Vladimir Vertlibs neuer Roman verdichtet Identitätsfragen in einer Lesereise durch Israel…
Vladimir Vertlib wurde 1966 in Leningrad geboren. Mit seinen Eltern emigrierte er 1971 nach Israel und siedelete nach Zwischenstationen in Österreich, Italien, Holland, wieder Israel, wieder Italien, wieder Österreich, den USA schließlich endgültig nach Österreich über. Dort studierte er Volkswirtschaftslehre und lebt heute als freier Schriftsteller in Salzburg.
Diese Beschreibung gilt auch für den Protagonisten von Vertlibs neuem Roman. Dennoch ist es, wie auch die bisherigen Bücher Vertlibs, keine Autobiografie. Vielmehr verdichtet sich hier Vertlibs Ansatz, bei dem die eigene Biografie eine Prämisse des Erzählens ist. „Das Wesentliche daran ist für mich, (…) ob bzw. wie sich die Mischung aus Erlebtem, Hinzugedachtem und Assoziierten zu einem exemplarischen Fall verdichtet und somit für den Leser zu einem Spiegel – auch einem Zerrspiegel – der eigenen Gefühle, Erfahrungen, Ängste und Sehnsüchte wird“, hielt er dazu an anderer Stelle fest.
Tatsächlich müsse man vielmehr auch die Authenzität einer tatsächlich Autobiographie hinterfragen, die, so Vertlib, auch immer nur Fiktion sei, da das „eigene Leben nachträglich neu „erfunden“ wird“. Für den Leser sei es egal, ob ein Text einen autobiographischen Hintergrund habe.
Mit „Schimons Schweigen“ steht erstmals das israelische Kapitel in Vertlibs Biografie im Mittelpunkt eines Romans. In Vor- und Rückblenden begleitet der Leser den Protagonisten, einen Schriftsteller, auf eine Lesereise durch Israel. Unterbrochen von Einschüben aus der Studienzeit in Wien entfaltet sich so ein Prisma der Identitätsfragen und der seelischen Nachwehen der Emigration, das sich zu der einen Frage zuspitzt, die der Protagonist von seinem Publikum fürchtet.
Vladimir Vertlib ist ein wunderbarer Erzähler, der mit intelligenter Leichtigkeit und feinem Humor durch die verschachtelte Romanstruktur führt. Dabei gelingt es ihm in großartiger Weise, seinen Lesern genau jenen Spiegel vorzuhalten, der ihnen die „eigenen Gefühle, Erfahrungen, Ängste und Sehnsüchte“ vor Augen führt. – al
Vladimir Vertlib, Schimons Schweigen, 272 S., Deuticke Verlag 2012, Euro 19,90, Bestellen?
Termine:
Ignatz Bubis-Gemeinde Zentrum Frankfurt
29.08.2012 | 20.00 Uhr
Lesung
Bodmannhaus. Das kleine Literaturhaus Gottlieben
20.09.2012 | 20.00 Uhr
Vortrag
Alter Landtagssaal, Hypo Bank Bregenz
23.10.2012 | 20.00 Uhr
Leserbriefe