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Fritz H. Landshoff:
Amsterdam, Keizersgracht 333, Querido Verlag
Aufbau Tb 2001
Euro 12,50

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Fritz H. Landshoff:
Die Verlegerpersönlichkeit der deutschen Exil-Literatur

Von Tobias Prinke

Amsterdam – Keizersgracht 333 – Querido Verlag. Diese Begriffe bringen wohl nur noch wenige mit einer der herausragendsten Verlegerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts in Verbindung. Fritz H. Landshoff, zur Zeit der Weimarer Republik bereits Mitinhaber und Geschäftsführer des Gustav Kiepenheuer Verlages, führte damals durch eine Neustrukturierung und der Gewinnung neuer Autoren den Verlag aus seiner wirtschaftlichen Krise. Bereits in dieser Zeit legte er durch intensive Kontakte zu den Autoren das Fundament für seine spätere, erfolgreiche Arbeit als Verleger im Amsterdamer Querido Verlag.

"Wissen Sie, ich konnte das nicht ernst nehmen. Ich kann es auch heute noch nicht begreifen, dass ein Mann wie Hitler, mit seiner fürchterlichen Stimme, mit diesen abgehackten Sätzen, mit dieser ganzen jämmerlichen Gestalt Menschenmassen in Begeisterung versetzen und Frauen zur Hysterie bringen konnte."

Wie viele andere Intellektuelle unterlag auch Fritz Landshoff anfangs seiner Ungläubigkeit und der daraus resultierenden Fehleinschätzung der politischen Situation. Spätestens 1933 aber, als die Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland für den jüdischen Verleger unumgänglich wurde, folgte er einer Einladung von Emanuel Querido, in dessen Amsterdamer Verlag eine Abteilung für Exilliteratur zu etablieren. In politisch wie auch wirtschaftlich äußerst schwierigen Zeiten wurden zwischen 1933 und 1940 etwa 110 Titel unter der Regie von Fritz H. Landshoff verlegt, darunter Werke von Irmgard Keun, Lion Feuchtwanger (Die Geschwister Oppenheim), Anna Seghers (Der Kopflohn), Arnold Zweig (Spielzeug der Zeit), Joseph Roth und Ernst Toller (Eine Jugend in Deutschland).

Darüber hinaus gründete er auf die Initiative von Klaus Mann die Zeitschrift "Die Sammlung", deren Intention es war, den Bereich der rein literarischen Produktion des Verlages zu verlassen und sich stärker im politischen Bereich zu engagieren sowie möglichst vielen Exilautoren ein Organ zur Publikation zu bieten. Obwohl ein offizieller Verkauf der Zeitschrift in Deutschland nicht möglich war, scheint die bloße Existenz dem damaligen Intendanten des Berliner Staatstheaters, Hanns Johst, einen Brief an Heinrich Himmler wert gewesen zu sein. Einen Monat nach Erscheinen der ersten Ausgabe schrieb er unter anderem:

"In Amsterdam erscheint das derzeit unflätigste Emigrantenblatt "Die Sammlung". Sie werden sich ja jederzeit Belegexemplare verschaffen können, sonst übersende ich Ihnen auch gern ein Exemplar dieses Schmutzes"...

Nach zwei Erscheinungsjahren wurde es dem Verlag und der Redaktion deutlich, dass "Die Sammlung" aus wirtschaftlichen und politischen Gründen die Existenz des Querido Verlags entscheidend gefährden könnte. Als Konsequenz daraus stellte die Zeitschrift nach vierundzwanzig Einzelnummern Ihr Erscheinen ein.

Während im ersten Teil der Erinnerungen der Schilderung des aufreibenden und doch auch gleichzeitig beglückenden Verlegeralltags von Fritz Landshoff Raum gegeben wird, dominiert im zweiten Teil die briefliche Korrespondenz mit Autoren und Verlegerkollegen. Die Auswahl an Briefen stellt ein unersetzliches Zeitdokument dar, mit deren Hilfe es dem Leser ermöglicht wird, einen Blick hinter die Kulissen des Verlagsgeschäftes zu werfen und ihm dadurch den Eindruck zu vermitteln, nahezu unmittelbar am Geschehen teilzunehmen.

Inhaltlich behandeln die Briefe die ganze thematische Bandbreite, von Honorarverhandlungen und Verlagsstrategien über Distributionspolitik des Verlages bis hin zu den sehr persönlichen Ansichten, Gedanken und Gefühlen der Autoren und Verleger, die zu jener Zeit des Exils oft auch ähnliche Schicksale geteilt haben. Hierbei wird deutlich sichtbar, dass die Bindung zwischen Verleger und Autor einen, mit allen Konsequenzen, sehr viel persönlicheren Charakter hatte als es heutzutage der Fall ist. Die Briefe dokumentieren eine nahezu familiäre Atmosphäre zwischen Fritz Landshoff und "seinen" Autoren, eine Besonderheit, die wahrscheinlich auch unter anderem in der Ausnahmesituation "Exil" begründet liegt.

1940, als Fritz Landshoff zu Übersetzungsverhandlungen mit englischen Verlegern in London weilte, war er noch davon überzeugt, im Anschluss an die Verhandlungen nach Holland zurückkehren zu können. Diese Pläne zerschlugen sich jedoch, als ihm die Rückreise nach Amsterdam untersagt wurde und er vorübergehend auf der Isle of Man exiliert wurde. Durch die Vermittlung von Gustav Regler, einem "seiner" Autoren, erhielt er schließlich ein mexikanisches Visum mit einem Durchreisevisum für die USA.

In einem Gespräch mit der "Zeit" im Feuilleton erwiderte er auf die Frage, ob er nach dem Krieg an eine Rückkehr nach Deutschland gedacht hätte:
"Ja und nein.(...) Es wäre schwierig gewesen, im Nachkriegsdeutschland als deutscher Jude wieder Fuß zu fassen. Die Deutschen wollten nicht an ihre unmittelbare Vergangenheit erinnert werden. Man hätte als der lebendige Vorwurf, als die lebendige Erinnerung an Hitlers Verbrechen dagestanden."

Auch wenn Fritz H. Landshoff mit seinen "Erinnerungen eines Verlegers" eigentlich keine Autobiografie verfassen wollte, so sind in seinen Aufzeichnungen über seine verlegerische Tätigkeit doch starke autobiografische Elemente erkennbar. Auch er selbst war, nach eigenen Angaben, überrascht, dass seine, ursprünglich als "Verlagsgeschichte" konzipierten Erinnerungen am Ende doch mehr und mehr einen autobiografischen Charakter aufwiesen. So ist die Geschichte der Exilliteratur im Querido Verlag untrennbar mit der Verlegerpersönlichkeit Fritz H. Landshoff verbunden – vielleicht das markanteste Merkmal eines großen Verlegers im klassischen Sinn.

1951 begann für Landshoff die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Kunstbuchverlag Abrams. Dennoch war es für Landshoff wohl nur ein durchschnittlicher Kompromiss:
"In Deutschland neu zu beginnen, war nicht möglich. In den USA in einem literarischen Verlag zu arbeiten verbot sich, weil man für eine Fremdsprache doch niemals das Gefühl entwickeln kann, das man als Verleger von Literatur nun einmal braucht. So war die Emigration doch ein sehr großer Bruch. Meine Verbindung mit der deutschen Literatur ist abgebrochen worden. Ich war von 1926 bis 1940 Verleger mit und aus Leidenschaft. Wenn ich es genau überlege, habe ich aber den längsten Teil meines Lebens in einem Metier gearbeitet, das eigentlich nicht das meine war. Das stimmt mich auch heute noch traurig."

Fritz Landshoffs verlegerische Zielsetzung war sein Bemühen, humanistischer, antifaschistischer Literatur Geltung zu verschaffen. Erst jetzt, in der Retrospektive, kann man erkennen, welch hohen Stellenwert die Arbeitvon Fritz H. Landshoff gerade zu dieser Zeit hatte. Er sorgte für das literarische Überleben vieler Autorinnen und Autoren, die, hätten sie diese Publikationsmöglichkeit nicht gehabt, entweder niemals entdeckt und gefördert oder aber schnell wieder in Vergessenheit geraten wären. Ohne jeden Zweifel hat Fritz Landshoff somit als Verleger und Mensch ein wichtiges Stück deutscher Literaturgeschichte entscheidend mitgeprägt und gerettet.

© Tobias Prinke

hagalil.com 15-02-04











 

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