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Neues über die Haskalah:
"Die jüdische Aufklärung"

Von Thomas Meyer


Christoph Schulte: Die jüdische Aufklärung. Philosophie, Religion, Geschichte; C. H. Beck Verlag,
München 2002
Euro 24,90

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1999 erschien in der Zeitschrift "Das achtzehnte Jahrhundert" ein Schwerpunkt mit dem apodiktischen Titel "Haskala. Die jüdische Aufklärung in Deutschland 1769-1812". Der in Potsdam am Moses Mendelssohn Zentrum lehrende Herausgeber Christoph Schulte hatte die Zeitspanne in seiner "Einleitung" nicht weiter gerechtfertigt, so klar schien es ihm, dass von Moses Mendelssohns Weigerung der Taufe, bis hin zur rechtlichen Gleichstellung durch das preußische "Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden" jene philosophische, soziale und literarische Bewegung der "jüdischen Aufklärung" verlief, die man "Haskala", was ursprünglich "Vernünftigkeit" heißt, nennt.

Jetzt legt Schulte eine Monographie zur "Haskala" vor, die sich zu ihrem Vorteil von der früheren zeitlichen Beschränkung entfernt hat. Äußerst kenntnisreich, weil stets an den Quellen orientiert, und mit genauem Blick auf die Argumente der "Maskilim", der jüdischen Aufklärer also, gerichtet, schreibt Schulte eine gelehrte Problemgeschichte, die ihren Platz neben den Standardwerken von Michael A. Meyer und Shmuel Feiner wird behaupten können.

An den Beginn seiner Darstellung hat Schulte einen Dekalog gesetzt, dessen Thesen es in sich haben. Die Haskala sei gegenüber den Aufklärungsbewegungen in England, Frankreich und auch Deutschland eine "späte Aufklärung" gewesen, die darum "radikal" sein musste. Ihre Vertreter hätten stets daran festgehalten, Aufklärung der Juden als Juden zu betreiben und sie damit "als Menschen" begriffen. Ziel der multikulturellen Bewegung sei stets die bürgerliche Verbesserung der Lebensverhältnisse gewesen, die sie aus der bewussten Minderheitenperspektive betrieben hat. Schließlich müsse man sich klar darüber sein, dass Aufklärung nicht als Binnendiskurs geführt werden konnte, sondern von außen mit großer Skepsis verfolgt wurde. Nicht zuletzt deshalb gab es, trotz aller teilweise sehr scharfen Kritik am jüdischen Gesetz, der "Halacha", eine tiefe Solidarität mit der Religion der Väter. Es ist löblich, dass Schulte, der mit diesen Thesen in der Fachwissenschaft eine heftige Diskussion auslösen dürfte, sich bei der Behandlung der Lebensläufe und Werke von Mendelssohn, Salomon Maimon, Lazarus Bendavid, Markus Herz oder Saul Ascher nicht sklavisch an die aufgestellten Postulate hält. Beweglich werden seine Begriffe, die selbst in der Tradition der Aufklärung stehen, immer dann, wenn die Solidarität des Interpreten mit seinem Gegenstand gefordert ist. Denn die Auseinandersetzungen der Maskilim mit Kants drei Kritiken, die oft genug eine Ablösung vom Glauben zur Folge hatte, oder den Texten der Kabbala, kann man heute nur verstehen, wenn man die Argumente stark macht, die in den Gelehrtenstreitigkeiten des deutschen Idealismus allzu schnell verächtlich zur Seite geschoben wurden. Nicht um logische Setzungen oder Selbstbewusstseinsdifferenzierungen ging es hier, sondern darum, eine eigene Stimme zu finden, die den strengen Anforderungen der religiösen Lebensweise ebenso entgegenkommt wie dem Emanzipationsgeschehen im Bürgertum. Manchen Maskil hat dieser Zwiespalt zerrissen, auch davon schreibt Schulte, doch dass die jüdischen Aufklärer sich mit all ihren Mittel zu behaupten suchten, muss man zu den wichtigen Leistungen der Haskala rechnen.

Leider fehlt in diesem engagierten Buch die Rezeptionsgeschichte der Aufklärung. Gerade im innerjüdischen Diskurs, etwa in der Weimarer Republik, sah man die Gefahr einer aus der Haskala hervorgehenden religiösen Bindungslosigkeit. Der Rabbiner und Philosoph Albert Lewkowitz hat das in seinen Studien von 1924 und 1929 klar ausgesprochen. Doch das schmälert die Leistung von Schulte nur unwesentlich. Wichtiger ist sein Mut, das Buch in den Kontext seiner eigenen Lebensumwelt gestellt zu haben. In Kreuzberg sei das Buch über die "Außenseiter der Außenseiter" (Hans Mayer) entstanden. Dort zeige sich die Kontinuität der Probleme, mit denen schon die jüdischen Aufklärer kämpften: Leitkulturdemagogen, die die Selbstaufgabe der Minderheit fordern auf der einen Seite, und falsch verstandene Orthodoxie auf der anderen.

hagalil.com 19-09-02











 

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