der Aufstand der Alten Welt

ça ira 2003, 320 Seiten
Euro 17,50

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