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Wissen: Die wichtigsten Psychologen im Porträt

In über 50 biografisch-werkgeschichtlichen Porträts zeichnet das Buch die Entwicklung der psychologischen und psychotherapeutischen Ansätze und Schulen im Kontext ihrer jeweiligen Zeit nach — von den Psychophysikern des 19. Jahrhunderts über die Tiefenpsychologie, die Lern- und Persönlichkeitstheorien bis hin zu den systemischen Ansätzen der Gegenwart. Den Porträts ist ein ausführlicher Abriss über die wichtigsten psychologischen Lehren von der Antike bis zum 19. Jahrhundert vorangestellt…

Aus der Einführung zu Christiane Schlüters „Die wichtigsten Psychologen im Porträt„, ersch. in der Reihe marix-wissen, auf marixverlag.de

Am Anfang steht ein Widerspruch. "Die Psychologie hat eine lange Vergangenheit, aber nur eine kurze Geschichte", stellte im Jahr 1908 der Gedächtnisforscher Hermann Ebbinghaus fest. Er hatte Recht. Seit Jahrtausenden beschäftigen sich die Menschen mit den Geheimnissen der Seele, weshalb die Wurzeln der Psychologie weit in die vorchristliche Zeit hinabreichen.

Als Wissenschaft im Sinne empirischer, das heisst methodisch überprüfbarer Forschung wird die Psychologie jedoch erst seit dem 19. Jahrhundert betrieben. Seit der Zeit also, da sich die Naturwissenschaften zu emanzipieren begannen und ihrerseits die Deutungshoheit über Mensch und Welt beanspruchten. Was vorher in die Zuständigkeit von Dichtern und Philosophen gefallen war, wurde nun zum Arbeitsfeld für Biologen, Physiker, Chemiker und Mediziner. Die noch junge Wissenschaft der Psychologie verstand sich selbst überwiegend als naturwissenschaftlicher Forschungszweig der Philosophie. An den Universitäten blieb sie auch lange, trotz ihrer experimentellen Arbeitsweise, ein Teil der philosophischen Fakultäten. Doch bestand daneben eine zweite, geisteswissenschaftlich orientierte Psychologie fort. Sie arbeitete mit dem Verstehen statt mit dem naturwissenschaftlichen Experiment.

Der doppelte methodische Ansatze prägt die Psychologie bis heute. Er rührt daher, dass ihre eigenständige Entwicklung just in der Epoche begann, in der sich Geistes- und Naturwissenschaften voneinander trennten. Innerhalb der Psychologie kam es dabei zu interessanten Überkreuzungen. Zum Beispiel befassten sich gerade die Neurologen und Psychiater als Erste mit der unempirischsten aller psychologischen Richtungen, mit der Psychoanalyse nämlich. Was daran lag, dass deren Begründer Sigmund Freud selber Arzt war.

Während sich also die Psychoanalyse entfaltete, erforschten andere die Wahrnehmung und das Verhalten, das menschliche Lernen, die Intelligenz, die Kommunikation und vieles mehr. In der praktischen Anwendung fanden die verschiedenen Themen dann nicht selten wieder zusammen und setzten auf diese Weise neue Forschungen in Gang. So erscheint die Psychologie wie ein dickes Tau aus vielen verschiedenen Strängen. Je länger dieses Tau wird, desto mehr öffnen sich die Stränge füreinander und bilden neue Verflechtungen.

Das Buch „Die wichtigsten Psychologen im Porträt“ versammelt nicht nur die therapeutischen Richtungen, auf welche die Psychologie im allgemeinen Verständnis gern reduziert wird. Es stellt auch andere psychologische Ansätze vor, um ein vielfältiges Bild dieser Wissenschaft zu geben. In der Darstellung folgt es dem zeitlichen Verlauf und ordnet zugleich die Porträtierten einem Hauptthema ihrer Arbeit zu. Daraus ergibt sich die Unterteilung in acht grosse Abschnitte:

I. Von der Antike bis zum 19. Jahrhundert

Der erste Abschnitt setzt am unteren Ende des beschriebenen Taus an, dort, wo die Psyche erstmals als wissenschaftlicher Begriff auftritt. Von da bis zum 19. Jahrhundert markiere ich kurz ein paar Daten an diesem Tau und stelle einige bedeutende Menschen aus der langen Vergangenheit der Psychologie vor.

II. Sinnesphysiologie – Bewusstseinspsychologie -Gestaltpsychologie

Im zweiten Abschnitt geht es um die naturwissenschaftliche Sicht auf die Leistung der Sinnesorgane, aber auch um die Erforschung des Bewusstseins und der Wahrnehmung.

III. Tiefenpsychologische Ansätze

Der dritte Abschnitt handelt von der Tiefenpsychologie, die, beginnend mit der Psychoanalyse, einen völlig anderen blick auf die Seele wirft.

IV. Lern- und kognitionspsychologische Ansätze

Im Mittelpunkt des vierten Abschnitts steht das menschliche Lernen und Verhalten. Manche Wissenschaftler erklären alles Verhalten als automatische Reaktionen auf Sinnesreize. Andere betrachten den Geist des Menschen und untersuchen, wie er im Wechselspiel mit der Aussenwelt seine eigenen Vorstellungen von der Realität bildet.

V. Humanistische und ressourcenorientierte Ansätze

Der fünfte Abschnitt stellt therapeutische Ansätze vor, die weniger die Störungen der Psyche betrachten als vielmehr ihre Entwicklungsmöglichkeiten. Die Vertreter dieser ressourcenorientierten Herangehensweise verstehen sich als Humanisten, das heisst: Sie betonen besonders die Würde und Entscheidungsfreiheit des Menschen.

VI. Systemische Ansätze

Im sechsten Abschnitt kommt das Beziehungsgeflecht des Patienten in den Blick, denn man hat erkannt: Nicht der Einzelne allein ist behandlungsbedürftig, sondern das zwischenmenschliche System, zu dem er gehört. Diese Ansätze, die sich zunächst auf die Familientherapie beziehen, werden heute allgemein als systemisch bezeichnet.

VII. Persönlichkeits- und Intelligenzforschung

Der siebte Abschnitt stellt Wissenschaftler vor, die Bedeutendes für die Erforschung der menschlichen Eigenschaften und der Intelligenz geleistet haben.

VIII. Sozialpsychologische Ansätze

Im achten Abschnitt geht es um den Menschen als soziales Wesen, als Mitglied einer Gruppe, der Gesellschaft, des Staates. Hier zeigt sich noch einmal besonders deutlich, wie vielfältig die Psychologie in ihrer Anwendung ist.

Dr. Christiane Schlüter, Jg. 1961, studierte in Göttingen und Genf und promovierte 1993. 1992—1994 Tageszeitungsvolontariat, anschliessend Zeitungs- und Zeitschriftenredakteurin in Goslar und Augsburg. Seit 2004 freiberuflich in Augsburg tätig. Veröffentlichung von rund 30 Sach- und Geschenkbüchern, vor allem in den Bereichen Religion, Philosophie und Psychologie. 2002—2003 zusätzliche seelsorgerliche Ausbildung, seit 2005 Psychodrama-Ausbildung.