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Antifaschis-tisches Frauennetz-werk, Forschungs-netzwerk Frauen und Rechts-extremismus (Hg.):
"Braune Schwestern?
Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten
"
Unrast Verlag 2005
Euro 14,00

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Frauen sich in der rechtsextremen und Neonazi-Szene:
"Braune Schwestern ?"

Von Bernhard Schmid

Die Erkenntnisse feministischer Gesellschaftstheorie mit wissenschaftlichen Beobachtungen über die Hintergründe rechtsextremen Engagements zusammenzuführen: Diese anspruchsvolle Aufgabe haben sich sieben Autorinnen gesetzt, deren Sammelband "Braune Schwestern?" vor wenigen Wochen erschienen ist. Die sieben bringen eine Menge wissenschaftlichen Sachverstand und Erfahrung zu dem Thema zusammen - dennoch ist kein dickleibiges Spezialistinnenwerk entstanden, sondern ein gut zu lesendes und die Heranführung an die doppelte Thematik erleichterndes Buch.

Den darin enthaltenen Beiträgen ist gemeinsam, dass Frauen grundsätzlich nicht als von Natur aus "bessere Menschen", auch nicht passive Opfer gesellschaftlicher Strukturen betrachtet werden: Die Autorinnen betonen immer wieder, dass sie ebenso rassistisch oder nationalistisch oder antisemitisch wie Männer sein können. Aufgrund vorhandener gesellschaftlicher Strukturen drücken sie das freilich mitunter in anderen Handlungsstrategien aus als Männer.

An welche frauenpolitischen Themen kann die extreme Rechte anknüpfen?

Zur Einführung vielleicht am besten geeignet ist der Beitrag von Renate Bitzan. Die Verfasserin möchte ergründen, welche Versatzstücke oder welche Unterströmungen des Feminismus am ehesten von Frauen mit rechtsextremem Hintergrund kompatibel gemacht und für deren eigene Zwecke genutzt werden können. Also sucht sie nach potenziellen Schnittstellen.

Dabei nimmt sie weder den am Topos der "Gleichheit" zwischen Männern und Frauen orientierten, sich positiv auf "Vernunft und Aufklärung" charakterisierenden Feminismus grundsätzlich von dieser Möglichkeit aus ­ noch die andere große Strömung, der sich an Differenz orientiert und Kritik am "einseitigen Rationalismus" als Produkt einer männerdominierten Gesellschaft übt. Der entscheidende Knackpunkt liegt der Autorin zufolge vielmehr beim grundsätzlich herrschaftskritischen Charakter einer feministischen Kritik, oder dem Mangel daran. So könne eine an "Gleichheit" orientierte Handlungsstrategie von Frauen - wenn es an ihr an herrschaftskritischer Absicht fehle - etwa zum Ausdruck der begrenzten Interessen weißer Mittelschichtsfrauen werden, die besser am privilegierten Status von MetropolenbürgerInnen teilhaben wollen.

Ebenso kann die differenzorientierte Perspektive dazu führen, sich in einer dualen, auf Bipolarität beruhenden Verteilung der Geschlechterrollen einzurichten. Dagegen zeichne sie sich, falls sie mit allgemeiner Herrschaftskritik verbunden sei, durch die generelle Ablehnung von sozialer "Homogeneität" aus und durch die Affirmation "multipler Identitäten" auch im Individuum selbst. Parallel dazu müsse eine mit genereller Kritik an Hierarchien und Dominanz einher gehende, prinzipielle Gleichheitsperspektive notwendig auch Kritik an Rassismus oder Klassenherrschaft beinhalten.

Im Bereich der rechtsextremen Weltbilder konstatiert die Autorin zunächst, dass die Frage der gesellschaftlichen Stellung von Frauen insgesamt eine untergeordnete Rolle spiele. Oben auf der ideologischen Agenda steht vielmehr die Zugehörigkeit zu Nation, "Rasse" oder "Volksgemeinschaft". Doch innerhalb des ­ insgesamt nur relativ geringe Bedeutung aufweisenden ­ Bereichs der rechtsextremen Frauenbilder gibt es erhebliche Differenzierungen: Die Einen streben vor allem nach einer Rolle als Mutter und Gefährtin des "kämpfenden" Mannes, die sich in der Vorstellung einer Dualität der Geschlechter einfügen, während die anderen dagegen die heroische Rolle der "kämpferischen" Frau und Aktivistin herausstreichen.

Im letzteren Falle kann die rechtsorientierte Frau ihre Autonomie und Bedeutung sowohl im Rahmen moderner Rollenbilder ­ durch Teilnahme am Erwerbsleben etwa ­ als auch durch archaische ideologische Bilder von der "germanischen Volksgenossin" herausstreichen. Insofern wiesen die unterschiedliche Handlungs- und Orientierungsangebote jeweils verschiedene Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten der Vereinnahmung auf. Dagegen schütze nur die Verbindung des Feminismus mit genereller Ablehnung von Hierarchie und Herrschaft.

Von der Bänkelsängerin bis zur brutalen Rock-Walküre

Kirsten Döhring und Renate Feldmann stellen in ihrem Text eine Reihe rechtsextremer Aktivistinnen vor: von der NPD-Bänkelsängerin mit mystischem Einschlag bis zu Neonazi-Rockerinnen wie "Die Walküren", die Texte singen wie "Kampf für Deutschland": "Unser Marsch bewegt die Massen, und Millionen reihen sich!" Das Spektrum konzentriert sich allerdings auf die militant-neonazistische Spektrum und weniger auf rechtsextreme Wahlparteien mit vergleichsweise bürgerlichem Habitus wie Die Republikaner (REPs). Auch sie konstatieren, dass klassische frauenpolitische Topoi wie die Thematisierung von sexistischer Gewalt auch von aktiv rechtsextremen Frauen vorgebracht werden können. Kritisiert wird von ihnen allerdings nicht oder äußerst selten der gewalttätige Sexismus, den es in ihrer eigenen Szene ­ vor allem im Bereich der Skin-Subkultur ­ ganz ungeschminkt gibt. Vielmehr werden wahrgenommene Bedrohungen von Frauen systematisch projiziert auf Personen und Kreise, die außerhalb der nationalen oder "rassischen" Gemeinschaft stehen. Dazu gehören besonders ideologische Chiffren wie die oft beschworene Angst vor dem "fremdländischen, dunkelhäutigen Vergewaltiger". Solche Sätze lassen sich tatsächlich bei einer Vielzahl zu Wort kommender rechter Frauen finden.

Antisemitismus und Sexismus

Cordelia Heß beleuchtet in ihrem teilweise historisch ausgerichteten Beitrag das "Verhältnis von Sexismus und Antisemitismus im völkischen Weltbild". Vor allem im späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war die Vorstellung vom Nationalstaat als einem lebenden, organischen Wesen und homogenen "Körper" äußerst präsent. Diskussionswürdig wären dabei die Feststellung: "Die völkische Ideologie formuliert dabei gewissermaßen die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft aus", indem sie letztere radikalisiere, und ferner die Subsumtion völkischer Theorien unter den Oberbegriff des "westlichen Denkens". Tatsächlich ist das Verhältnis des deutsch-völkischen Nationalismus zum republikanischen Nationalstaat, wie er 1789 in Frankreich entstand, und seiner Ideologie sowohl durch Kontinuitäten gekennzeichnet als auch durch Brüche und durch die Mobilisierung reaktionärer Affekte gegen die bürgerliche Moderne und "den Westen" in Gestalt des "vernegerten Frankreich" oder der "Mischlingsrepublik USA". Insofern wäre die Bezeichnung des völkischen Denkens als "antiwestlich" genauso passend oder ebenso ungenau wie der Oberbegriff "westlich".

Ausgehend von der richtigen Darstellung und Kritik des Ideologems vom "homogenen Staats- und Volkskörper" weist die Autorin den Zusammenhang mit einer systematischen Darstellung der Frauen als schwache, triebgesteuerte und sexualisierte Wesen nach. Denn im völkischen Weltbild geht die Bedrohung von der Vorstellung aus, "Fremdrassige" ­ etwa die Juden ­ drängen in den Volkskörper ein und zersetzten ihn von innen her: Der Weg dazu führt über die Frau, die nicht auf die "Bewahrung ihres Blutes" acht gibt und sich verführen lässt; Juden ihrerseits werden extrem sexualisiert und mit auffälligen Körpermerkmalen dargestellt. Bezogen auf die jetzige Phase konstatiert die Autorin das Fortleben solcher Topoi, aber in dieser Konstellation nur im engeren Kreis offen pro-nationalsozialistischer Gruppen. In bürgerlichen und konservativen Kreisen dagegen sei eine offene Verbindung mit einem solchen primären Antisemitismus eher zur Ausnahme geworden, dort sei er eher dem sekundären Antisemitismus ­ als politischer Schuldabwehr ­ gewichen.

Frauen und Geschlechterpolitik beim Front National

Die einzige Monographie einer rechtsextremen Organisation ist die Darstellung des französischen Front National (FN) von Gabi Elverich. Die Autorin konstatiert eine Modernisierung des geschlechterpolitischen Diskurs der rechtsextremen Partei in den 90er Jahren. Statt allein mit Familienmoral und Abtreibungsverbot zu drohen, sollen Frauen auch attraktiv erscheinende Angebote gemacht werden. Beispielhaft ist der ins FN-Wahlprogramm aufgenommene Programmpunkt, der den Frauen versprochene "Mutterlohn". Dieser wird in den Phasen, in denen der FN-Diskurs sich besonders modern gibt, auch zeitweise - scheinbar geschlechtsneutral - als "Elternlohn" bezeichnet, obwohl er sich angesichts der vorhandenen Strukturen im Berufsleben zweifellos eher an Frauen richtet, die sich zeitweise aus dem Erwerbsleben zurückziehen. Damit soll das Frauen- und Familienprogramm der rechtsextremen Partei weniger offenkundigen Mief ausströmen.

Sehr richtig bringt die Verfasserin diese tatsächliche Diskurs-Modernisierung mit dem damals wachsenden Einfluss der intellektuellen "Neuen Rechten" in Zusammenhang. Diese machte sich im Umfeld des damaligen FN-Chefideologen Bruno Mégret breit, der aber zum Jahreswechsel 1998/99 aus der Partei flog, weil er den Allmachtsanspruch von Jean-Marie Le Pen in Frage gestellt hatte. Diskussionsbedürftig hingegen erscheint die These, die frauenpolitische Modernisierung sei entwickelt worden, um gegenüber "Rechtskonservativen" bündnisfähig zu werden: Zumindest während größerer Teile der 90er Jahre versuchte der FN eher, als "nationale Systemalternative" und, vor allem, als "jenseits von Links und Rechts" zu erscheinen. Damals versuchte die Partei sowohl Wählerschichten aus der Arbeiterschaft und frühere Linkswähler anzuziehen als auch konservative Kleinbürger nach rechts zu radikalisieren. Das war zwar Demagogie, aber der Versuch, auch auf Frauen anziehungskräftig zu wirken, ist wohl eher in diesen Zusammenhang zu stellen.

Gabi Elverich hat zahlreiche Publikationen von FN-nahen Frauenorganisationen wie des "Nationalen Zirkels europäischer Frauen" (CNFE, Cercle national des femmes d'Europe) ausgewertet und konstatiert für dieses Jahrzehnt eine erneute Traditionalisierung, eine Rückentwicklung des frauenpolitischen Diskurses der Partei. Damit liegt sie ohne jeden Zweifel richtig. Ursächlich dafür dürfte allerdings vor allem der Verlust der meisten Intellektuellen und Kader sein, der seit der Parteispaltung von 1999 erfolgte.

An dieser Stelle, oder für zukünftige Forschungsarbeiten, wäre vielleicht eine ebenso detaillierte monographischer Studie anderer rechtsextremer Großparteien ­ wie etwa der soeben gespaltenen FPÖ - von Interesse.

hagalil.com 20-04-05











 

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