
Martin Dietzsch / Siegfried Jäger / Helmut Kellershohn / Alfred
Schobert:
Nation statt Demokratie.
Sein und Design der "Jungen Freiheit"
Edition DISS Bd. 4
Unrast Verlag 2004
Euro 16,00
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"Nation statt Demokratie":
Wenn die 'Junge Freiheit' das Gespräch sucht...
Leseprobe
Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die "Junge Freiheit"
sich anschickte, auf wöchentliches Erscheinen umzustellen, kennzeichnete
der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas den Zustand der
vorherrschenden politisch-kulturellen Debatten so: "Der ganze
intellektuelle Müll, den wir uns vom Hals geschafft hatten, wird wieder
aufbereitet, und das mit dem Gestus, für das Neue Deutschland die neuen
Antworten parat zu haben."(1)
Im mediopolitischen Diskurs mag sich seit 1993 manches
verschoben haben, im Guten wie im Schlechten; doch damals wie heute
gilt, dass die "Junge Freiheit" eine zwar kleine, doch für
Spezialaufträge zuständige effektive Wiederaufbereitungsanlage für jenen
intellektuellen Müll ist. Nach mehrjährigem Probebetrieb in Freiburg
zunächst in Potsdam, dann in Berlin installiert, liefert die "Junge
Freiheit" wöchentlich Recycling-Produkte aus der sogenannten
"Konservativen Revolution" der 20er und 30er Jahre. Aus dem Angebot
dieser heterogenen politischen Strömung, die als Einheit zu betrachten
in der Forschung nicht unumstritten ist (2) ,
bevorzugt die "Junge Freiheit" insbesondere die "jungkonservativen"
Spielart und da neben Ernst Jünger vor allem den Staatsrechtler Carl
Schmitt.(3)
Dass es sich hierbei zumeist um ideologisches Material
von Wegbereitern und Weggefährten des Nazismus handelt, muss freilich,
um als Zeitungsprojekt einigermaßen am Leben zu bleiben, und sei es auch
am Tropf von Mäzenen, die die zu geringe Verkaufszahlen finanziell
ausgleichen, kaschiert werden. Um ins Gespräch zu kommen und sich und
die "Konservative Revolution" ins Gespräch zu bringen, bedient sich die
"Junge Freiheit" publizistischer Techniken, die sich mit jenen
krimineller Giftmüll-Schieber vergleichen lassen: falsche Deklaration
von Ultragiften, Hoffen auf die Naivität der Empfänger, Mischung
verschiedener hochgiftiger Substanzen mit harmloserem Material, um
vorgeschriebene Grenzwerte zu unterschreiten und teure Kosten für
Endlagerung auf Sondermülldeponien zu sparen usw. Nicht zu vergessen der
erfolgreiche Trick, Chemiemüll grell zu färben und als Hygiene-Würfel
für Toiletten Gewinn bringend zu verkaufen. Wie hier Abfall vermeintlich
der Sauberkeit dienen soll, so lehrt die "Junge Freiheit" Politik und
Kultur aus Vorlagen, die lange Zeit in den Giftschränken der Archive und
Bibliotheken lagerten, als Quellen historischer Forschung, von den
Jungmannen nun aber als Rezeptbücher für Gegenwart und Zukunft gehandelt
werden.
[...]
Ins Gespräch kommen
Regelmäßig listet die "Junge Freiheit" auf ihrer
Interview-Seite in einer Spalte eine Vielzahl früherer Interviewpartner
auf. Das dient längst nicht allein dem Zweck, Platz zu füllen. Genannt
werden da beispielsweise (in der Ausgabe vom 28. März 2003) etablierte
Politiker und Politikerinnen wie Peter Gauweiler (CSU, ehemaliger
bayerischer Umweltminister, jetzt Bundestagsabgeordneter), Vera
Lengsfeld (Bürgerrechtlerin, ehemalige Bundestagsabgeordnete der
Bündnisgrünen, zur CDU übergetreten), Laurenz Meyer (Generalsekretär der
CDU), Günter Rexrodt (FDP, ehemaliger Bundeswirtschaftsminister) Jörg
Schönbohm (CDU, General a.D., Innenminister in Brandenburg), Hans Otto
Solms (FDP, Bundestagsabgeordneter) oder Christoph Zöpel (SPD,
ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär im Außenministerium,
Bundestagsabgeordneter). Auch schmückt man sich mit den Namen bekannter
Fernseh-Journalisten wie Peter Scholl-Latour, Gerhard Löwenthal und
Franz Alt (4), Schriftstellern wie Rolf
Hochhuth und Ephraim Kishon, Philosophen wie Hans-Georg Gadamer und
Hermann Lübbe oder auch Publizisten wie Joachim Kaiser (Feuilletonchef
der Süddeutschen Zeitung) und Eckhardt Henscheid. Der Rabbiner Isaak
Halberstadt findet sich dort ebenso aufgelistet wie Charlotte Knobloch,
die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in
Deutschland, und der renommierte israelische Militärhistoriker Martin
van Creveld.
Man wird sich beim Lesen der hier genannten Namen
vielleicht gelegentlich verwundert und fassungslos an den Kopf gefasst
haben, beispielsweise bei der Nennung des brandenburgischen
Innenministers (und damit 'Verfassungsministers') Schönbohm.(5)
Bei Gadamer werden die allerwenigsten an dessen Mitwirken in der
institutionalisierten Philosophie des deutschen Faschismus denken (6)
und dies dann – fälschlich! – linear bis in die Gegenwart fortschreiben;
bei Kishon wird kaum jemand sich vergegenwärtigen, dass er immer wieder
auch als israelische Alibifigur für die Reputation der rechten
Buchfabriken des Verlegers Herbert Fleissner herhalten muss, sondern die
meisten werden an seine Satiren aus dem Leben in Israel denken.
So fragt man sich wohl, was sie in einem Blatt der
extremen Rechten zu suchen haben. Oder aber – unberechtigte, wie sich
noch zeigen wird – Zweifel bekommen, ob die "Junge Freiheit" vielleicht
doch nicht so weit rechts außen steht wie der Ruf, der ihr seit Jahren
vorauseilt. Diese Effekte der Verwunderung sind, so darf man
unterstellen, seitens der Zeitungsmacher durchaus gewollt. Die so
deutlich zur Schau getragene pluralistische Auswahl der Interviewpartner
soll die Zeitung vom Ruch des völkischen Nationalismus frei machen.(7)
Zudem dürfte für einen Teil der Leser das Blatt dadurch auch inhaltlich
attraktiver werden.
Im Dialog mit dem Minister
Mitte November 2002 erschien in der "Jungen Freiheit"
ein langes, sich über zwei Seiten erstreckendes Interview mit dem
Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm. "Die Union muß auf
konservative Werte setzen", lautete der Titel, der eine Aussage
Schönbohms aufgriff. Dem Untertitel zufolge drehte sich das Gespräch
zwischen Schönbohm und Dieter Stein um "das Tafelsilber' der Union, die
drohende demographische Katastrophe der Deutschen und den Kampf gegen
Rechts".(8) Anders als bei den meisten
Interviews der "Jungen Freiheit", die mit Porträtaufnahmen der
Interviewten illustriert werden, ließ es sich die "Junge Freiheit" nicht
entgehen, den Chefredakteur und den Minister auf einem Foto im Dialog zu
zeigen.
Noch bevor Stein, dem man ein besonderes Interesse an
diesem Thema unterstellen darf, Schönbohm auf den Kampf gegen Rechts
angesprochen hat, reduziert der brandenburgische Innenminister diesen
bereits auf eine bloße Strategie des politischen Gegners, namentlich des
Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD). Man müsse nämlich, so
Schönbohm, die Versuche der SPD, zu Beginn des Wahlkampfes den
Kanzlerkandidaten der Unionsparteien, Edmund Stoiber, "als Rechtsaußen
zu brandmarken", "im Zusammenhang mit dem zuvor von Herrn Thierse und
anderen initiierten 'Aufstand der Anständigen' sehen." Darin sieht
Schönbohm lediglich eine "strategische Falle, in die die Union
hineintappen sollte" (JF 47/2002, S. 4).
Der NPD attestiert Schönbohm, sie sei "eindeutig
verfassungsfeindlich". Er erkennt aber ein anderes Problem: "Tatsache
aber ist ebenso, daß die NPD nur allzu gerne als Resonanzboden für die
Rituale des antifaschistischen Kampfes benutzt wird." Die "Junge
Freiheit" exponiert diese Aussage Schönbohm als Zwischenüberschrift:
"Die NPD dient als Resonanzboden für den Antifa-Kampf" (JF 47/2003, S.
5).
Auch die weiteren Zwischenüberschriften der "Jungen
Freiheit" haben es in sich: "Kampf gegen Rechts - dahinter stecken
Thierse & Fischer" und "Die Unredlichkeit der 'Anständigen' empört
mich". Tatsächlich betont Schönbohm, an Veranstaltungen im Rahmen des
Kampfes gegen Rechts "nie teilgenommen" zu haben, denn: "Was da
insgesamt wirkte, war verordneter, moralisch überhöhter Aktionismus und
der wurde schließlich sogar noch parteipolitisch gegen die CDU
instrumentalisiert. Die treibenden Kräfte dabei waren die Herren Thierse
und Fischer." Nach dieser Vorgabe Schönbohms stehen der Chef der "Jungen
Freiheit" und der Innenminister an einer Front. Stein legt vor, indem er
die in der wissenschaftlichen Forschung über die extreme Rechte
etablierte These über die Verantwortung der "Mitte der Gesellschaft" als
"linksradikale These" entlarvt. Schönbohm setzt in seiner Antwort noch
eins drauf:
"Mit der heißen Phase des 'Aufstandes Zuständiger und
Anständiger gegen Rechts' stiegen die rechtsextrem motivierten
Straftaten parallel sprunghaft an. Seit dem Abflauen des 'Kampfes gegen
Rechts' sind auch diese Straftaten wieder klar rückläufig. Und jetzt
stellt vor allem Herr Thierse diese These auf: Da der Rechtsextremismus
aus der Mitte der Gesellschaft komme, fände er nun verdeckt, nicht mehr
offen statt. Was damit bezweckt werden soll, ist klar: Nämlich den
Diskurs der verschiedenen politischen Lager - der notwendig zu einer
lebendigen Demokratie gehört - zu unterbinden, um das konservative Lager
erneut matt zu setzen. Das alles ist schon erstaunlich."
Erstaunlich ist tatsächlich, wie Schönbohm hier die aus
der "Jungen Freiheit" bekannte Argumentation reproduziert – vielleicht
definiert er allerdings "konservativ" nicht ganz so weit, nämlich so
offen für die Einbeziehung von Teilen der extremen Rechten unter diesen
Begriff, wie dies in der "Jungen Freiheit" gängig ist.
Der Interviewer Stein versucht nach dieser Vorgabe, noch
einen weiteren Punkt zu machen, indem er Schönbohm auf die Berliner
Demonstration vom 9. November 2000 anspricht. Bei dieser Demonstration
hatte Paul Spiegel die von der CDU angestoßene Debatte um "deutsche
Leitkultur" kritisiert. Stein legt Schönbohm nun die Leimrute aus, die
Unionsparteien hätten vielleicht "Schuld" an der soeben von Schönbohm
skizzierten Situation, denn sie hätten "doch an der Großdemonstration
'gegen Rechts' am 9. November 2000 in Berlin teilgenommen". Schönbohms
Antwort:
"Tatsächlich lief die Demonstration offiziell unter
einem weniger verfänglichen Titel. Das bemerkenswerte bei dieser
Veranstaltung war allerdings, daß der Vorsitzende des Zentralrates der
Juden in Deutschland, als Redner der Union Vorwürfe machte, die falsch
und verletzend waren. Mich hatte das verwundert, weil ich Herrn Spiegel
sehr schätze."
Auf die Vorgabe Steins, ob die Union mittlerweile
"kapiert" habe, "daß es beim 'Kampf gegen Rechts' nicht wirklich um das
Problem des Rechtsextremismus geht, sondern darum, die Union unter Druck
zu setzen", antwortet Schönbohm: "Ich bin sicher, daß das auch die
Wohlmeinenden in der Partei spätestens mit dem 9. November 2000
eingesehen haben. Ein zweites Mal wird sich eine solche Situation nicht
wiederholen", um dann zu propagieren, "wir sollten [...] endlich lernen,
wieder unbefangen stolz auf unser Land sein zu können".
So bestätigt Innenminister Schönbohm unfreiwillig, was
nicht nur der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
behauptet: Die Aussage im Verfassungsschutzbericht des Landes
Baden-Württemberg für das Jahr 2000 stellte fest, was später auch für
das Schönbohm-Interview gilt: "Die Redaktion der JF ist dabei bemüht,
extremistisches Gedankengut als 'national-konservatives' zu verschleiern
und bedient sich hierzu immer wieder der Bereitschaft von Politikern und
sonstigen Personen zu Interviews."
Einige Monate später lässt sich ein weiterer
Unionspolitiker im Kampf gegen den Kampf gegen Rechts vor den Karren der
"Jungen Freiheit" spannen. Ende Februar 2003 erklärt die "Junge
Freiheit" auf der Titelseite: "Der 'Kampf gegen Rechts' soll die
politische Vorherrschaft von Rotgrün zementieren". "Das verhetzte Volk"
ist der Text überschrieben; als Illustration dient eine Grafik A. Paul
Webers – politisch wiederum ein deutliches Signal: als Grafiker war
Weber im Umfeld Ernst Niekischs im "Widerstand" tätig, wohlgemerkt im
"Widerstand" gegen die Weimarer Republik, und tat sich auch durch
antisemitische Karikaturen hervor.(9)
Auf der Interview-Seite finden sich zwei Interviews,
eines mit dem Bonner Professor Manfred Funke und ein kürzeres mit
Wolfgang Götzer, Bundestagsabgeordneter der CSU. Götzer nimmt
ausdrücklich Bezug auf Schönbohms Interview mit der "Jungen Freiheit"
und behauptet, es gehe "beim sogenannten 'Aufstand der Anständigen' von
Anfang an in erster Linie darum, das bürgerliche Lager, speziell die
Union unter Druck zu setzen und in die 'rechte Ecke' zu stellen" (JF
10/2003, S. 3). Für Antifaschismus hat Götzer nichts übrig:
"'Antifaschismus' ist ein Kampfbegriff des Linksextremismus, der dazu
dient, von der eigenen totalitären Ideologie abzulenken und eine breite
Front zu schmieden, um das bürgerliche Lager zu vereinnahmen und
letztlich matt zu setzen." Götzer bedauert ausdrücklich, dass der Kampf
gegen Rechts nicht "am Ende" sei. Doch die Fragestunde im Deutschen
Bundestag, bei der die Förderung von Initiativen im Kampf gegen Rechts
zum Thema gemacht wurde, sei "ein Anfang", um ihm ein Ende zu setzen.
Die "Junge Freiheit" versucht, in derselben Nummer und
in der folgenden Ausgabe dazu ihren Beitrag zu leisten, indem sie sich
mit diffamierender Absicht exemplarisch über den Magdeburger Verein
"Miteinander e.V." hermacht. Bei Manuel Ochsenreiters 'Enthüllung'
handelt es sich allerdings ganz offensichtlich um eine Pseudorecherche
mit kurzem Atem und langen Zähnen. Unter dem Gesichtspunkt
journalistischer Seriosität betrachtet, sind die betreffenden Artikel
als Reinfall anzusehen, zogen sie doch neben einer "Richtigstellung"
zwei Gegendarstellungen nach sich.(10)
Im Gespräch bleiben – Signale an die Kameraden
Seit die "Junge Freiheit" sich auf dem schwierigen Markt
der Wochenzeitungen zu behaupten sucht, unterliegt sie einem doppelten
Zwang. Ihr Bemühen um ein reputierliches Image lässt sie Gefahr laufen,
Leserschaft auf der Rechten einzubüßen. Bei den Kameraden wird ihr Name
gelegentlich zu "Junge Feigheit" verballhornt. Also muss sie, um
Leserschaft in der Stammklientel zu halten, versuchen, neben den
Zugängen ins gesellschaftliche und politische Establishment auch weiter
Signale an die Kameraden auf der extremen Rechten auszusenden. Dies wird
schwerer, wenn der gesellschaftliche Druck auf die extreme Rechte
zunimmt.
Als im Sommer 2000 in der breiten Öffentlichkeit und
dann auch seitens der Bundesregierung endlich die Gefährdung der
Demokratie durch die extreme Rechte erkannt wurde, witterte die "Junge
Freiheit" die Gefahr. Das Thema wurde Chefsache und der Chef, Dieter
Stein, war sichtlich nervös. In seinem Kommentar "Nationale und Gewalt"
(JF 31-32/2000, S. 2) vergoss er Krokodilstränen über einen Anschlug auf
die Flüchtlingsunterkunft in Ludwigshafen. Wenige Seiten weiter
allerdings präsentierte er eine als Interview ausgegebene
Selbstdarstellung eines besonders versierten Experten für den
Neonazismus: Sascha Wagner, einst Hooligan bei Alemannia Aachen, nun
Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der Jungen
Nationaldemokraten (JN). Im Gespräch mit Stein empfiehlt die Mitglieder
der Jugendorganisation der NPD als "die besten Sozialarbeiter" und
entlarvt "Spitzel des Verfassungsschutzes und die Medien" als
"Heißmacher" (JF 31-32/2000, S. 4). Welch passendes Wort im Zusammenhang
mit einem Brandanschlag!
Abschied vom Weggefährten Horst Mahler
Knapp einen Monat später steigert sich Stein, indem er
sich zweier auf die äußerste Rechte abgewanderter Alt-68er annimmt:
Horst Mahler, einst Anwalt des SDS, dann Mitbegründer der RAF, seit
Dezember 1997 als strammer Rechter bekannt (11)
und im Sommer 2000 in die NPD eingetreten, und Günter Maschke. Auf einer
Spalte beklagt Stein Mahlers "Weg in die Einsamkeit" (JF 35/2000, S. 3)
– eine merkwürdige Interpretation eines Beitritts zu einer Partei.
Unzweideutige öffentlich wahrnehmbare Nähe zur NPD war dem
Zeitungsmacher Stein immer ein Dorn im Auge. Denn sie würde seine so
angestrengten wie unglaubwürdigen Bemühungen, seinem Blatt ein honoriges
Image zu verpassen, restlos zum Scheitern verurteilen. So machte er
Mahler plötzlich zum Prügelknaben.
Stein sieht Mahler "in einer tragischen Sackgasse zum
Stillstand gekommen": "Autistisch Hegel und Marx zitierend,
schlafwandelt er in seinen Schriften und Reden, wie auch im persönlichen
Gespräch". Ganz sentimental auf 'das Menschliche' gerichtet, möchte
Stein "den Menschen [Mahler] hinter der Mauer entdecken, doch sein Blick
ist in die Ferne gerichtet und er selbst weit fort". Dass Mahler "weit
fort" sei von Steins Postille, davon konnte der Chefredakteur allerings
nur träumen. Alles, was Stein im folgenden über Mahler schreibt, galt
schon einige Zeit für dessen Texte, bevor Mahler als Autor bei der
"Jungen Freiheit" hofiert wurde und Stein sich stolz gemeinsam mit
Mahler bei der Frankfurter Buchmesse 1998 präsentierte. Und es galt auch
für die Texte Mahlers, die in der "Jungen Freiheit" erschienen; nicht
zufällig wurde einer der Beiträge Mahlers zur Debatte um Martin Walsers
Friedenspreis-Rede sowohl in der "Jungen Freiheit" als auch im
Zentralorgan der NPD, der "Deutschen Stimme", abgedruckt.(12)
Im Sommer 2000 aber gab sich Stein plötzlich
erschüttert: Mahlers Presse-Erklärung zum NPD-Beitritt sei "eine
rätselhafte, weitschweifige Begründung für Antisemitismus und die
Bedrohung durch die Juden. Mahler spricht von einer 'geheimen Regierung'
Deutschlands und entfaltet eine Verschwörungstheorie, die kaum eines der
gängigen Klischees ausläßt".(13)
Günter Maschke
Stein fand zeitgleich allerdings einen gleichwertigen
Ersatzmann für Kamerad Mahler, der nur bei höchst oberflächlicher
Betrachtung als unverdächtig erscheinen könnte: Günter Maschke, den
Stein in derselben Ausgabe der "Jungen Freiheit" interviewt. Maschke (14)
hatte zuvor gemeinsam mit dem Hamburger SDSler Reinhold Oberlercher und
Horst Mahler eine atemberaubend geschichtsklitternde
nationalrevolutionäre Reinterpretation von '68 vorgelegt. In Artikel 5
jenes kruden Papiers zur Umdeutung der 68er Revolte in einen
antiamerikanischen und befreiungsnationalistischen "deutschen Aufstand
gegen eine Besatzungsmacht", das die "Junge Freiheit" als
"Dokumentation" abdruckte, hieß es:
"Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) spielte
eine der Jenenser Urburschenschaft vergleichbare Rolle als
nationalrevolutionärer Initiator. Der zu Beginn der 70er Jahre sich
bildende Waffen-SDS (Rote-Armee-Fraktion) setzte die Tradition eines
Karl Sand, eines Major von Schill und eines ernsthaften Waffenstudentums
fort. In der tragischen Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin
Schleyer traf der Waffen-SDS einen SS-Mann, der die Position der
nationalrevolutionären Volksgemeinschaft zugunsten derjenigen des
Anführers eines Klassenkampfverbandes verraten hatte."(15)
Im Interview liefert Maschke Dieter Stein
Fundamentalkritik am "System", das völlig illegitim sei und in dem die
"geistige Freiheit [...] gegen Null gehe". Auf Steins Frage, ob er
meine, "die äußerste Rechte, die den Kampf explizit auf die Straße
tragen möchte, vertrete tatsächlich eine legitime Gegenposition zum
'System'", meint Maschke:
"Dieses Land kämpft darum, seine eigenen Interessen
nicht mehr formulieren zu dürfen. Der Widerstand dagegen könnte sich
ausweiten und intelligenter werden, wobei ich allerdings mit Blick auf
das verfügbare Personal skeptisch bin. Deshalb müssen schon die Ansätze
rasiert werden. [...] Und ich werde mich deshalb auch nicht abgrenzen.
Nicht weil es keine Unterschiede gebe, sondern weil die falschen Leute
dazu auffordern und man das außerdem nicht vor den Ohren des gemeinsamen
Feindes tut (JF 35/2000, S. 7).
Jener Günter Maschke, der sich von den Stiefel tragenden
Neonazis nicht abgrenzen will und zugibt, man habe einen "gemeinsamen
Feind", ist bis heute ein gern gesehener Autor in der "Jungen
Freiheit".(16) Da Maschke kaum Rücksichten
nimmt und in seiner Unabhängigkeit als Privatgelehrter auch nicht nehmen
muss, sondern Klartext schreibt, kommen Anhänger der härteren Linie bei
seinen JF-Texten auf ihre Kosten. So leugnet er anders als manche
Apologeten Carl Schmitts dessen Antisemitismus nicht. Er minimiert in
seiner Besprechung einer einschlägigen Studie wohl dessen Stellenwert:
"was Schmitt von den Juden dachte", behauptet Maschke, "ist für ein
Verständnis seiner Schriften nicht einmal von tertiärer Bedeutung." Dann
aber bedient Maschke in seinem Verriss des als "Amoklauf" gescholtenen
Buches ein tradiertes Motiv, die Botschaft über 'die Juden und das
Geld', freilich in einer Variante nach Auschwitz: Juden profitierten ihm
zufolge in Deutschland von der Erinnerung an den Holocaust. Der Autor
der Studie, so Maschke "wurde auch über Jahre hinweg von mehreren
Stiftungen gefördert. In den deutschsprachigen Ländern fließen für
jüdische Stipendiaten keineswegs Milch und Honig – sie stürzen vielmehr
kataraktartig auf die Antragsteller herab." Entsprechend überschreibt
die "Junge Freiheit den Artikel mit "Der subventionierte Amoklauf".(17)
In einer Rezension einer Studie über die Rolle Carl
Schmitts als Anwalt des Reiches beim sogenannten "Preußenschlag" vom 20.
Juli 1932 (18), bei dem die
sozialdemokratische Regierung Preußens durch einen Reichskommissar
ersetzt und damit das "Bollwerk der Republik" (Martin Broszat)
geschleift wurde, von Maschke als zwar nicht juristisch sistierbarer,
aber doch politischer Staatsstreich" charakterisiert, zeigt Maschke,
dass sein sein Herz für die Diktatur schlägt: "Nicht die Ausweitung des
Artikels 48", also des dem Reichspräsidenten diktatorische
Ausnahmevollmachten zugestehenden Artikels in der Weimarer Verfassung,
"war eines oder gar das Hauptübel der sterbenden Republik, sondern
dessen ihm trotz all seiner Verschärfungen bis zuletzt anhaftende
Schwäche. Und Hitler war auch nicht das Ergebnis einer diktatorial
deformierten Politik, sondern eines zuwenig an Diktatur und
Ausnahmezustand" (JF 39/2002, S. 16).
Frank Schwerdt
Kurz nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens im
März 2003 interviewte Manuel Ochsenreiter den Bundesgeschäftsführer der
NPD, Frank Schwerdt. "Die NPD ist eine staatstragende Partei", lässt die
"Junge Freiheit" Schwerdt im Titel verkünden. Die "Junge Freiheit"
stützt diese auf Solidität setzende Selbstaussage, indem sie den
politischen Werdegang des Interviewten nur sehr verkürzt vorstellt:
Ochsenreiter spricht Schwerdt auf seine Mitgliedschaft in der CDU in den
achtziger Jahren an und fragt dann, ob Schwerdts späterer Übertritt von
den REPs zur NPD "Folge eines Gesinnungswandels" gewesen sei. So
umschifft der Interviewer Zwischenstationen im Werdegang Schwerdts, die
nicht zu seiner gediegenen Selbstdarstellung passen: Schwerdt war in der
ersten Hälfte der neunziger Jahre Mitglied der Deutschen Liga für Volk
und Heimat und Mitte der 90er Jahre Bundesvorsitzender der Kleinstpartei
Die Nationalen.
"Unter dem Vorsitzenden Adolf von Thadden galt die NPD
in den sechziger Jahren noch als überwiegend nationalkonservative und
auch staatstragende Kraft. Spätestens seit der Wiedervereinigung bedient
sie sich verstärkt einer radikalen und dezidiert sozialistischen
Rhetorik. Sehen Sie in dieser Entwicklung Widersprüche?
Schwerdt: Nein, überhaupt nicht. Staatstragend ist die NPD auch heute
noch, aber wir kämpfen gegen das politische System, welches sich in
diesem Staat breitgemacht hat. Das politische System ist schließlich
nicht der Staat. Diejenigen, die den Staat führen, repräsentieren nicht
diesen Staat. Sie befinden sich leider nur zufällig an der Spitze."(19)
Wenn Schwerdt hier vom "politischen System" spricht, ist
das nicht der politikwissenschaftliche Sprachgebrauch, der den Staat als
Teil des politischen Systems betrachtet. Schwerdts Entgegensetzung von –
negativ konnotierten - "politischem System" und "Staat" knüpft an an die
demokratiefeindliche Polemik der Rechten gegen das "System"
("Systemparteien" usw.) der Weimarer Republik an.
Sprachlich ganz auf der Linie Schwerdts zeigt sich
Ochsenreiter, wenn er diesen auf den "Zulauf von jungen Leuten in
Mitteldeutschland" anspricht, den die NPD "durch radikale und
sozialistische Rhetorik" erziele. Schwerdts Antwort: "Ich denke, daß
diese den Zulauf in Mitteldeutschland bringen. Aber gerade bei bisher
politisch nicht gebundenen jüngeren Leuten bringen sie den auch in
Westdeutschland" (JF 13/2003, S. 6; Hrvh. d. Vf.). Sowohl für den
JF-Redakteur Ochsenreiter wie für den NPD-Funktionär Schwerdt teilt sich
das Territorium der Bundesrepublik Deutschland in West- und
Mitteldeutschland – da bleibt jenseits der Grenze noch ein
"Ostdeutschland" zu holen.(20) Auch
akzeptiert der JF-Redakteur distanzlos das Selbstverständnis (von
Teilen) der NPD, sie vertrete "sozialistische" Ziele.
Der "politische Flügel" der Hamas
Auch im Zuge der Nahost-Debatte nach Beginn der zweiten
Intifada platzierte die Junge Freiheit Duftmarken für die militanten
Kameraden. Weite Teile der extremen Rechten beziehen sich positiv auf
den religiös verbrämten Aufstand mit zunehmendem Terror. Dies hat einen
langen Vorlauf, der in einigen Milieus der extremen Rechten, so im
Umfeld Michael Kühnens, noch weit hinter die erste Intifada Ende der
80er Jahre zurückgeht.(21) Der ersten
Intifada wurde von der extremen Rechten bei der Propagierung des
Konzeptes "national befreiter Zonen" ein Vorbildcharakter zugesprochen.
Der Nationaldemokratische Hochschulbund brachte just in der Nummer
seiner Zeitschrift "Vorderste Front", in der das Konzept erklärt wurde,
einen vermummten Intifada-Kämpfer auf das Titelblatt – als eine weitere
Ikone des bewaffneten Kampfes diente der rumänische Faschist Corneliu
Zelea Codreanu. "Intifada weltweit!", lautete der Slogan, der dann nach
Beginn der zweiten Intifada mit weit größerer Intensität wieder
aufgenommen wurde. Eine zusätzliche Attraktivität bekam die arabische
bzw. muslimische Welt für die Nazi-Szene durch die große Resonanz, die
Holocaust-Leugnung dort findet.(22)
Die "Junge Freiheit" hielt sich in der Debatte um den
Nahost-Konflikt seit Beginn der zweiten Intifada lange Zeit eher zurück.
Mitte August 2001 aber ging man in die Vollen. Michael Wiesberg,
Vielschreiber auch für die REPs, dozierte auf der Titelseite über die
"Logik des Terrors". Die einseitige Schuldzuweisung an Israel und
namentlich Premierminister Ariel Scharon wird bei Wiesberg nicht so
plump und drastisch vorgetragen wie beispielsweise in der "National
Zeitung". Scharon habe "sich auf einen Pfad begeben, der die Zukunft
Israels eher gefährdet als sichert. Ob und wie dieser Pfad verlassen
werden kann, ist derzeit nicht ersichtlich" (JF 34/2001, S. 1).
Dieser vermeintlichen Sorge der "Jungen Freiheit" um
Israel geht Moritz Schwarz in derselben Ausgabe auf der Interview-Seite
nach. Er befragt Dr. Abdel Aziz Rantisi. Rantisi ist Mitbegründer der
islamistischen Organisation Hamas und wird von der "Jungen Freiheit" als
"Sprecher des politischen Flügels der Hamas im Gaza-Streifen"
präsentiert (JF 34/2001, S. 3). Das bedeutet aber längst nicht, dass die
terroristischen Aktivitäten der Hamas, die für zahllose
Selbstmordanschläge mit etlichen Toten und Verletzten verantwortlich
ist, nun im Gespräch zu kurz kämen. Der Interviewer fragt höflich einige
Positionen ab, manchmal widerspricht er dem Interviewten sogar
vorsichtig. Dieser hat es leicht, seine Position durchzubringen und um
Verständnis für die Hamas werben zu können. Rantisi malt ein Feindbild
'Israel' bzw. 'Israelis', wie es extremer kaum vorstellbar ist. Die
"Mentalität der Israelis ist der Terror", heißt es da. Vorsichtig auf
die Terrorakte der Hamas angesprochen, antwortet Rantisi ausweichend:
"Die Strategie der Hamas ist, unser Volk vor dem Terror
der Israelis zu schützen. Besetzung eines Landes nenne ich Terror, die
Ermordung von zweihundert unserer Kinder nenne ich Terror, die Tötung
weiterer Hunderter unserer Zivilisten nenne ich Terror. [...] Wir haben
keine andere Wahl, als die Israelis mit allen Mitteln zu stoppen" (JF
34/2001, S. 3).
Die Formel "mit allen Mitteln" schließt
Selbstmordanschläge in Cafés oder an anderen belebten öffentlichen Orten
in Israel ein. Diese mörderischen Akte werden als Teil einer "Strategie
[...], unser Volk vor dem Terror der Israelis zu schützen" beschönigt
und legitimiert – zur großen Freude des Teils der Leserschaft, der
darauf hofft, dass die Palästinenser an den Juden vollenden, was die
Deutschen begannen, dürfen wir wohl vermuten.
Die "Junge Freiheit" spricht wohlgemerkt mit einen
Vertreter des "politischen Flügels" der Hamas; das Interview lässt aber
keinen Zweifel an der Arbeitsteilung mit dem terroristischen Flügel. So
erklärt Rantisi: "Beide gehören gleichermaßen zur selben Organisation,
aber jeder Flügel arbeitet für sich alleine" (JF 34/2001, S. 3). Als
könnte an seiner Position noch ein Zweifel bestehen, befragt die "Junge
Freiheit" Rantisi, ob er die Attentate "des militärischen Flügels gegen
die Israelis" (ebd.; Hrvh. v. AS) befürworte (womit sie den
terroristischen Flügel zum "militärischen" adelt, als handle es sich um
eine reguläre Armee). Rantisi formuliert darauf eine weise und
vielversprechende Antwort: "Wir haben weder 'Apache'-Kampfhubschrauber
noch F-16-Jagdbomber. Wenn wir solche Waffen auch einmal haben, werden
wir nichts anderes mehr benutzen" (ebd.).
Mit diesem Interview wagte sich die "Junge Freiheit"
weit vor; im weiteren Verlauf der Berichterstattung über die zweite
Intifada wurde das Gespräch mit Rantisi durch andere, auch gegenläufige
Beiträge abgefedert.
Das Gespräch suchen - "Querverbindende Denkweise"
Nach dem 11. September 2001 intensivierte die "Junge
Freiheit" ihr Bemühen, das Spektrum ihrer Interview-Partner zu
erweitern.(23) Insbesondere suchte man nach
'linken' Positionen, und zwar häufig im Ausland. Das hatte wohl den
Vorteil, dass manche Interview-Partner nicht ahnten, wem sie da ein
Interview gewährten. So interviewte man, um den spektakulärsten Coup zu
nennen, nach ihrem Aufsehen erregenden Essay in der "FAZ" die indische
Schriftstellerin Arundhati Roy (JF 42/2001, S. 3-4).
Mit dieser systematischen Öffnung gegenüber – vage
gesprochen – 'linken' Positionen praktiziert die "Junge Freiheit" genau
das, was Alain de Benoist unter dem Schlagworten "Metapolitik" und
"querverbindende Denkweise" propagiert und in seinen Texten als
Diskursmix praktiziert, nämlich mittels solcher Brückenschläge
politische Fronten zu verwischen.
Kritik an den USA (und darüber hinaus bzw. häufig damit identisch gesetzt
Kritik an der Globalisierung) ist für diese Vorgehensweise ein besonders
geeignetes Feld. Denn ideologiegeschichtlich ist dies leicht
anschließbar an den kulturkritischen Diskurs (deutsche Tiefe versus
Oberflächlichkeit aus Hollywood usw.). Zudem knüpft man hier an die
Invektiven Carl Schmitts gegen die imperiale Deutung der Monroe-Doktrin
und die USA als "raumfremde Macht" sowie die anti-universalistischen
Polemik, wie sie Schmitt in seinen Texten über "Großraum" und "Reich"
vorgelegt hat, an.(24)
Gilt dies für intellektuell anspruchsvolle Publikation,
so lässt sich an anderer Stelle emotional gegen die USA mobilisieren,
indem man auf den "angloamerikanischer Bombenterror" gegen Deutschland
verweist. Symptomatisch dafür steht in den JF-Interviews der
"Dresden"-Einschub des Interviewers (bzw. der Redaktion) im Interview
mit Arundhati Roy (JF 42/2001, S. 3).
Ein weiteres neuralgisches Thema sind Geheimdienste,
hier insbesondere CIA und Mossad; hierzu hat Andreas von Bülow nach
seinem Interview in der Zeitschrift "Konkret" auch der "Jungen Freiheit"
per Interview einiges geliefert. So spekulierte der sozialdemokratische
Ex-Minister, der nun als Publizist tätig ist und als Geheimdienstexperte
gilt, über die Beteiligung des israelischen Geheimdienstes Mossad an den
Anschlägen vom 11.9.2001. Auch lieferte er der "Jungen Freiheit" eine
dort höchst willkommene Interpretation der extremen Rechten in
Deutschland; diese sei nämlich weitgehend ein Produkt von – insbesondere
ausländischen – Geheimdiensten.(25) Dass
dieses Interview mit seiner Stoßrichtung auch in der frankophonen Neuen
Rechten auf Interesse stößt, zeigt sich daran, dass es unter dem Titel
Sur la géostratégie américaine et l'impuissance européenne" ("Über die
amerikanische Geostrategie und die europäische Ohnmacht" auch auf der
Homepage von "Terre et Peuple" erschien, einer aus dem GRECE
hervorgegangenen Gruppe und Zeitschrift um Pierre Vial, die auf
Zusammenarbeit mit Le Pens Front National setzt. Übermittelt wurde das
Interview vom JF-Autor und Kopf der Europäischen Synergien, Robert
Steuckers.
Mit der Zuspitzung der diplomatischen und militärischen
Kriegsvorbereitungen der USA (und Großbritanniens) und des
diplomatischen Gegensteuerns der Bundesrepublik Deutschlands und
Frankreichs (sowie Russlands und Chinas) gewinnt die Interview-Politik
der "Jungen Freiheit" weitere Dynamik. Auch vermag die "Junge Freiheit"
die Erfolge früherer Interviews einstreichen.
Die auf eine Achse Deutschland-Frankreich (und Russland)
setzende Linie de Benoists wird direkt gestützt durch das Interview mit
Henri de Grossouvre (JF 8/2003, S. 3), der als "jüngster Sohn des
Mitterand-Vertrauten François de Grossouvre" und als "Geopolitiker"
präsentiert wird.
Einen symbolischen Erfolg im politischen Brückenschlag
kann die "Junge Freiheit" mit dem Interview mit dem vormaligen
französischen sozialistischen Kultur- und späteren Bildungsministers
Jack Lang verbuchen. Lang vertrat als Minister kulturpolitisch einen
weltweit Aufsehen erregenden Kurs gegen die US-amerikanische
Kulturindustrie. Im Interview mit der "Jungen Freiheit" lässt er sich
Zustimmung zum Achsentraum (Paris-Berlin, hier ohne Moskau) "des
Geopolitikers Henri de Grossouvres" entlocken, bevorzugt aber gegenüber
der ihm vom Interviewer nahegelegten Forderung Peter Scholl-Latours nach
einer "strategischen Militärmacht der Europäer", dass "Europa durch
gemeinsame Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und
Forschung" zusammengeführt werde.(26)
Flankiert wird diese Europa gegen die USA in Stellung
bringende politische Position durch ein weiteres Interview mit einem
'linken' (jedenfalls nicht-rechten) Autor: Chalmers Johnson (27)
(JF 4/2003, S. 4-5), dessen These vom Blowback ("Rückstoß") recht bald
nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von Michael Wiesberg in den
Diskurs der "Jungen Freiheit" eingebracht worden ist (vgl. JF 39/2001,
S. 10). Johnson legte im Interview zum Thema Geheimdienste nach. Er
wagte die Prognose, die USA "würden alles in ihrer Macht stehende tun,
um Deutschland zu unterwandern" (JF 4/2003, S. 5), wenn sich Deutschland
auf Gegenkurs zu den USA begebe; hier wird eine Parallele zu
Einmischungen der USA in Italien (Stichwort "Gladio") beschworen.
Ein besonderer Stellenwert wird muss dem Interview mit
Pat Buchanan, dessen Buch The Death of the West gleichzeitig ausführlich
in zwei Artikeln dargestellt wurde (28),
beigemessen werden Sowohl Immanuel Wallerstein (29)
(JF 37/02, S. 3) als auch Chalmers Johnson werden zu Buchanan befragt.
Buchanans Attraktion besteht nicht nur darin, dass er ein ausgemachter
stramm Konservativer ist und als US-amerikanischer Isolationist
sozusagen Bündnispartner jenseits des Atlantik. Auch viele seiner Thesen
über den "Tod des Westens" lassen sich leicht auf deutsche Verhältnisse
übertragen, wie beispielsweise sein Gezeter gegen "kulturellen
Marxismus", das sich mit der in der "Jungen Freiheit" gängigen Verpönung
der Kulturrevolution von 68 deckt, oder sein religiös unterfütterter
Kampf an der bevölkerungspolitischen Front. Schön, dass Chalmers Johnson
der "Jungen Freiheit" in diesem einen Punkt nicht auf den Leim ging:
"Ich bedauere, Ihnen das sagen zu müssen, aber ich halte
Pat Buchanan für einen typisch amerikanisch-irischen Rassisten. Und ich
bin extrem mißtrauisch gegenüber seiner Einstellung gegenüber
Einwanderern ebenso wie gegenüber seinem – wie ich es nennen möchte –
christlichen Fundamentalismus."
Zwar begrüße er Buchanans Engagement gegen den
US-Imperialismus, aber er interpretiere "die grundsätzliche Haltung, die
er uns seine Anhänger einnehmen genau für die Haltung, die den
amerikanischen Imperialismus verursacht" habe (JF 4/2003, S. 5).
Das ließ die "Junge Freiheit" aber nicht auf ihrem
Hoffnungsträger jenseits des Atlantiks sitzen. Sie publizierte Ende März
2003 als Nachdruck aus Buchanans Magazin The American Conservative einen
langen Artikel Buchanans, in dem dieser den vermeintlichen Ursachen des
US-Angriffs auf den Irak auf den Grund ging. Anstifter des Krieges sei,
so Buchanan, eine verschworene Gruppe jüdischer Publizisten ("die
Neokonservativen") innerhalb der Bush-Administration, die nicht
US-amerikanische, sondern israelische Politik betrieben.(30)
Ergänzt wird der erstaunliche und erstaunen lassen
sollende Pluralismus der Interview-Partner durch 'Feind'-Interviews.
Ruppig befragt werden Propagandisten der US-Linie wie der
Verlagsdirektor von "Foreign Affairs", Gideon Rose (JF 9/2003, S. 3),
und Steve Dunleavy, seit 1966 dem Medienmogul Rupert Murdoch verbunden
und als Kolumnist der "New York Post" eifriger Streiter gegen
französische 'Undankbarkeit'. Insbesondere das Interview mit Dunleavy
(JF 9/2003, S. 3) ist geeignet, das in weiten Teilen der Leserschaft
vorhandene antiamerikanische Ressentiment abzurufen; die "Junge
Freiheit" druckte dann auch einen entsprechenden Leserbrief zum
Interview ab.
Auszug aus dem Kapitel "Im Gespräch sein – mit Carl Schmitt und Alain
de Benoist -- oder "Wie die 'Junge Freiheit' völkischen Nationalismus
dosiert" in: Martin Dietzsch u.a.: Nation statt Demokratie . Sein und
Design der "Jungen Freiheit". Münster: Unrast 2. Aufl. 2004, S. 95-155,
hier S. 95-96 u. 108-127
Anmerkungen:
(1) Jürgen Habermas: Das deutsche Sonderbewußtsein
regeneriert sich von Stunde zu Stunde [zuerst 1993]. In: ders.:Die
Normalität einer Berliner Republik. Kleine Politische Schriften VIII.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1995, S. 74-87, hier S. 86.
(2) Das Begriffskonstrukt geht zurück auf Armin Mohlers
Baseler Dissertation von 1949, die mehrfach überarbeitet und zu einer
gigantischen Bibliographie ausgebaut eine Art Katalog der "Konservativen
Revolution" bietet; vgl. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in
Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch. Darmstadt: WBG 3., erw. Auflage
1989; vgl. zur Kritik am "Mythos" der "Konservativen Revolution" Stefan
Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution. Darmstadt: WBG 1993.
(3) Vgl. zu Schmitt und weiteren "Vordenkern" Kurt
Lenk/Günter Meuter/Henrique Otten: Vordenker der Neuen Rechten.
Frankfurt a.M./New York: Campus 1997.
(4) Franz Alt hat es mittlerweile auch zum Autor in der
"National Zeitung" des DVU-Anführers Gerhard Frey gebracht; vgl. NaZe
8/2003, S. 5.
(5) Ein Interviewpartner und gelegentlicher Autor der JF
war auch der sächsische Justizminister und (zeitweilig auch)
Innenminister Steffen Heitmann.
(6) Vgl. Teresa Orozco: Platonische Gewalt. Gadamers
politische Hermeneutik der NS-Zeit. Hamburg/Berlin: Argument 1995.
(7) Vgl. die ähnliche Einschätzung in
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr
2001, S. 127; wiederholt im Anfang April 2003 vorgestellten und bei
Redaktionsschluss noch nicht gedruckt vorliegenden Bericht über das Jahr
2002).
(8) Die folgende Darstellung beschränkt sich auf das
Zusammenspiel der Gesprächspartner gegen den Kampf gegen Rechts.
(9) Vgl. Thomas Dörr: "Mühsam und so weiter, was waren
das für Namen..." Zeitgeist und Zynismus im
nationalistisch-antisemitischen Werk des Graphikers A. Paul Weber (=
Schriftenreihe der Erich-Mühsam-Gesellschaft, Heft 18). Lübeck 2000; zum
historischen Kontext Michael Pittwald: Ernst Niekisch. Völkischer
Sozialismus, nationale Revolution, deutsches Endimperium. Köln:
PapyRossa 2002 u. Louis Dupeux: "Nationalbolschewismus" in Deutschland
1919-1933. Kommunistische Strategie und konservative Dynamik. München:
Beck 1985.
(10) Vgl. JF 10/2003, S. 6, 12/2003, S. 6 und die
"Richtigstellung" 13/2003, S. 6 u. 16/2003, S. 6.
(11) Vgl. Alfred Schobert: Mahlers Nolte mortale. Horst
Mahler ehrt Günter Rohrmoser als "Mentor der Linken" und betet für
Deutschland. In: Jungle World 51-1/1997-98, S. 32.
(12) Dokumentiert in Martin Dietzsch u.a. (Hg.):
Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der
Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation. Duisburg: DISS
1999, S. 75.
(13) JF 35/2000, S. 3; Bernd Rabehl widmete Mahler nach
dessen Auftritt als Anwalt der NPD im Parteiverbotsverfahren und nach
dem Austritt aus der NPD, die – so Mahlers Erklärung – der Demokratie
verhaftet und daher zum Untergang verdammt sei, in der JF ein sehr
unkritisches Porträt. Mahler spreche "richtige Probleme" an. "Seine
Bedeutung liegt darin, daß er das große Schweigen unterläuft." Kritisch
merkt Rabehl lediglich an, Mahler sei "Gefangener seiner Ideologie" und
geriere sich als "Missionar, der an die eigenen Visionen vorbehaltlos
glaubt" (JF 16/2003, S. 14) – welch freundliche Worte für die
antisemitischen Delirien, die aus Mahler heraussprudeln.
(14) Vgl. als Selbstauskunft Günter Maschke: "Ich war
eigentlich von Jugend an immer 'dagegen'" [Gespräch]. In: Claus M.
Wolfschlag (Hg.): Bye-bye '68... Renegaten der Linken, APO-Abweichler
und allerlei Querdenker berichten. Graz/Stuttgart: Stocker 1998, S.
29-48 u. das Porträt von Willi Winkler: Die Versuchung, Amok zu laufen.
Ein deutsches Milieu: Wie lebt ein rechter Kommunist heute? Extremist
war Günter Maschke sein Leben lang – Asylant in Cuba, Held der APO, nun
gibt er das Werk eines NS-Juristen heraus und bewundert Castro. In:
Süddeutsche Zeitung 18.9.1998, S. 3. Die FAZ kennzeichnete ihren
vormaligen Autor Maschke kürzlich sehr zurückhaltend als "Reaktionär",
um ihn dann als "Schriftsteller von Graden" zu loben: "Denkt man sich
den Begriff des Essays ohne Locker-Unverbindliches, dafür aber mit einem
höheren spezifischen Gewicht des Gedankens, dann bekommt man eine Idee
von seiner Arbeit" (Lorenz Jäger: Gelehrter ohne Amt. Kriegstheorie: Zum
sechzigsten Geburtstag von Günter Maschke. In: FAZ 15.1.2003, S. 35).
Fragt sich, wie Lorenz Jäger das höhere spezifische Gewicht der in
Maschkes Essays in einiger Regelmäßigkeit auftauchenden antisemitischen
Invektiven misst.
(15) Horst Mahler/Günter Maschke,/Reinhold Oberlercher:
Kanonische Erklärung zur Bewegung von 1968. In: Staatsbriefe 1/1999, S.
16-17 (auch in JF 10/1999, S. 7). In Artikel 7 wird behauptet, in der
68er Bewegung seien "zwei nationalrevolutionäre Flügel" entstanden,
einer antiamerikanisch, einer antisowjetisch; beim Berliner
Vietnamkongress vom Februar 1968 sei die Idee einer "Internationale der
Nationalrevolutionäre" entwickelt worden; die beiden Flügel stünden nach
Ende der UdSSR vor der "Wiedervereinigung" und dem gemeinsamen Kampf
gegen die USA.
(16) Vgl. außer den im folgenden noch erwähnten
Artikeln Maschkes weiter 8/2002, S. 15; 17/2002, S. 16-17 u. 15/2003, S.
17. Vgl. auch Maschkes Interview im NPD-Zentralorgan "Deutsche Stimme
(2/2001, S. 3).
(17) JF 43/2000, S. 16. Maschke bestätigt hier nur
drastisch, was der Gescholtene an seinem Beispiel aufgezeigt hat:
"Allgemein scheint zu gelten: wer mit Schmitt kritisch umgeht [...],
wird schnell zum Ziel heftiger und emotionaler Ausbrüche" (Raphael
Gross: Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre. Frankfurt
a.m.: Suhrkamp 2000, S. 14).
(18) Vgl. Gabriel Seiberth: Anwalt des Reiches. Carl
Schmitt und der Prozeß "Preußen contra Reich" vor dem Staatsgerichtshof.
Berlin: Duncker & Humblot 2001.
(19) JF 13/2003, S. 6; vgl. auch das Interview mit von
Thadden in JF 36/1994, S. 3.
(20) Zur Rolle der Rede von "Mitteldeutschland" in der
Jungen Freiheit vgl. Alfred Schobert/Ronald Papke: Ab durch die Mitte.
Der Mitteleuropa-Gedanke in der Jungen Freiheit. In: Helmut Kellershohn
(Hg.): Das Plagiat. Der Völkische Nationalismus der Jungen Freiheit.
Duisburg: DISS 1994, S. 297-322.
(21) Um nicht auch noch von den Sympathien des Muftis
von Jerusalem für die Nazis zu reden. Vgl. zu Kühnen Alfred Schobert:
"Kulturrevolution" im Neonazismus der 80er Jahre. Antiamerikanismus,
Antisemitismus und die Mär von der arabischen Welt als natürlichem
Alliierten der Deutschen. In: Archiv-Notizen 1/2003, S. 4-9.
(22) Vgl. Alfred Schobert: "Mit Allah und Odin". In:
Der Rechte Rand H. 69 (März-April 2001), S.19-21.
(23) Kein Zufall auch, dass die "Junge Freiheit" die
ersten Interviews nach dem 11.9.2001 separat als Buch veröffentlicht
hat, das nun schon in der zweiten Auflage erscheint; vgl. Die Tragödie
des Westens. Beiträge und Interviews nach dem 11. September 2001 u.a.
von Peter Scholl-Latour u.a. Mit einem Vorwort von Dieter Stein. Berlin:
Junge Freiheit 2002.
(24) Vgl. insbesondere Carl Schmitt: Carl Schmitt:
Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde
Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht [zuerst 1939].
(Text der 4. Aufl. 1941). In: ders.: Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten
aus den Jahren 1916-1969. Hrsg., mit einem Vorwort und mit Anmerkungen
versehen von Günter Maschke. Berlin: Duncker & Humblot 1995, S. 269-371.
(25) Vgl. JF 6/02, S. 3 u. 7/02, S. 8.
(26) JF 8/2003, S. 3; dieses Interview erschien auch in
"Zur Zeit", dem österreichischen Ableger der JF (vgl. ZZ 9/2003, S. 4);
zu Langs Kritik des US-Kulturimperialismus vgl. seine viel beachtete
Rede in Mexiko, abgedruckt in Culture de masse ou culture des peuples (=
Raison Présente H. 64). Paris: Nouvelles Éditions Rationalistes o.J., S.
97-100
(27) Chalmers Johnson: Ein Imperium verfällt. Ist die
Weltmacht USA am Ende? [amerik. zuerst 2000] München: Goldmann 2001.
(28) Vgl. JF 13/2002, S. 3 u. S. 6; vgl. Patrick
Buchanan: Der Tod des Westens. Geburtenschwund und Masseneinwanderung
bedrohen unsere Zivilisation. Selent: Bonus 2002.
(29) Wallerstein ist ein weltweit Anerkennung
genießender linker Sozialwissenschaftler. Vgl. als jüngste
Veröffentlichung Immanuel Wallerstein: Utopistik. Historische
Alternativen des 21. Jahrhunderts [amerik. zuerst 1998]. Wien: Promedia
2002.
(30) JF 14/2003, S. 14-15. Gleich nach Erscheinen des
amerikanischen Originals erhielt Buchanan Beifall von der rechten Seite.
Die von Ingrid Rimland betreute "zundelsite" des Holocaust-Leugners
Ernst Zündel nannte den Text den "heute wahrscheinlich bedeutendsten
Artikel".
hagalil.com
18-03-05 |