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Alfred Schobert und Siegfried Jäger (Hg.):
Mythos Identität.
Fiktion mit Folgen

Edition des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) im UNRAST-Verlag 2004
Euro 18,00

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Mythos Identität:
Fiktion mit Folgen

Rezension von Karl Pfeifer

Der vorliegende Sammelband präsentiert die Ergebnisse des XVII DISS Colloquiums im Dezember 2003, knüpft daran an und diskutiert das Thema "Identität".

Kurt Lenk setzt sich polemisch mit "Pax Americana im Zeichen der Bush-Doktrin" auseinander. Einige seiner Behauptungen sind nur schwach belegt. Zum Beispiel, dass sich Bush jun "Autoren aus der "Schule" des legendenumwobenen nach Amerika emigrierten deutschen Philosophen Leo Strauss" holte.

Lenk sieht "just durch diese amerikanisch-britische Invasion die in diesem Land (Irak) begonnenen Säkularisierungs- und Modernisierungsimpulse in einen aggressiv-fundamentalistischen Islamismus umzuschlagen beginnen...". Als ob Saddam Hussein nicht dieses reiche Land ins Elend und Regression gestürzt hätte. Die Islamisierung wurde bewusst durch die Diktatur Saddams gefördert.

Lenk macht den USA den Vorwurf: "Um einen Krieg aus innerer Überzeugung führen und wirklich billigen zu können, bedarf es des Bewusstseins, einen Kampf für das Gute gegen das schlechthin Böse zu führen, d.h. aber auf Gottes Seite zu stehen." Gibt es denn ein anderes Land oder ein Regime, dass je Krieg geführt hätte mit der Parole "wir führen einen Kampf für das Böse und gegen das Gute"? Und was soll man von diesem Satz halten, der so auch in jedem Wirtshaus zu hören ist, in dem Mitglieder der deutsch-österreichischen Volksgemeinschaft zusammenkommen: "Amerika hat alle seine Kriege als Kampf zwischen Gut und Böse empfunden: von den Indianern über die Spanier bis zu den Deutschen und Japanern."

Alfred Schobert beleuchtet in seinem Beitrag gründlich den Antiamerikanismus und die Europa-Vorstellung des "neuen Rechten" Alain de Benoists und zeigt wie sich dieser Rechte einen europäischen Jihad gegen die USA vorstellt. Insbesondere interessant ist der letzte Abschnitt seines Artikels über die Bildung einer kruden Allianz, die im Zeichen von Antiamerikanismus und eines kaum maskierten Antisemitismus sehr verschiedene politische Lager von den Neonazi über Rechtsextremisten und bis zum antiimperialistischen Lager eint.

Gudrun Quenzel untersucht die europäische Identität vom wissenschaftlichen Diskurs bis zum Feuilleton großer Tageszeitungen. Ivan Golobolov unterscheidet in seinem Beitrag über die nationale Identität im post-sowjetischen Russland fünf große Komplexe von russischem Nationalismus, die das Russisch-Sein abhängig davon artikulieren, welcher "Feind" identifiziert wird. Ein interessante Schilderung auch des antisemitischen Nationalbolschewismus.

Moshe Zuckermann ist wie viele andere Linke schwer enttäuscht: Israel ist nicht die Utopie geworden, die er sich vorgestellt hat. "Im Grunde genommen kam der Staat Israel bzw. die Lösung des "jüdischen Problems" als eine Kopfgeburt in die Welt... Der Zionismus bzw. die zionistische Staatsidee entstand also als eine Kopfgeburt, nicht als eine Reaktion auf eine bereits bestehende Realität, sondern als etwas, das sich ex negativo entfaltete." Was immer Zuckermann schwadroniert, Zionismus war nicht nur eine "Kopfgeburt" wie das im Grunde genommen jede nationale Bewegung ist, sondern gründete auf den sehr realen Problemen der Millionen Juden Osteuropas Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Auf die Welle der antijüdischen Pogrome im Zarenreich gab es verschiedene Möglichkeiten zu reagieren. Millionen wanderten aus und nur ein Bruchteil in das arme Palästina. Andere setzten ihre Hoffnungen in den Sozialismus und die Arbeiterklasse. Manche hofften das Problem durch Assimilation lösen zu können. Doch gerade dort, wo sich die meisten Juden assimilierten, triumphierte der Rassenwahn.

Zionismus bedeutete gefährdeten Juden Normalität und Selbstbestimmung zu verschaffen. Dass dies nur zum Teil gelungen ist, ist nicht ausschließlich Schuld der Zionisten. Die Zionisten können es Zuckermann nicht Recht machen. Erwogen sie Jiddisch zur Nationalsprache zu machen, dann verlor man "die orientalischen Juden dabei aber mehr oder minder aus dem Blickfeld". Weil dann die Zionisten Hebräisch zur Nationalsprache machten, bekommen sie auch ihr Fett ab, denn damit griffen sie auf die Sprache der Religion zurück. Zuckermann lässt kein antizionistisches Klischee aus, so dass es den Rahmen einer Rezension sprengen würde auf alle einzugehen.

Schade nur, dass die Veranstalter, der Ausgewogenheit halber nicht auch einen palästinensischen Wissenschaftler eingeladen haben, der in ähnlich kritischer Weise mit der palästinensischen Geschichte umgegangen wäre.

Jobst Paul zeigt die Bemühungen deutscher Juden auf, einen republikanischen Entwurf einer deutschen Nation zu formulieren. Diese Angebote eines Dialogs wurden zumeist abgelehnt. Um Deutsch zu sein, musste man die Religion der Väter aufgeben und zu einer Religion konvertieren, die damals beharrlich die jüdischen Wurzeln leugnete.

Siegfried Jäger befasst sich mit dem völkischen Verständnis deutscher Identität und kommt zu einem Schluss, dessen Gegenteil die meisten Medien nicht müde werden zu behaupten: "Das mediale Feindbild gegenüber Moslems und anderen Einwanderern in Deutschland hat sich entgegen den Erwartungen vieler nach dem 11.9.2001 nicht verschärft, sondern eher etwas gemäßigt."

Semra Celik stellt anhand der Analyse von Alltagsinterviews mit Jugendlichen mit türkischen Migrationshintergrund "hybride Identitäten" fest. Franz Wichert beleuchtet "Moderne Männlichkeit im hegemonialen Printmediendiskurs: Identität und Fiktion".

Die Herausgeber verstehen diesen Band als Zwischenstation auf dem Wege weiterer kritischer Reflexion und Forschung. Tatsächlich regen manche Beiträge zum Nachdenken, andere – quod erat demonstrandum – zum heftigen Widerspruch an.

hagalil.com 06-06-05











 

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