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Unrecht das zum Himmel schreit: Die biologische Lösung des Wiedergutmachungs-problems

Die grosse und vielbeachtete Bilanz der "Wiedergutmachung", die zeigt, dass das System individueller Entschädigung der Schoah-Opfer von Israel, Deutschland und der Claims Conference hintertrieben wurde, ist nun auch auf Deutsch erhältlich.

Ihr Verfasser, Raul Teitelbaum, Jahrgang 1931, erlebte die Befreiung in Bergen-Belsen. Sein Vater wurde dort umgebracht. Mit seiner Mutter emigrierte er 1949 in den neugegründeten Staat Israel. In Jerusalem studierte er an der Hebräischen Universität Geschichte und Wirtschaftswissenschaften. Später arbeitete er als Journalist und Publizist, unter anderem für die grösste israelische Tageszeitung "Yedioth Acharonoth", deren Deutschlandkorrespondent er von 1994 bis 1997 war.

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Er veröffentlichte zahlreiche Artikel und Aufsätze zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und historischen Themen. Er begleitete den Aufbau des Zentrums der Organisationen der Schoah-Überlebenden in Israel und gehörte zu den Initiatoren des Dokumentationsprojekts zum Beitrag der Schoah-Überlebenden an Aufbau und Entwicklung des Staates Israel.

Mit „Die biologische Lösung“ legt er die erste grosse Darstellung der Wiedergutmachung aus Opferperspektive vor. Dieses epochale Werk ist das Ergebnis einer intensiven und mehr als zehnjährigen Forschungsarbeit. Um den historischen Prozess zu analysieren, der dazu geführt hat, dass das System der individuellen Entschädigungen für die Schoah-Überlebenden in Deutschland und Israel von Grund auf verbogen wurde, war die Untersuchung unzähliger Dokumente, Zeugenaussagen und Quellen notwendig. Was herauskam ist eine schwere Anklage gegen die drei Hauptakteure der Wiedergutmachung: Deutschland, Israel und die Claims Conference. Sie macht er für den Skandal verantwortlich, dass über zwei Drittel derer, die die Schoah überlebt haben, nie in irgendeiner Form entschädigt wurden. Für die meisten der überlebenden Opfer war es eine biologische Lösung des Entschädigungsproblems: Sie starben, bevor es zu einer Wiedergutmachung kam.

Fast zwangsläufig leistet Teitelbaums Buch auch einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der offenen und verdeckten Motive, die die Regierungen Deutschlands und Israels wie auch die jüdischen Organisationen bei der Gestaltung des Entschädigungssystems geleitet haben.

Für Deutschland war die „Wiedergutmachung“ der Schoah nach dem Zweiten Weltkrieg ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Normalisierung seiner Beziehungen mit den Siegermächten. Ohne die Anerkennung der Schuld und die daraus folgenden Entschädigungszahlungen hätte Deutschland nicht schon so bald nach dem Kriege erneut einen Platz in der Völkergemeinschaft gefunden. Nach dem grössten Massenraubmord der Menschheitsgeschichte, bei dem nicht der Sieg über einen Staat, sondern die Ausrottung einer Gruppe einzelner Menschen innerhalb unterschiedlicher Gesellschaften das Ziel war, sollten mit der „Wiedergutmachung“ erstmals in der Geschichte nicht Kriegsschulden einer unterlegenen gegenüber einer siegreichen Nation abgetragen, sondern individuelle Entschädigungen an überlebende Opfer gezahlt werden. Die „Wiedergutmachung“ gilt daher weithin als erfolgreiche Aufarbeitung und Kompensation der deutschen Schuld – so erfolgreich, dass mancher Deutsche sich schon wieder als Opfer „jüdischer Gier“ betrachtet.

Vergessen wird dabei immer wieder, dass nur etwa ein Drittel der Überlebenden je eine Entschädigung erhalten hat und nur ein winziger Teil der jüdischen Vermögensverluste kompensiert wurde. Raul Teitelbaums Buch kommt spät. Doch im Angesicht der Verzweiflung und Verbitterung, die die Beschäftigung mit diesem Thema mit sich bringt, ist sein Verdienst nicht hoch genug anzusetzen.

Raul Teitelbaum
Die biologische Lösung
Wie die Schoah "wiedergutgemacht" wurde
Aus dem Hebräischen von Bettina Malka-Igelbusch
September 2008, ca. 380 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
ca. Euro [D] 24,80 · sFr 47,40 [UVP]
ISBN 978-3-86674-026-6
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