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Rosendahlia – eine deutsch-jüdische Familienchronik

„Deine Vorfahren verließen so gegen Ende des 11. Jahrhunderts Palästina und wanderten von Palästina nach Portugal aus. Nachdem sie von dort vertrieben wurden – in der sogenannten “Spanischen Inquisition” – wurden sie von den Holländern mit Schiffen nach Holland gebracht. Unsere Vorfahren lebten dann in Rosendahl dem „Tal der Rosen“ in Holland und nahmen später diesen Namen an“, sagte Anna Ruth, verstorben im Alter von 98 Jahren…

Rosendahlia - eine deutsch-jüdische FamilienchronikMeine Großeltern führten in Bonn am Rhein ihr Bekleidungs- und Schneidereigeschäft unter französicher Besatzung mit großem Erfolg…

Die Geschichte unserer Familie ist ein Beispiel für die unzähligen anderen Geschichten von Vertreibung, Flucht, Auswanderung und Exil, letztlich für das Schicksal unseres Volkes und damit allgemeingültig.

Gideon Rosendahl wurde 1942 im damals britischen Mandatsgebiet Palästina geboren. Seit 1957 lebt er in Deutschland, mit Ausnahme der Jahre 1967–1969, während seines Militärdienstes in der israelischen Armee. Im sogenannten Zermürbungskrieg gegen die Ägypter wurde er verwundet. Als ausgebildeter Flugzeugmechaniker und Kfzmeister arbeitete er 20 Jahre für Peugeot und 15 Jahre in der Administration der Ludwig-Maximilians–Universität, München. Seit 1971 lebt Gideon Rosendahl mit seiner Frau Terry Jochewed in München. Ihre Hochzeit wurde als die erste jüdische Nachkriegshochzeit in Regensburg gefeiert.

Benjamin Rosendahl wurde 1977 in München geboren und lebt seit 1999 in Israel. An der Hebräischen Universität absolvierte er den Studiengang „Middle Eastern Studies“ mit dem Abschluss Bachelor of Arts. Seine Übersetzerausbildung an der Bar-Ilan Universität schloss er mit dem Magister ab. Seither ist er als freier Übersetzer und Journalist tätig. Das Buch „Schnorrer“ über jüdische Bettler in Deutschland wurde von ihm aus dem Hebräischen in die englische Sprache übersetzt. Dialoge der israelischen Serie „Hatufim – in der Hand des Feindes“ übersetzte er für den Sender Arte. Benjamin Rosendahl lebt mit seiner Frau Liron,née Rubin, in Tel Aviv.

Gideon Rosendahl: Rosendahlia. Eine deutsch-jüdische Familienchronik. Romanhafte Biografie. Hrsg. von Benjamin Rosendahl, 102 S., Roman Kovar Verlag 2013, Euro 11,90, Bestellen?

LESEPROBE:

Neuer Anfang in Israel

Mitte März 1938 kam mein Vater in Palästina an, am Hafen von Haifa. Er hebräsierte seinen Namen zu „Arie“ (Löwe) und ging auf Beutejagd. Allein – seine „Ehefrau“ und er gingen gleich nach ihrer Ankunft verschiedene Wege – machte sich mein Vater auf den Weg in verschiedene Kibbutzim: Kibbutz Dan, Kibbutz Dafna waren nur zwei der vielen landwirtschaftlichen Kollektive, wo er sich zum Arbeiten anwarb. Kibbutz Dafna wollte ihn aufgrund seiner Fleißes gleich anwerben, aber mein Vater lehnte ab: Er liebte seine Freiheit, und konnte sich nicht vorstellen, in einem landwirtschaftlichen Kollektiv, wo man alles teilen müsse und keinen Platz für sich selbst habe, zu leben. Später ging er nach Beer Tuvia und Ezra-Bizaron. Es fehlte so ziemlich an allem: Morgens gab es Tee und eine Scheibe Brot mit Marmelade, und ab und an ein Stück eingelegten Fisch. Die Schwerstarbeiter bekamen manchmal als Belohnung zwei Scheiben Brot mit Marmelade. Unruhen und Überfälle der arabischen Bevölkerung auf die Kibbutzim und Moshavim waren an der Tagesordnung, so dass bald jedes Kibbutz einen Wachturm hatte und außerdem von seinen Mitgliedern patrouilliert wurde. Arbeit gab es zur Genüge: Sümpfe mussten trocken gelegt werden, und das Land musste zu landwirtschaftlich nutzbarem Boden gemacht werden. Malaria war sehr weit verbreitet. Als mein Vater in Chamadia arbeitete, bekam er diese Krankheit selbst. Das einzige Mittel dagegen war damals Chinnin. Es half, aber machte meinen Vater schwerhörig. So war er für den Rest seines Lebens halbblind und halbtaub…

Meine Eltern zogen also um – nach Nachlath Yehuda. 1941 wurde meine Mutter erneut schwanger, und am 17. Mai 1942 wurde ich geboren. Meine Geburt ist eine interessante, und richtig jüdische Geschichte: Das Datum stand fest, der Krankenwagen und ein Krankenzimmer im Krankenhaus Beilinson in Petach-Tikvah waren bereits bestellt worden. So kam der Krankenwagen also pünktlich an und man begrüßte sich freundlich mit „shalom, shalom“. „Bitte zum Krankenhaus Beilinson“, sagte mein Vater. „Ken, ken“, (ja,ja) antwortete der Fahrer und fuhr los. Jedoch nicht nach Petach-Tikvah, sondern nach Tel-Aviv. „Beilinson!“, rief mein Vater. „Beseder“ (in Ordnung) sagte der Fahrer – und fuhr weiter in die falsche Richtung. Es entwickelte sich ein regelrechter Streit zwischen den beiden, so dass mein Vater schließlich drohte, einen anderen Krankenwagen zu verlangen. Und auf einmal ging es in die richtige Richtung, zum Krankenhaus Beilinson. Mir war jedoch die Wartezeit zu lang geworden und so kam ich bereits im Krankenwagen auf die Welt. Die Hebamme kam, gratulierte meinen Vater – und ich war da. Es war der 17. Mai 1942.

Aufgewachsen bin ich in Nachlat Yehuda, in einer Baracke. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen war die UN-Resolution vom 29. November 1947, als sich die Mehrheit der Vereinten Nationen für die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat entschied. Das ganze Land war vor den Radios versammelt und sank in einen Freudentaumel – nach 2000 Jahren gab es wieder einen unabhängigen jüdischen Staat! Leider fing kurz darauf der Unabhängigkeitskrieg wieder an, so dass die Freude nur kurz währte. Eine weitere Erinnerung: Im Radio erklang das Lied „Batshewa“ von der berühmten israelischen Sängerin Shoshana Damari – und während das Lied gespielt wurde, flogen über unserem Haus israelische Militärhubschrauber, die „Batshewa“ hießen. Noch heute laufen mir bei dieser Erinnerung die Tränen herunter – sowohl Tränen der Freude über die neue Heimat in Israel als auch Tränen der Trauer über den Preis, den wir zu zahlen hatten (10% der Bevölkerung fiel im Unabhängigkeitskrieg). Am 15. Mai 1948 rief David Ben-Gurion die Unabhängigkeit des Staates Israels aus. Eine neue Ära begann.

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