Walter Laqueur:
Jerusalem
Jüdischer Traum und israelische Wirklichkeit
Ullstein-Taschenbuch 2006
Euro 8,95
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Porträt einer entwurzelten Generation:
"Geboren in
Deutschland"
Walter Laqueur ist als Wissenschaftler und Autor
zahlreicher historischer Werke und Kommentaren zum aktuellen politischen
Geschehen gut bekannt. "Geboren in Deutschland", beschreitet einen
gänzlich anderen Weg und versucht das Porträt einer ganzen Generation zu
zeichnen... |
Jerusalem:
Jüdischer Traum und israelische Wirklichkeit
Rezension von Karl Pfeifer
Walter Laqueurs Buch wurde im Dezember 2005 als
preiswertes Taschenbuch veröffentlicht. Es ist nicht noch eine
staubtrockene "politologische" Erklärung, warum alles hat so kommen
müssen, wie es gekommen ist, sondern das mit Erinnerungen und köstlichen
Anekdoten vollgespickte Buch eines Wissenschaftlers, der auch als
Journalist brillierte.
Der 1921 in Breslau geborene Laqueur kam 1938 nach
Jerusalem und war jahrelang Korrespondent in- und ausländischer Medien,
von 1964 bis 1991 war er Direktor der Londoner Wiener Library und hat
eine Reihe von Büchern geschrieben, wie die Geschichte des Zionismus und
der Weg zum Krieg, in dem die Vorgeschichte des Sechstage-Kriegs 1967
geschildert wird.
Laqueur schildert das damalige Jerusalem mit einer
gewissen Wehmut, die der Rezensent, der Jerusalem das erste mal 1943
erlebte, nachvollziehen kann. Knapp und treffend beschreibt er bekannte
Personen, wie Martin Buber und Gerschom Scholem, aber auch heute zu
Unrecht vergessene, wie Gabriel Stern, der sich um gute Beziehungen zu
den arabischen Nachbarn bemüht hatte und einen binationalen Staat
wollte.
Wer erinnert sich noch an Mordechai Shenhabi, der die
Idee zur Errichtung von Yad Vashem hatte und dieser Institution ihren
Namen gab? Aus dem Kapitel "Mussa Alami und der arabisch-jüdische
Konflikt" kann man mehr lernen über diesen als aus vielen gelehrten
Abhandlungen.
Ein wichtiges Kapitel ist Golda Meir und den
Postzionisten gewidmet, Laqueur verschweigt die Namen dieser Leute, die
aus der sicheren Position an israelischen Universitäten agieren, mit
feiner Klinge werden sie vorgeführt.
Ein Kabinettstück ist auch das Kapitel "Serfati, Curiel
und das Dilemma der jüdischen Kommunisten". Hier zeigt er auf, was
passiert, wenn Ideologie über Wirklichkeitssinn siegt.
Der Untertitel des Buches lautet "Jüdischer Traum und
israelische Wirklichkeit". Laqueur beschönigt nicht und kommt auch auf
die Fehler und Unterlassungen zu sprechen, aber er beleuchtet immer
wieder den historischen Kontext und beschreibt, auch als Nichtzionist,
der er ist, die Gesellschaft, die sein Leben rettete nicht gleichgültig
oder gar feindlich, sondern liebevoll.
Dieses Buch beleuchtet die historischen Wurzeln des
Konflikts, der den Zionismus seit seiner Entstehung begleitet und dessen
Ende leider nicht absehbar ist. Man liest die 401 Seiten als wären sie
ein spannender Roman.
hagalil.com
15-05-06 |