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Martin Dietzsch / Siegfried Jäger / Helmut Kellershohn / Alfred Schobert:

Nation statt Demokratie.
Sein und Design der "Jungen Freiheit"


Edition DISS Bd. 4
Unrast Verlag 2004
Euro 16,00

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"Nation statt Demokratie":
Wenn die 'Junge Freiheit' das Gespräch sucht...

Leseprobe

Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die "Junge Freiheit" sich anschickte, auf wöchentliches Erscheinen umzustellen, kennzeichnete der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas den Zustand der vorherrschenden politisch-kulturellen Debatten so: "Der ganze intellektuelle Müll, den wir uns vom Hals geschafft hatten, wird wieder aufbereitet, und das mit dem Gestus, für das Neue Deutschland die neuen Antworten parat zu haben."(1)

Im mediopolitischen Diskurs mag sich seit 1993 manches verschoben haben, im Guten wie im Schlechten; doch damals wie heute gilt, dass die "Junge Freiheit" eine zwar kleine, doch für Spezialaufträge zuständige effektive Wiederaufbereitungsanlage für jenen intellektuellen Müll ist. Nach mehrjährigem Probebetrieb in Freiburg zunächst in Potsdam, dann in Berlin installiert, liefert die "Junge Freiheit" wöchentlich Recycling-Produkte aus der sogenannten "Konservativen Revolution" der 20er und 30er Jahre. Aus dem Angebot dieser heterogenen politischen Strömung, die als Einheit zu betrachten in der Forschung nicht unumstritten ist (2) , bevorzugt die "Junge Freiheit" insbesondere die "jungkonservativen" Spielart und da neben Ernst Jünger vor allem den Staatsrechtler Carl Schmitt.(3)

Dass es sich hierbei zumeist um ideologisches Material von Wegbereitern und Weggefährten des Nazismus handelt, muss freilich, um als Zeitungsprojekt einigermaßen am Leben zu bleiben, und sei es auch am Tropf von Mäzenen, die die zu geringe Verkaufszahlen finanziell ausgleichen, kaschiert werden. Um ins Gespräch zu kommen und sich und die "Konservative Revolution" ins Gespräch zu bringen, bedient sich die "Junge Freiheit" publizistischer Techniken, die sich mit jenen krimineller Giftmüll-Schieber vergleichen lassen: falsche Deklaration von Ultragiften, Hoffen auf die Naivität der Empfänger, Mischung verschiedener hochgiftiger Substanzen mit harmloserem Material, um vorgeschriebene Grenzwerte zu unterschreiten und teure Kosten für Endlagerung auf Sondermülldeponien zu sparen usw. Nicht zu vergessen der erfolgreiche Trick, Chemiemüll grell zu färben und als Hygiene-Würfel für Toiletten Gewinn bringend zu verkaufen. Wie hier Abfall vermeintlich der Sauberkeit dienen soll, so lehrt die "Junge Freiheit" Politik und Kultur aus Vorlagen, die lange Zeit in den Giftschränken der Archive und Bibliotheken lagerten, als Quellen historischer Forschung, von den Jungmannen nun aber als Rezeptbücher für Gegenwart und Zukunft gehandelt werden.

[...]

Ins Gespräch kommen

Regelmäßig listet die "Junge Freiheit" auf ihrer Interview-Seite in einer Spalte eine Vielzahl früherer Interviewpartner auf. Das dient längst nicht allein dem Zweck, Platz zu füllen. Genannt werden da beispielsweise (in der Ausgabe vom 28. März 2003) etablierte Politiker und Politikerinnen wie Peter Gauweiler (CSU, ehemaliger bayerischer Umweltminister, jetzt Bundestagsabgeordneter), Vera Lengsfeld (Bürgerrechtlerin, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Bündnisgrünen, zur CDU übergetreten), Laurenz Meyer (Generalsekretär der CDU), Günter Rexrodt (FDP, ehemaliger Bundeswirtschaftsminister) Jörg Schönbohm (CDU, General a.D., Innenminister in Brandenburg), Hans Otto Solms (FDP, Bundestagsabgeordneter) oder Christoph Zöpel (SPD, ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär im Außenministerium, Bundestagsabgeordneter). Auch schmückt man sich mit den Namen bekannter Fernseh-Journalisten wie Peter Scholl-Latour, Gerhard Löwenthal und Franz Alt (4), Schriftstellern wie Rolf Hochhuth und Ephraim Kishon, Philosophen wie Hans-Georg Gadamer und Hermann Lübbe oder auch Publizisten wie Joachim Kaiser (Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung) und Eckhardt Henscheid. Der Rabbiner Isaak Halberstadt findet sich dort ebenso aufgelistet wie Charlotte Knobloch, die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, und der renommierte israelische Militärhistoriker Martin van Creveld.

Man wird sich beim Lesen der hier genannten Namen vielleicht gelegentlich verwundert und fassungslos an den Kopf gefasst haben, beispielsweise bei der Nennung des brandenburgischen Innenministers (und damit 'Verfassungsministers') Schönbohm.(5) Bei Gadamer werden die allerwenigsten an dessen Mitwirken in der institutionalisierten Philosophie des deutschen Faschismus denken (6) und dies dann – fälschlich! – linear bis in die Gegenwart fortschreiben; bei Kishon wird kaum jemand sich vergegenwärtigen, dass er immer wieder auch als israelische Alibifigur für die Reputation der rechten Buchfabriken des Verlegers Herbert Fleissner herhalten muss, sondern die meisten werden an seine Satiren aus dem Leben in Israel denken.

So fragt man sich wohl, was sie in einem Blatt der extremen Rechten zu suchen haben. Oder aber – unberechtigte, wie sich noch zeigen wird – Zweifel bekommen, ob die "Junge Freiheit" vielleicht doch nicht so weit rechts außen steht wie der Ruf, der ihr seit Jahren vorauseilt. Diese Effekte der Verwunderung sind, so darf man unterstellen, seitens der Zeitungsmacher durchaus gewollt. Die so deutlich zur Schau getragene pluralistische Auswahl der Interviewpartner soll die Zeitung vom Ruch des völkischen Nationalismus frei machen.(7) Zudem dürfte für einen Teil der Leser das Blatt dadurch auch inhaltlich attraktiver werden.

Im Dialog mit dem Minister

Mitte November 2002 erschien in der "Jungen Freiheit" ein langes, sich über zwei Seiten erstreckendes Interview mit dem Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm. "Die Union muß auf konservative Werte setzen", lautete der Titel, der eine Aussage Schönbohms aufgriff. Dem Untertitel zufolge drehte sich das Gespräch zwischen Schönbohm und Dieter Stein um "das Tafelsilber' der Union, die drohende demographische Katastrophe der Deutschen und den Kampf gegen Rechts".(8) Anders als bei den meisten Interviews der "Jungen Freiheit", die mit Porträtaufnahmen der Interviewten illustriert werden, ließ es sich die "Junge Freiheit" nicht entgehen, den Chefredakteur und den Minister auf einem Foto im Dialog zu zeigen.

Noch bevor Stein, dem man ein besonderes Interesse an diesem Thema unterstellen darf, Schönbohm auf den Kampf gegen Rechts angesprochen hat, reduziert der brandenburgische Innenminister diesen bereits auf eine bloße Strategie des politischen Gegners, namentlich des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD). Man müsse nämlich, so Schönbohm, die Versuche der SPD, zu Beginn des Wahlkampfes den Kanzlerkandidaten der Unionsparteien, Edmund Stoiber, "als Rechtsaußen zu brandmarken", "im Zusammenhang mit dem zuvor von Herrn Thierse und anderen initiierten 'Aufstand der Anständigen' sehen." Darin sieht Schönbohm lediglich eine "strategische Falle, in die die Union hineintappen sollte" (JF 47/2002, S. 4).

Der NPD attestiert Schönbohm, sie sei "eindeutig verfassungsfeindlich". Er erkennt aber ein anderes Problem: "Tatsache aber ist ebenso, daß die NPD nur allzu gerne als Resonanzboden für die Rituale des antifaschistischen Kampfes benutzt wird." Die "Junge Freiheit" exponiert diese Aussage Schönbohm als Zwischenüberschrift: "Die NPD dient als Resonanzboden für den Antifa-Kampf" (JF 47/2003, S. 5).

Auch die weiteren Zwischenüberschriften der "Jungen Freiheit" haben es in sich: "Kampf gegen Rechts - dahinter stecken Thierse & Fischer" und "Die Unredlichkeit der 'Anständigen' empört mich". Tatsächlich betont Schönbohm, an Veranstaltungen im Rahmen des Kampfes gegen Rechts "nie teilgenommen" zu haben, denn: "Was da insgesamt wirkte, war verordneter, moralisch überhöhter Aktionismus und der wurde schließlich sogar noch parteipolitisch gegen die CDU instrumentalisiert. Die treibenden Kräfte dabei waren die Herren Thierse und Fischer." Nach dieser Vorgabe Schönbohms stehen der Chef der "Jungen Freiheit" und der Innenminister an einer Front. Stein legt vor, indem er die in der wissenschaftlichen Forschung über die extreme Rechte etablierte These über die Verantwortung der "Mitte der Gesellschaft" als "linksradikale These" entlarvt. Schönbohm setzt in seiner Antwort noch eins drauf:

"Mit der heißen Phase des 'Aufstandes Zuständiger und Anständiger gegen Rechts' stiegen die rechtsextrem motivierten Straftaten parallel sprunghaft an. Seit dem Abflauen des 'Kampfes gegen Rechts' sind auch diese Straftaten wieder klar rückläufig. Und jetzt stellt vor allem Herr Thierse diese These auf: Da der Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft komme, fände er nun verdeckt, nicht mehr offen statt. Was damit bezweckt werden soll, ist klar: Nämlich den Diskurs der verschiedenen politischen Lager - der notwendig zu einer lebendigen Demokratie gehört - zu unterbinden, um das konservative Lager erneut matt zu setzen. Das alles ist schon erstaunlich."

Erstaunlich ist tatsächlich, wie Schönbohm hier die aus der "Jungen Freiheit" bekannte Argumentation reproduziert – vielleicht definiert er allerdings "konservativ" nicht ganz so weit, nämlich so offen für die Einbeziehung von Teilen der extremen Rechten unter diesen Begriff, wie dies in der "Jungen Freiheit" gängig ist.

Der Interviewer Stein versucht nach dieser Vorgabe, noch einen weiteren Punkt zu machen, indem er Schönbohm auf die Berliner Demonstration vom 9. November 2000 anspricht. Bei dieser Demonstration hatte Paul Spiegel die von der CDU angestoßene Debatte um "deutsche Leitkultur" kritisiert. Stein legt Schönbohm nun die Leimrute aus, die Unionsparteien hätten vielleicht "Schuld" an der soeben von Schönbohm skizzierten Situation, denn sie hätten "doch an der Großdemonstration 'gegen Rechts' am 9. November 2000 in Berlin teilgenommen". Schönbohms Antwort:

"Tatsächlich lief die Demonstration offiziell unter einem weniger verfänglichen Titel. Das bemerkenswerte bei dieser Veranstaltung war allerdings, daß der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, als Redner der Union Vorwürfe machte, die falsch und verletzend waren. Mich hatte das verwundert, weil ich Herrn Spiegel sehr schätze."

Auf die Vorgabe Steins, ob die Union mittlerweile "kapiert" habe, "daß es beim 'Kampf gegen Rechts' nicht wirklich um das Problem des Rechtsextremismus geht, sondern darum, die Union unter Druck zu setzen", antwortet Schönbohm: "Ich bin sicher, daß das auch die Wohlmeinenden in der Partei spätestens mit dem 9. November 2000 eingesehen haben. Ein zweites Mal wird sich eine solche Situation nicht wiederholen", um dann zu propagieren, "wir sollten [...] endlich lernen, wieder unbefangen stolz auf unser Land sein zu können".

So bestätigt Innenminister Schönbohm unfreiwillig, was nicht nur der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen behauptet: Die Aussage im Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg für das Jahr 2000 stellte fest, was später auch für das Schönbohm-Interview gilt: "Die Redaktion der JF ist dabei bemüht, extremistisches Gedankengut als 'national-konservatives' zu verschleiern und bedient sich hierzu immer wieder der Bereitschaft von Politikern und sonstigen Personen zu Interviews."

Einige Monate später lässt sich ein weiterer Unionspolitiker im Kampf gegen den Kampf gegen Rechts vor den Karren der "Jungen Freiheit" spannen. Ende Februar 2003 erklärt die "Junge Freiheit" auf der Titelseite: "Der 'Kampf gegen Rechts' soll die politische Vorherrschaft von Rotgrün zementieren". "Das verhetzte Volk" ist der Text überschrieben; als Illustration dient eine Grafik A. Paul Webers – politisch wiederum ein deutliches Signal: als Grafiker war Weber im Umfeld Ernst Niekischs im "Widerstand" tätig, wohlgemerkt im "Widerstand" gegen die Weimarer Republik, und tat sich auch durch antisemitische Karikaturen hervor.(9)

Auf der Interview-Seite finden sich zwei Interviews, eines mit dem Bonner Professor Manfred Funke und ein kürzeres mit Wolfgang Götzer, Bundestagsabgeordneter der CSU. Götzer nimmt ausdrücklich Bezug auf Schönbohms Interview mit der "Jungen Freiheit" und behauptet, es gehe "beim sogenannten 'Aufstand der Anständigen' von Anfang an in erster Linie darum, das bürgerliche Lager, speziell die Union unter Druck zu setzen und in die 'rechte Ecke' zu stellen" (JF 10/2003, S. 3). Für Antifaschismus hat Götzer nichts übrig: "'Antifaschismus' ist ein Kampfbegriff des Linksextremismus, der dazu dient, von der eigenen totalitären Ideologie abzulenken und eine breite Front zu schmieden, um das bürgerliche Lager zu vereinnahmen und letztlich matt zu setzen." Götzer bedauert ausdrücklich, dass der Kampf gegen Rechts nicht "am Ende" sei. Doch die Fragestunde im Deutschen Bundestag, bei der die Förderung von Initiativen im Kampf gegen Rechts zum Thema gemacht wurde, sei "ein Anfang", um ihm ein Ende zu setzen.

Die "Junge Freiheit" versucht, in derselben Nummer und in der folgenden Ausgabe dazu ihren Beitrag zu leisten, indem sie sich mit diffamierender Absicht exemplarisch über den Magdeburger Verein "Miteinander e.V." hermacht. Bei Manuel Ochsenreiters 'Enthüllung' handelt es sich allerdings ganz offensichtlich um eine Pseudorecherche mit kurzem Atem und langen Zähnen. Unter dem Gesichtspunkt journalistischer Seriosität betrachtet, sind die betreffenden Artikel als Reinfall anzusehen, zogen sie doch neben einer "Richtigstellung" zwei Gegendarstellungen nach sich.(10)

Im Gespräch bleiben – Signale an die Kameraden

Seit die "Junge Freiheit" sich auf dem schwierigen Markt der Wochenzeitungen zu behaupten sucht, unterliegt sie einem doppelten Zwang. Ihr Bemühen um ein reputierliches Image lässt sie Gefahr laufen, Leserschaft auf der Rechten einzubüßen. Bei den Kameraden wird ihr Name gelegentlich zu "Junge Feigheit" verballhornt. Also muss sie, um Leserschaft in der Stammklientel zu halten, versuchen, neben den Zugängen ins gesellschaftliche und politische Establishment auch weiter Signale an die Kameraden auf der extremen Rechten auszusenden. Dies wird schwerer, wenn der gesellschaftliche Druck auf die extreme Rechte zunimmt.

Als im Sommer 2000 in der breiten Öffentlichkeit und dann auch seitens der Bundesregierung endlich die Gefährdung der Demokratie durch die extreme Rechte erkannt wurde, witterte die "Junge Freiheit" die Gefahr. Das Thema wurde Chefsache und der Chef, Dieter Stein, war sichtlich nervös. In seinem Kommentar "Nationale und Gewalt" (JF 31-32/2000, S. 2) vergoss er Krokodilstränen über einen Anschlug auf die Flüchtlingsunterkunft in Ludwigshafen. Wenige Seiten weiter allerdings präsentierte er eine als Interview ausgegebene Selbstdarstellung eines besonders versierten Experten für den Neonazismus: Sascha Wagner, einst Hooligan bei Alemannia Aachen, nun Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der Jungen Nationaldemokraten (JN). Im Gespräch mit Stein empfiehlt die Mitglieder der Jugendorganisation der NPD als "die besten Sozialarbeiter" und entlarvt "Spitzel des Verfassungsschutzes und die Medien" als "Heißmacher" (JF 31-32/2000, S. 4). Welch passendes Wort im Zusammenhang mit einem Brandanschlag!

Abschied vom Weggefährten Horst Mahler

Knapp einen Monat später steigert sich Stein, indem er sich zweier auf die äußerste Rechte abgewanderter Alt-68er annimmt: Horst Mahler, einst Anwalt des SDS, dann Mitbegründer der RAF, seit Dezember 1997 als strammer Rechter bekannt (11) und im Sommer 2000 in die NPD eingetreten, und Günter Maschke. Auf einer Spalte beklagt Stein Mahlers "Weg in die Einsamkeit" (JF 35/2000, S. 3) – eine merkwürdige Interpretation eines Beitritts zu einer Partei. Unzweideutige öffentlich wahrnehmbare Nähe zur NPD war dem Zeitungsmacher Stein immer ein Dorn im Auge. Denn sie würde seine so angestrengten wie unglaubwürdigen Bemühungen, seinem Blatt ein honoriges Image zu verpassen, restlos zum Scheitern verurteilen. So machte er Mahler plötzlich zum Prügelknaben.

Stein sieht Mahler "in einer tragischen Sackgasse zum Stillstand gekommen": "Autistisch Hegel und Marx zitierend, schlafwandelt er in seinen Schriften und Reden, wie auch im persönlichen Gespräch". Ganz sentimental auf 'das Menschliche' gerichtet, möchte Stein "den Menschen [Mahler] hinter der Mauer entdecken, doch sein Blick ist in die Ferne gerichtet und er selbst weit fort". Dass Mahler "weit fort" sei von Steins Postille, davon konnte der Chefredakteur allerings nur träumen. Alles, was Stein im folgenden über Mahler schreibt, galt schon einige Zeit für dessen Texte, bevor Mahler als Autor bei der "Jungen Freiheit" hofiert wurde und Stein sich stolz gemeinsam mit Mahler bei der Frankfurter Buchmesse 1998 präsentierte. Und es galt auch für die Texte Mahlers, die in der "Jungen Freiheit" erschienen; nicht zufällig wurde einer der Beiträge Mahlers zur Debatte um Martin Walsers Friedenspreis-Rede sowohl in der "Jungen Freiheit" als auch im Zentralorgan der NPD, der "Deutschen Stimme", abgedruckt.(12)

Im Sommer 2000 aber gab sich Stein plötzlich erschüttert: Mahlers Presse-Erklärung zum NPD-Beitritt sei "eine rätselhafte, weitschweifige Begründung für Antisemitismus und die Bedrohung durch die Juden. Mahler spricht von einer 'geheimen Regierung' Deutschlands und entfaltet eine Verschwörungstheorie, die kaum eines der gängigen Klischees ausläßt".(13)

Günter Maschke

Stein fand zeitgleich allerdings einen gleichwertigen Ersatzmann für Kamerad Mahler, der nur bei höchst oberflächlicher Betrachtung als unverdächtig erscheinen könnte: Günter Maschke, den Stein in derselben Ausgabe der "Jungen Freiheit" interviewt. Maschke (14) hatte zuvor gemeinsam mit dem Hamburger SDSler Reinhold Oberlercher und Horst Mahler eine atemberaubend geschichtsklitternde nationalrevolutionäre Reinterpretation von '68 vorgelegt. In Artikel 5 jenes kruden Papiers zur Umdeutung der 68er Revolte in einen antiamerikanischen und befreiungsnationalistischen "deutschen Aufstand gegen eine Besatzungsmacht", das die "Junge Freiheit" als "Dokumentation" abdruckte, hieß es:

"Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) spielte eine der Jenenser Urburschenschaft vergleichbare Rolle als nationalrevolutionärer Initiator. Der zu Beginn der 70er Jahre sich bildende Waffen-SDS (Rote-Armee-Fraktion) setzte die Tradition eines Karl Sand, eines Major von Schill und eines ernsthaften Waffenstudentums fort. In der tragischen Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer traf der Waffen-SDS einen SS-Mann, der die Position der nationalrevolutionären Volksgemeinschaft zugunsten derjenigen des Anführers eines Klassenkampfverbandes verraten hatte."(15)

Im Interview liefert Maschke Dieter Stein Fundamentalkritik am "System", das völlig illegitim sei und in dem die "geistige Freiheit [...] gegen Null gehe". Auf Steins Frage, ob er meine, "die äußerste Rechte, die den Kampf explizit auf die Straße tragen möchte, vertrete tatsächlich eine legitime Gegenposition zum 'System'", meint Maschke:

"Dieses Land kämpft darum, seine eigenen Interessen nicht mehr formulieren zu dürfen. Der Widerstand dagegen könnte sich ausweiten und intelligenter werden, wobei ich allerdings mit Blick auf das verfügbare Personal skeptisch bin. Deshalb müssen schon die Ansätze rasiert werden. [...] Und ich werde mich deshalb auch nicht abgrenzen. Nicht weil es keine Unterschiede gebe, sondern weil die falschen Leute dazu auffordern und man das außerdem nicht vor den Ohren des gemeinsamen Feindes tut (JF 35/2000, S. 7).

Jener Günter Maschke, der sich von den Stiefel tragenden Neonazis nicht abgrenzen will und zugibt, man habe einen "gemeinsamen Feind", ist bis heute ein gern gesehener Autor in der "Jungen Freiheit".(16) Da Maschke kaum Rücksichten nimmt und in seiner Unabhängigkeit als Privatgelehrter auch nicht nehmen muss, sondern Klartext schreibt, kommen Anhänger der härteren Linie bei seinen JF-Texten auf ihre Kosten. So leugnet er anders als manche Apologeten Carl Schmitts dessen Antisemitismus nicht. Er minimiert in seiner Besprechung einer einschlägigen Studie wohl dessen Stellenwert: "was Schmitt von den Juden dachte", behauptet Maschke, "ist für ein Verständnis seiner Schriften nicht einmal von tertiärer Bedeutung." Dann aber bedient Maschke in seinem Verriss des als "Amoklauf" gescholtenen Buches ein tradiertes Motiv, die Botschaft über 'die Juden und das Geld', freilich in einer Variante nach Auschwitz: Juden profitierten ihm zufolge in Deutschland von der Erinnerung an den Holocaust. Der Autor der Studie, so Maschke "wurde auch über Jahre hinweg von mehreren Stiftungen gefördert. In den deutschsprachigen Ländern fließen für jüdische Stipendiaten keineswegs Milch und Honig – sie stürzen vielmehr kataraktartig auf die Antragsteller herab." Entsprechend überschreibt die "Junge Freiheit den Artikel mit "Der subventionierte Amoklauf".(17)

In einer Rezension einer Studie über die Rolle Carl Schmitts als Anwalt des Reiches beim sogenannten "Preußenschlag" vom 20. Juli 1932 (18), bei dem die sozialdemokratische Regierung Preußens durch einen Reichskommissar ersetzt und damit das "Bollwerk der Republik" (Martin Broszat) geschleift wurde, von Maschke als zwar nicht juristisch sistierbarer, aber doch politischer Staatsstreich" charakterisiert, zeigt Maschke, dass sein sein Herz für die Diktatur schlägt: "Nicht die Ausweitung des Artikels 48", also des dem Reichspräsidenten diktatorische Ausnahmevollmachten zugestehenden Artikels in der Weimarer Verfassung, "war eines oder gar das Hauptübel der sterbenden Republik, sondern dessen ihm trotz all seiner Verschärfungen bis zuletzt anhaftende Schwäche. Und Hitler war auch nicht das Ergebnis einer diktatorial deformierten Politik, sondern eines zuwenig an Diktatur und Ausnahmezustand" (JF 39/2002, S. 16).

Frank Schwerdt

Kurz nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens im März 2003 interviewte Manuel Ochsenreiter den Bundesgeschäftsführer der NPD, Frank Schwerdt. "Die NPD ist eine staatstragende Partei", lässt die "Junge Freiheit" Schwerdt im Titel verkünden. Die "Junge Freiheit" stützt diese auf Solidität setzende Selbstaussage, indem sie den politischen Werdegang des Interviewten nur sehr verkürzt vorstellt: Ochsenreiter spricht Schwerdt auf seine Mitgliedschaft in der CDU in den achtziger Jahren an und fragt dann, ob Schwerdts späterer Übertritt von den REPs zur NPD "Folge eines Gesinnungswandels" gewesen sei. So umschifft der Interviewer Zwischenstationen im Werdegang Schwerdts, die nicht zu seiner gediegenen Selbstdarstellung passen: Schwerdt war in der ersten Hälfte der neunziger Jahre Mitglied der Deutschen Liga für Volk und Heimat und Mitte der 90er Jahre Bundesvorsitzender der Kleinstpartei Die Nationalen.

"Unter dem Vorsitzenden Adolf von Thadden galt die NPD in den sechziger Jahren noch als überwiegend nationalkonservative und auch staatstragende Kraft. Spätestens seit der Wiedervereinigung bedient sie sich verstärkt einer radikalen und dezidiert sozialistischen Rhetorik. Sehen Sie in dieser Entwicklung Widersprüche?
Schwerdt: Nein, überhaupt nicht. Staatstragend ist die NPD auch heute noch, aber wir kämpfen gegen das politische System, welches sich in diesem Staat breitgemacht hat. Das politische System ist schließlich nicht der Staat. Diejenigen, die den Staat führen, repräsentieren nicht diesen Staat. Sie befinden sich leider nur zufällig an der Spitze."(19)

Wenn Schwerdt hier vom "politischen System" spricht, ist das nicht der politikwissenschaftliche Sprachgebrauch, der den Staat als Teil des politischen Systems betrachtet. Schwerdts Entgegensetzung von – negativ konnotierten - "politischem System" und "Staat" knüpft an an die demokratiefeindliche Polemik der Rechten gegen das "System" ("Systemparteien" usw.) der Weimarer Republik an.

Sprachlich ganz auf der Linie Schwerdts zeigt sich Ochsenreiter, wenn er diesen auf den "Zulauf von jungen Leuten in Mitteldeutschland" anspricht, den die NPD "durch radikale und sozialistische Rhetorik" erziele. Schwerdts Antwort: "Ich denke, daß diese den Zulauf in Mitteldeutschland bringen. Aber gerade bei bisher politisch nicht gebundenen jüngeren Leuten bringen sie den auch in Westdeutschland" (JF 13/2003, S. 6; Hrvh. d. Vf.). Sowohl für den JF-Redakteur Ochsenreiter wie für den NPD-Funktionär Schwerdt teilt sich das Territorium der Bundesrepublik Deutschland in West- und Mitteldeutschland – da bleibt jenseits der Grenze noch ein "Ostdeutschland" zu holen.(20) Auch akzeptiert der JF-Redakteur distanzlos das Selbstverständnis (von Teilen) der NPD, sie vertrete "sozialistische" Ziele.

Der "politische Flügel" der Hamas

Auch im Zuge der Nahost-Debatte nach Beginn der zweiten Intifada platzierte die Junge Freiheit Duftmarken für die militanten Kameraden. Weite Teile der extremen Rechten beziehen sich positiv auf den religiös verbrämten Aufstand mit zunehmendem Terror. Dies hat einen langen Vorlauf, der in einigen Milieus der extremen Rechten, so im Umfeld Michael Kühnens, noch weit hinter die erste Intifada Ende der 80er Jahre zurückgeht.(21) Der ersten Intifada wurde von der extremen Rechten bei der Propagierung des Konzeptes "national befreiter Zonen" ein Vorbildcharakter zugesprochen. Der Nationaldemokratische Hochschulbund brachte just in der Nummer seiner Zeitschrift "Vorderste Front", in der das Konzept erklärt wurde, einen vermummten Intifada-Kämpfer auf das Titelblatt – als eine weitere Ikone des bewaffneten Kampfes diente der rumänische Faschist Corneliu Zelea Codreanu. "Intifada weltweit!", lautete der Slogan, der dann nach Beginn der zweiten Intifada mit weit größerer Intensität wieder aufgenommen wurde. Eine zusätzliche Attraktivität bekam die arabische bzw. muslimische Welt für die Nazi-Szene durch die große Resonanz, die Holocaust-Leugnung dort findet.(22)

Die "Junge Freiheit" hielt sich in der Debatte um den Nahost-Konflikt seit Beginn der zweiten Intifada lange Zeit eher zurück. Mitte August 2001 aber ging man in die Vollen. Michael Wiesberg, Vielschreiber auch für die REPs, dozierte auf der Titelseite über die "Logik des Terrors". Die einseitige Schuldzuweisung an Israel und namentlich Premierminister Ariel Scharon wird bei Wiesberg nicht so plump und drastisch vorgetragen wie beispielsweise in der "National Zeitung". Scharon habe "sich auf einen Pfad begeben, der die Zukunft Israels eher gefährdet als sichert. Ob und wie dieser Pfad verlassen werden kann, ist derzeit nicht ersichtlich" (JF 34/2001, S. 1).

Dieser vermeintlichen Sorge der "Jungen Freiheit" um Israel geht Moritz Schwarz in derselben Ausgabe auf der Interview-Seite nach. Er befragt Dr. Abdel Aziz Rantisi. Rantisi ist Mitbegründer der islamistischen Organisation Hamas und wird von der "Jungen Freiheit" als "Sprecher des politischen Flügels der Hamas im Gaza-Streifen" präsentiert (JF 34/2001, S. 3). Das bedeutet aber längst nicht, dass die terroristischen Aktivitäten der Hamas, die für zahllose Selbstmordanschläge mit etlichen Toten und Verletzten verantwortlich ist, nun im Gespräch zu kurz kämen. Der Interviewer fragt höflich einige Positionen ab, manchmal widerspricht er dem Interviewten sogar vorsichtig. Dieser hat es leicht, seine Position durchzubringen und um Verständnis für die Hamas werben zu können. Rantisi malt ein Feindbild 'Israel' bzw. 'Israelis', wie es extremer kaum vorstellbar ist. Die "Mentalität der Israelis ist der Terror", heißt es da. Vorsichtig auf die Terrorakte der Hamas angesprochen, antwortet Rantisi ausweichend:

"Die Strategie der Hamas ist, unser Volk vor dem Terror der Israelis zu schützen. Besetzung eines Landes nenne ich Terror, die Ermordung von zweihundert unserer Kinder nenne ich Terror, die Tötung weiterer Hunderter unserer Zivilisten nenne ich Terror. [...] Wir haben keine andere Wahl, als die Israelis mit allen Mitteln zu stoppen" (JF 34/2001, S. 3).

Die Formel "mit allen Mitteln" schließt Selbstmordanschläge in Cafés oder an anderen belebten öffentlichen Orten in Israel ein. Diese mörderischen Akte werden als Teil einer "Strategie [...], unser Volk vor dem Terror der Israelis zu schützen" beschönigt und legitimiert – zur großen Freude des Teils der Leserschaft, der darauf hofft, dass die Palästinenser an den Juden vollenden, was die Deutschen begannen, dürfen wir wohl vermuten.

Die "Junge Freiheit" spricht wohlgemerkt mit einen Vertreter des "politischen Flügels" der Hamas; das Interview lässt aber keinen Zweifel an der Arbeitsteilung mit dem terroristischen Flügel. So erklärt Rantisi: "Beide gehören gleichermaßen zur selben Organisation, aber jeder Flügel arbeitet für sich alleine" (JF 34/2001, S. 3). Als könnte an seiner Position noch ein Zweifel bestehen, befragt die "Junge Freiheit" Rantisi, ob er die Attentate "des militärischen Flügels gegen die Israelis" (ebd.; Hrvh. v. AS) befürworte (womit sie den terroristischen Flügel zum "militärischen" adelt, als handle es sich um eine reguläre Armee). Rantisi formuliert darauf eine weise und vielversprechende Antwort: "Wir haben weder 'Apache'-Kampfhubschrauber noch F-16-Jagdbomber. Wenn wir solche Waffen auch einmal haben, werden wir nichts anderes mehr benutzen" (ebd.).

Mit diesem Interview wagte sich die "Junge Freiheit" weit vor; im weiteren Verlauf der Berichterstattung über die zweite Intifada wurde das Gespräch mit Rantisi durch andere, auch gegenläufige Beiträge abgefedert.

Das Gespräch suchen - "Querverbindende Denkweise"

Nach dem 11. September 2001 intensivierte die "Junge Freiheit" ihr Bemühen, das Spektrum ihrer Interview-Partner zu erweitern.(23) Insbesondere suchte man nach 'linken' Positionen, und zwar häufig im Ausland. Das hatte wohl den Vorteil, dass manche Interview-Partner nicht ahnten, wem sie da ein Interview gewährten. So interviewte man, um den spektakulärsten Coup zu nennen, nach ihrem Aufsehen erregenden Essay in der "FAZ" die indische Schriftstellerin Arundhati Roy (JF 42/2001, S. 3-4).

Mit dieser systematischen Öffnung gegenüber – vage gesprochen – 'linken' Positionen praktiziert die "Junge Freiheit" genau das, was Alain de Benoist unter dem Schlagworten "Metapolitik" und "querverbindende Denkweise" propagiert und in seinen Texten als Diskursmix praktiziert, nämlich mittels solcher Brückenschläge politische Fronten zu verwischen.
Kritik an den USA (und darüber hinaus bzw. häufig damit identisch gesetzt Kritik an der Globalisierung) ist für diese Vorgehensweise ein besonders geeignetes Feld. Denn ideologiegeschichtlich ist dies leicht anschließbar an den kulturkritischen Diskurs (deutsche Tiefe versus Oberflächlichkeit aus Hollywood usw.). Zudem knüpft man hier an die Invektiven Carl Schmitts gegen die imperiale Deutung der Monroe-Doktrin und die USA als "raumfremde Macht" sowie die anti-universalistischen Polemik, wie sie Schmitt in seinen Texten über "Großraum" und "Reich" vorgelegt hat, an.(24)

Gilt dies für intellektuell anspruchsvolle Publikation, so lässt sich an anderer Stelle emotional gegen die USA mobilisieren, indem man auf den "angloamerikanischer Bombenterror" gegen Deutschland verweist. Symptomatisch dafür steht in den JF-Interviews der "Dresden"-Einschub des Interviewers (bzw. der Redaktion) im Interview mit Arundhati Roy (JF 42/2001, S. 3).

Ein weiteres neuralgisches Thema sind Geheimdienste, hier insbesondere CIA und Mossad; hierzu hat Andreas von Bülow nach seinem Interview in der Zeitschrift "Konkret" auch der "Jungen Freiheit" per Interview einiges geliefert. So spekulierte der sozialdemokratische Ex-Minister, der nun als Publizist tätig ist und als Geheimdienstexperte gilt, über die Beteiligung des israelischen Geheimdienstes Mossad an den Anschlägen vom 11.9.2001. Auch lieferte er der "Jungen Freiheit" eine dort höchst willkommene Interpretation der extremen Rechten in Deutschland; diese sei nämlich weitgehend ein Produkt von – insbesondere ausländischen – Geheimdiensten.(25) Dass dieses Interview mit seiner Stoßrichtung auch in der frankophonen Neuen Rechten auf Interesse stößt, zeigt sich daran, dass es unter dem Titel Sur la géostratégie américaine et l'impuissance européenne" ("Über die amerikanische Geostrategie und die europäische Ohnmacht" auch auf der Homepage von "Terre et Peuple" erschien, einer aus dem GRECE hervorgegangenen Gruppe und Zeitschrift um Pierre Vial, die auf Zusammenarbeit mit Le Pens Front National setzt. Übermittelt wurde das Interview vom JF-Autor und Kopf der Europäischen Synergien, Robert Steuckers.

Mit der Zuspitzung der diplomatischen und militärischen Kriegsvorbereitungen der USA (und Großbritanniens) und des diplomatischen Gegensteuerns der Bundesrepublik Deutschlands und Frankreichs (sowie Russlands und Chinas) gewinnt die Interview-Politik der "Jungen Freiheit" weitere Dynamik. Auch vermag die "Junge Freiheit" die Erfolge früherer Interviews einstreichen.

Die auf eine Achse Deutschland-Frankreich (und Russland) setzende Linie de Benoists wird direkt gestützt durch das Interview mit Henri de Grossouvre (JF 8/2003, S. 3), der als "jüngster Sohn des Mitterand-Vertrauten François de Grossouvre" und als "Geopolitiker" präsentiert wird.

Einen symbolischen Erfolg im politischen Brückenschlag kann die "Junge Freiheit" mit dem Interview mit dem vormaligen französischen sozialistischen Kultur- und späteren Bildungsministers Jack Lang verbuchen. Lang vertrat als Minister kulturpolitisch einen weltweit Aufsehen erregenden Kurs gegen die US-amerikanische Kulturindustrie. Im Interview mit der "Jungen Freiheit" lässt er sich Zustimmung zum Achsentraum (Paris-Berlin, hier ohne Moskau) "des Geopolitikers Henri de Grossouvres" entlocken, bevorzugt aber gegenüber der ihm vom Interviewer nahegelegten Forderung Peter Scholl-Latours nach einer "strategischen Militärmacht der Europäer", dass "Europa durch gemeinsame Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung" zusammengeführt werde.(26)

Flankiert wird diese Europa gegen die USA in Stellung bringende politische Position durch ein weiteres Interview mit einem 'linken' (jedenfalls nicht-rechten) Autor: Chalmers Johnson (27) (JF 4/2003, S. 4-5), dessen These vom Blowback ("Rückstoß") recht bald nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von Michael Wiesberg in den Diskurs der "Jungen Freiheit" eingebracht worden ist (vgl. JF 39/2001, S. 10). Johnson legte im Interview zum Thema Geheimdienste nach. Er wagte die Prognose, die USA "würden alles in ihrer Macht stehende tun, um Deutschland zu unterwandern" (JF 4/2003, S. 5), wenn sich Deutschland auf Gegenkurs zu den USA begebe; hier wird eine Parallele zu Einmischungen der USA in Italien (Stichwort "Gladio") beschworen.

Ein besonderer Stellenwert wird muss dem Interview mit Pat Buchanan, dessen Buch The Death of the West gleichzeitig ausführlich in zwei Artikeln dargestellt wurde (28), beigemessen werden Sowohl Immanuel Wallerstein (29) (JF 37/02, S. 3) als auch Chalmers Johnson werden zu Buchanan befragt. Buchanans Attraktion besteht nicht nur darin, dass er ein ausgemachter stramm Konservativer ist und als US-amerikanischer Isolationist sozusagen Bündnispartner jenseits des Atlantik. Auch viele seiner Thesen über den "Tod des Westens" lassen sich leicht auf deutsche Verhältnisse übertragen, wie beispielsweise sein Gezeter gegen "kulturellen Marxismus", das sich mit der in der "Jungen Freiheit" gängigen Verpönung der Kulturrevolution von 68 deckt, oder sein religiös unterfütterter Kampf an der bevölkerungspolitischen Front. Schön, dass Chalmers Johnson der "Jungen Freiheit" in diesem einen Punkt nicht auf den Leim ging:

"Ich bedauere, Ihnen das sagen zu müssen, aber ich halte Pat Buchanan für einen typisch amerikanisch-irischen Rassisten. Und ich bin extrem mißtrauisch gegenüber seiner Einstellung gegenüber Einwanderern ebenso wie gegenüber seinem – wie ich es nennen möchte – christlichen Fundamentalismus."

Zwar begrüße er Buchanans Engagement gegen den US-Imperialismus, aber er interpretiere "die grundsätzliche Haltung, die er uns seine Anhänger einnehmen genau für die Haltung, die den amerikanischen Imperialismus verursacht" habe (JF 4/2003, S. 5).

Das ließ die "Junge Freiheit" aber nicht auf ihrem Hoffnungsträger jenseits des Atlantiks sitzen. Sie publizierte Ende März 2003 als Nachdruck aus Buchanans Magazin The American Conservative einen langen Artikel Buchanans, in dem dieser den vermeintlichen Ursachen des US-Angriffs auf den Irak auf den Grund ging. Anstifter des Krieges sei, so Buchanan, eine verschworene Gruppe jüdischer Publizisten ("die Neokonservativen") innerhalb der Bush-Administration, die nicht US-amerikanische, sondern israelische Politik betrieben.(30)

Ergänzt wird der erstaunliche und erstaunen lassen sollende Pluralismus der Interview-Partner durch 'Feind'-Interviews. Ruppig befragt werden Propagandisten der US-Linie wie der Verlagsdirektor von "Foreign Affairs", Gideon Rose (JF 9/2003, S. 3), und Steve Dunleavy, seit 1966 dem Medienmogul Rupert Murdoch verbunden und als Kolumnist der "New York Post" eifriger Streiter gegen französische 'Undankbarkeit'. Insbesondere das Interview mit Dunleavy (JF 9/2003, S. 3) ist geeignet, das in weiten Teilen der Leserschaft vorhandene antiamerikanische Ressentiment abzurufen; die "Junge Freiheit" druckte dann auch einen entsprechenden Leserbrief zum Interview ab.

Auszug aus dem Kapitel "Im Gespräch sein – mit Carl Schmitt und Alain de Benoist -- oder "Wie die 'Junge Freiheit' völkischen Nationalismus dosiert" in: Martin Dietzsch u.a.: Nation statt Demokratie . Sein und Design der "Jungen Freiheit". Münster: Unrast 2. Aufl. 2004, S. 95-155, hier S. 95-96 u. 108-127

Anmerkungen:
(1) Jürgen Habermas: Das deutsche Sonderbewußtsein regeneriert sich von Stunde zu Stunde [zuerst 1993]. In: ders.:Die Normalität einer Berliner Republik. Kleine Politische Schriften VIII. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1995, S. 74-87, hier S. 86.
(2) Das Begriffskonstrukt geht zurück auf Armin Mohlers Baseler Dissertation von 1949, die mehrfach überarbeitet und zu einer gigantischen Bibliographie ausgebaut eine Art Katalog der "Konservativen Revolution" bietet; vgl. Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch. Darmstadt: WBG 3., erw. Auflage 1989; vgl. zur Kritik am "Mythos" der "Konservativen Revolution" Stefan Breuer: Anatomie der Konservativen Revolution. Darmstadt: WBG 1993.
(3) Vgl. zu Schmitt und weiteren "Vordenkern" Kurt Lenk/Günter Meuter/Henrique Otten: Vordenker der Neuen Rechten. Frankfurt a.M./New York: Campus 1997.
(4) Franz Alt hat es mittlerweile auch zum Autor in der "National Zeitung" des DVU-Anführers Gerhard Frey gebracht; vgl. NaZe 8/2003, S. 5.
(5) Ein Interviewpartner und gelegentlicher Autor der JF war auch der sächsische Justizminister und (zeitweilig auch) Innenminister Steffen Heitmann.
(6) Vgl. Teresa Orozco: Platonische Gewalt. Gadamers politische Hermeneutik der NS-Zeit. Hamburg/Berlin: Argument 1995.
(7) Vgl. die ähnliche Einschätzung in Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2001, S. 127; wiederholt im Anfang April 2003 vorgestellten und bei Redaktionsschluss noch nicht gedruckt vorliegenden Bericht über das Jahr 2002).
(8) Die folgende Darstellung beschränkt sich auf das Zusammenspiel der Gesprächspartner gegen den Kampf gegen Rechts.
(9) Vgl. Thomas Dörr: "Mühsam und so weiter, was waren das für Namen..." Zeitgeist und Zynismus im nationalistisch-antisemitischen Werk des Graphikers A. Paul Weber (= Schriftenreihe der Erich-Mühsam-Gesellschaft, Heft 18). Lübeck 2000; zum historischen Kontext Michael Pittwald: Ernst Niekisch. Völkischer Sozialismus, nationale Revolution, deutsches Endimperium. Köln: PapyRossa 2002 u. Louis Dupeux: "Nationalbolschewismus" in Deutschland 1919-1933. Kommunistische Strategie und konservative Dynamik. München: Beck 1985.
(10) Vgl. JF 10/2003, S. 6, 12/2003, S. 6 und die "Richtigstellung" 13/2003, S. 6 u. 16/2003, S. 6.
(11) Vgl. Alfred Schobert: Mahlers Nolte mortale. Horst Mahler ehrt Günter Rohrmoser als "Mentor der Linken" und betet für Deutschland. In: Jungle World 51-1/1997-98, S. 32.
(12) Dokumentiert in Martin Dietzsch u.a. (Hg.): Endlich ein normales Volk? Vom rechten Verständnis der Friedenspreis-Rede Martin Walsers. Eine Dokumentation. Duisburg: DISS 1999, S. 75.
(13) JF 35/2000, S. 3; Bernd Rabehl widmete Mahler nach dessen Auftritt als Anwalt der NPD im Parteiverbotsverfahren und nach dem Austritt aus der NPD, die – so Mahlers Erklärung – der Demokratie verhaftet und daher zum Untergang verdammt sei, in der JF ein sehr unkritisches Porträt. Mahler spreche "richtige Probleme" an. "Seine Bedeutung liegt darin, daß er das große Schweigen unterläuft." Kritisch merkt Rabehl lediglich an, Mahler sei "Gefangener seiner Ideologie" und geriere sich als "Missionar, der an die eigenen Visionen vorbehaltlos glaubt" (JF 16/2003, S. 14) – welch freundliche Worte für die antisemitischen Delirien, die aus Mahler heraussprudeln.
(14) Vgl. als Selbstauskunft Günter Maschke: "Ich war eigentlich von Jugend an immer 'dagegen'" [Gespräch]. In: Claus M. Wolfschlag (Hg.): Bye-bye '68... Renegaten der Linken, APO-Abweichler und allerlei Querdenker berichten. Graz/Stuttgart: Stocker 1998, S. 29-48 u. das Porträt von Willi Winkler: Die Versuchung, Amok zu laufen. Ein deutsches Milieu: Wie lebt ein rechter Kommunist heute? Extremist war Günter Maschke sein Leben lang – Asylant in Cuba, Held der APO, nun gibt er das Werk eines NS-Juristen heraus und bewundert Castro. In: Süddeutsche Zeitung 18.9.1998, S. 3. Die FAZ kennzeichnete ihren vormaligen Autor Maschke kürzlich sehr zurückhaltend als "Reaktionär", um ihn dann als "Schriftsteller von Graden" zu loben: "Denkt man sich den Begriff des Essays ohne Locker-Unverbindliches, dafür aber mit einem höheren spezifischen Gewicht des Gedankens, dann bekommt man eine Idee von seiner Arbeit" (Lorenz Jäger: Gelehrter ohne Amt. Kriegstheorie: Zum sechzigsten Geburtstag von Günter Maschke. In: FAZ 15.1.2003, S. 35). Fragt sich, wie Lorenz Jäger das höhere spezifische Gewicht der in Maschkes Essays in einiger Regelmäßigkeit auftauchenden antisemitischen Invektiven misst.
(15) Horst Mahler/Günter Maschke,/Reinhold Oberlercher: Kanonische Erklärung zur Bewegung von 1968. In: Staatsbriefe 1/1999, S. 16-17 (auch in JF 10/1999, S. 7). In Artikel 7 wird behauptet, in der 68er Bewegung seien "zwei nationalrevolutionäre Flügel" entstanden, einer antiamerikanisch, einer antisowjetisch; beim Berliner Vietnamkongress vom Februar 1968 sei die Idee einer "Internationale der Nationalrevolutionäre" entwickelt worden; die beiden Flügel stünden nach Ende der UdSSR vor der "Wiedervereinigung" und dem gemeinsamen Kampf gegen die USA.
(16) Vgl. außer den im folgenden noch erwähnten Artikeln Maschkes weiter 8/2002, S. 15; 17/2002, S. 16-17 u. 15/2003, S. 17. Vgl. auch Maschkes Interview im NPD-Zentralorgan "Deutsche Stimme (2/2001, S. 3).
(17) JF 43/2000, S. 16. Maschke bestätigt hier nur drastisch, was der Gescholtene an seinem Beispiel aufgezeigt hat: "Allgemein scheint zu gelten: wer mit Schmitt kritisch umgeht [...], wird schnell zum Ziel heftiger und emotionaler Ausbrüche" (Raphael Gross: Carl Schmitt und die Juden. Eine deutsche Rechtslehre. Frankfurt a.m.: Suhrkamp 2000, S. 14).
(18) Vgl. Gabriel Seiberth: Anwalt des Reiches. Carl Schmitt und der Prozeß "Preußen contra Reich" vor dem Staatsgerichtshof. Berlin: Duncker & Humblot 2001.
(19) JF 13/2003, S. 6; vgl. auch das Interview mit von Thadden in JF 36/1994, S. 3.
(20) Zur Rolle der Rede von "Mitteldeutschland" in der Jungen Freiheit vgl. Alfred Schobert/Ronald Papke: Ab durch die Mitte. Der Mitteleuropa-Gedanke in der Jungen Freiheit. In: Helmut Kellershohn (Hg.): Das Plagiat. Der Völkische Nationalismus der Jungen Freiheit. Duisburg: DISS 1994, S. 297-322.
(21) Um nicht auch noch von den Sympathien des Muftis von Jerusalem für die Nazis zu reden. Vgl. zu Kühnen Alfred Schobert: "Kulturrevolution" im Neonazismus der 80er Jahre. Antiamerikanismus, Antisemitismus und die Mär von der arabischen Welt als natürlichem Alliierten der Deutschen. In: Archiv-Notizen 1/2003, S. 4-9.
(22) Vgl. Alfred Schobert: "Mit Allah und Odin". In: Der Rechte Rand H. 69 (März-April 2001), S.19-21.
(23) Kein Zufall auch, dass die "Junge Freiheit" die ersten Interviews nach dem 11.9.2001 separat als Buch veröffentlicht hat, das nun schon in der zweiten Auflage erscheint; vgl. Die Tragödie des Westens. Beiträge und Interviews nach dem 11. September 2001 u.a. von Peter Scholl-Latour u.a. Mit einem Vorwort von Dieter Stein. Berlin: Junge Freiheit 2002.
(24) Vgl. insbesondere Carl Schmitt: Carl Schmitt: Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte. Ein Beitrag zum Reichsbegriff im Völkerrecht [zuerst 1939]. (Text der 4. Aufl. 1941). In: ders.: Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969. Hrsg., mit einem Vorwort und mit Anmerkungen versehen von Günter Maschke. Berlin: Duncker & Humblot 1995, S. 269-371.
(25) Vgl. JF 6/02, S. 3 u. 7/02, S. 8.
(26) JF 8/2003, S. 3; dieses Interview erschien auch in "Zur Zeit", dem österreichischen Ableger der JF (vgl. ZZ 9/2003, S. 4); zu Langs Kritik des US-Kulturimperialismus vgl. seine viel beachtete Rede in Mexiko, abgedruckt in Culture de masse ou culture des peuples (= Raison Présente H. 64). Paris: Nouvelles Éditions Rationalistes o.J., S. 97-100
(27) Chalmers Johnson: Ein Imperium verfällt. Ist die Weltmacht USA am Ende? [amerik. zuerst 2000] München: Goldmann 2001.
(28) Vgl. JF 13/2002, S. 3 u. S. 6; vgl. Patrick Buchanan: Der Tod des Westens. Geburtenschwund und Masseneinwanderung bedrohen unsere Zivilisation. Selent: Bonus 2002.
(29) Wallerstein ist ein weltweit Anerkennung genießender linker Sozialwissenschaftler. Vgl. als jüngste Veröffentlichung Immanuel Wallerstein: Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts [amerik. zuerst 1998]. Wien: Promedia 2002.
(30) JF 14/2003, S. 14-15. Gleich nach Erscheinen des amerikanischen Originals erhielt Buchanan Beifall von der rechten Seite. Die von Ingrid Rimland betreute "zundelsite" des Holocaust-Leugners Ernst Zündel nannte den Text den "heute wahrscheinlich bedeutendsten Artikel".

hagalil.com 18-03-05











 

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